Gestern wurde bekannt, dass Nordkorea einen Nukleartest ausgeführt hat. Dieser war gemäss der zur Zeit erhältlichen Informationen, erfolgreicher als der letzte. Um die gute alte Zeit meiner Zunft wieder aufleben zu lassen, hier eine Analyse aus dem Sessel, wie sie im Kalten Krieg in Mode war.
Die sogenannten ‚Realisten’ hatten ihr Blütezeit in der Disziplin der Internationalen Beziehungen währende dem Kalten Krieg (das Zeitalter der Orks sozusagen). Nukelarwaffen erschienen ideal für eine Anwendung der von den Realisten bevorzugten Analyse: Rational entscheidende einheitliche Akteure und einer Waffe, die totale Zerstörung versprach, passten in dieser Theorie ausgezeichnet zusammen, wie die Faust aufs Auge sozusagen. Unzählige kluge Köpfe dachten vor allem darüber nach, wer wie wann und warum Nuklearwaffen anschaffen oder einsetzen könnte (oder eben nicht). Ein erfolgreicher Test von Nordkorea hätte sogleich solche Spekulationen ins Kraut schiessen lassen. Gerade weil viele Berater in solchen Fragen durch eben diese Denkschule geprägt wurden, ist es von Interesse, das Szenario einmal in diesem Sinne durchzudenken.
Die grosse Frage ist, wie wird Japan reagieren? Die ersten Stimmen wurden schon laut (unter Kopfnicken in den Kommentaren), dass Japan zur erfolgreichen Abschreckung nun eigene Atombomben-Pläne schmieden wird. Tatsächlich hat Japan auch schon entsprechend protestiert. Die Bedrohungslage für Japan ist unmittelbar (Nordkorea wird eher Japan erreichen können als die USA). Die pazifistische Grundhaltung in Japan hat sich abgeschwächt in den letzten Jahren und es gibt mehr und mehr Falken in Japans Politik.
Ich denke aber, die oben bei Passport verlinkte Diskussion greift aus mehreren Gründen zu kurz. Zuerst wäre da der Faktor China. Obwohl China häufig ein starker ‘Realismus’ zugesprochen wird, wenn es um seine Aussenpolitik geht, muss man sagen, dass es ein Thema gibt, wo China durchstartet. Die Erfahrungen mit der Japanischen Besetzung im Zweiten Weltkrieg und die von Japanern begangenen Greultaten haben tiefe Narben und kollektive Traumata hinterlassen. Die Chinesen werden alles unternehmen um eine nukleare Aufrüstung Japans zu verhindern.
Dies bringt mich zu einem zweiten Element, welches mich an der Passport-These zweifeln lässt: Die USA. Ein weiterer Grund neben der Katastrophe von Nagasaki und Hiroshima, warum die Japaner keine Atomwaffen besitzen, ist auch, dass Japan unter dem Schutzschirm der USA steht. Im Falle einer nuklearen Attacke auf Japan, vertraut man auf das Arsenal der USA und ihre Treue als Allierte. In dieser Beziehung hat sich wenig bis nichts geändert. Ausserdem werden die Chinesen bestimmt bei den USA den Wunsch platzieren, entsprechend auf Japan Einfluss zu nehmen und niemand will eine nukleare Aufrüstung Japans. Eine öffentliche Beteuerung der USA Japan nuklear zu schützen und vielleicht ein leichtes zurückkrebsen Obamas, was seine Anti-Nuklearwaffenrehtorik anbelangt, kann erwartet werden.
Auch denke ich, und hier weiche ich noch mehr von einer klassischen ‘realistischen’ Analyse ab als unter dem ersten Punkt, sollte Japans Abneigung gegen Militärische Macht im Allgemeinen und Nuklearwaffen im Speziellen nicht unterschätzt werden. Es gibt einen starken Anti-Nuklearwaffen Konsens weltweit und der ist noch viel stärker in Japan selber, dem einzigen Land, welches mit diesen Waffen auch angegriffen wurde. Die nukleare Bewaffnung von Japan wurde schon anfangs 90er Jahre vorausgesagt und hat bis jetzt nicht stattgefunden.
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