Das PEW Research Center for the People and the Press hat die Resultate zu einer Umfrage zur Wahrnehmung von Wissenschaft in der Öffentlichkeit veröffentlicht. Die Umfrage ist zwar eine US amerikanische Angelegenheit und auf dem europäischen Kontinent sieht es teilweise wohl sehr anders aus, trotzdem lohnt es sich die Resultate zu studieren um Schlussfolgerungen zur Wissenschaftskommunikation zu ziehen.
Der Bericht (vollständig zum herunterladen hier) untersucht mehrere Fragen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Wissenschaft durch die Öffentlichkeit, der wissenschaftlichen Selbstperzeption und öffentliche Debatten um Wissenschaft. Ich werde hier vor allem über drei Bereiche kurz schreiben: Wie die US-Öffentlichkeit Wissenschaft wahrnimmt (Teil 1), Wissenschaft, Politik und Religion (Teil 4) und die (teilweise nur in den USA) ‘heissen’ Themen Evolution und Klimawandel.
Sehr erfreulich scheint mir, wie positiv ‘Wissenschaft’ in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. 84% aller Befragten haben eine vorwiegend positive Sicht von Wissenschaft und nur 6% sehe Wissenschaft als vorwiegend negativen Einfluss. Diese Resultate scheinen relative konsistent zu sein, egal welche demographischen Untergruppen man betrachtet.
Auch die Parteizugehörigkeit ändert daran wenig. Interessant ist auch, dass Republikaner tendenziell den Effekt von Wissenschaft auf die Gesellschaft positiver einschätzen (88%) als mit den Demokraten affilierte (83%). Dies reflektiert jedoch in keiner Weise die Parteinähe der beiden Gruppen. Nur 6% der Wissenschaftler gaben an, den Republikanern nahe zu stehen, dem stehen 55% Demokraten in der gleichen Gruppe gegenüber.
Interessant ist der Graben der sich auftut in Bezug auf die Attitüde zum Umgang der Bush-Administration mit wissenschaftlichen Resultaten. 56% der breiten Öffentlichkeit ist sich nicht bewusst, dass die Bush Administration Resultate unterdrückte oder zu manipulieren versuchte (dem stehen 14% der Wisssenschaftler gegenüber). 77% der befragten Wissenschaftler glauben, dass die Vorwürfe wahr sind und 28% des Publikums (was immer noch hoch ist, in Anbetracht, dass die Mehrheit gar nichts davon wusste).
Ebenfalls interessant sind die (nicht-)religiösen Ansichten von Wissenschaftlern. Ein weiterer Graben zur breiteren Öffentlichkeit tut sich auf. 95% der Gesamtbevölkerung glauben an einen Gott oder höhere Macht aber nur 51% der Wissenschaftler. 4% der Gesamtbevölkerung geben an, an keines der beiden zu glauben aber 41% der Wissenschaftler nehmen diese mindestens agnostische Position ein. Besonders überrascht haben mich die Resultate mit der Aufschlüsselung in verschiedene demographische Unterkategorien für die Wissenschaftler im Bereich Religion. Mit zunehmenden Alter scheint der Glaube an eine höhere Macht abzunehmen. Die höchsten Werte findet man bei den 18-34 Jährigen und die tiefsten bei der Gruppe 65+. Ist es ein Trend und kommt nun eine religiösere Generation oder verliert man mit dem Alter seinen Glauben als Wissenschaftler? Ich tendiere zur zweiten Erklärung aber dies ist aus den vorliegenden Daten nicht ersichtlich. Warum Chemiker religiöser sind als Biologen erschliesst sich mir noch weniger. Vielleicht ist Chemie einfach ‘technischer’ und tangiert weniger essentielle Fragen nach dem Leben und unserer Herkunft.
In einem US amerikanischen Kontext müssen wohl die Fragen nach der Einstellung zu Evolution und Klimawandel gesehen werden. Die Resultate zum Klimawandel sind vielleicht etwas näher an Europa aber vermutlich immer noch nicht wirklich vergleichbar. Währen 97% der Wissenschaftler akzeptieren, dass alles Leben sich evolutionär entwickelt hat (und nur 8%, dass dieser Prozess ‘geleitet’ war), sehen dies nur 61% des breiteren Publikums so (22% sind von der ‘geleiteten’ These überzeugt). Wo die 2% Wissenschaftler herkommen, die meinen, alles Leben sei einfach fixfertig auf die Erde ‘gesetzt’ worden, ist mir ein absolutes Rätsel und ich zweifle ein wenig an der Kategorisierung als ‘Wissenschaftler’ dieser Personen (N.B. dieses Argument ist natürlich zirkulär und mehr eine schnippische Bemerkung meinerseits).
Bei der Frage nach der Klimaerwärmung ist der Graben ebenfalls relativ gross. 84% der Wissenschaflter sind davon überzeugt, dass die Erwärmung stattfindet und von Menschen gemacht ist, aber nur 49% der Öffentlichkeit sehen das so. 70% der Wissenschaftler denken, dass der Klimawandel ein ‘sehr ernstes Problem’ sei, während nur 47% der Öffentlichkeit diese Meinung teilen. Die unterschiedlichen Sichtweisen organisieren sich vor allem entlang der Parteilinien. Während 64% der Demokraten denken, dass die Erwärmung menschlichen Ursprungs sei, sind nur 30% der Republikaner dieser Meinung.
Diese Lücke scheint mir vor allem durch den politischen Diskurs geprägt und eben nicht evidenzbasiert. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das allgemeine Publikum den wissenschaftlichen Konsens zu Evolution und Klimawandel weit unterschätzt. Dies sind vermutliche die Propaganda-Erfolge von politischen Kampagnen von Organisationen wie dem kreationistischen Discovery Institute.
Dies ist wohl eine der wichtigsten Lektionen aus dieser Umfrage mitgenommen werden sollte: Die Faktenlage muss noch besser kommuniziert werden und vielleicht ist manchmal zuviel Differenzierung gar kontraproduktiv (auch wenn wir das alle gerne machen). Dies gilt aber nicht nur für die Wissenschaft, auch Journalistinnen und Journalisten sollten nicht in die ‘jeder Standpunkt ist gleichwertig’-Falle tappen, nur weil sie Objektivität anstreben. Vielleicht sollte man einfach mehr über die Propaganda und fehlende wissenschaftliche Grundlage von diesen Kampagnen sprechen und deren politischen Charakter hervorheben statt in die Defensive zu gehen und die Arbeit der Wissenschaft zu verteidigen.
Quelle der Tabellen: PEW Center (Public Praises Science; Scientists Fault Public, Media).
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