Der Schweizer Parlamentarier Rudolf Rechsteiner (Sozialdemorkatische Partei) verlangt ein fünfjähriges Moratorium für Biogene (oder Agro-)Treibstoffe. Die zuständige Kommission der grossen Kammer hat den Vorschlag gutgeheissen, die Vorlage wurde aber noch nicht vom Parlament genehmigt. Als Beobachter der Handelspolitik stellt man sich zwangsläufig ein paar Fragen zu dieser Massnahme, die dem “Menschenrecht auf Nahrung” zur Durchsetzung verhelfen möchte.
Rechsteiner gibt für seinen von 100 seiner Kollegen im Parlament mitunterzeichneten Vorstoss (beide Kammern zusammen haben 246 Mitglieder) fünf Argumente an, wobei er vor allem auf das ‘Menschenrecht auf Nahrung’ pocht:
- entwicklungspolitische Ziele: weltweit die Ernährungssicherung verbessern;
- klimapolitische Ziele: Treibhausgase ohne soziale und ökologische Konflikte reduzieren;
- energiepolitische Ziele: Umstieg auf ökologisch und sozial sinnvolle Energien fördern;
- agrarpolitische Ziele: bäuerliche Landwirtschaft und lokale Versorgung aufwerten;
- umweltpolitische Ziele: nachhaltig Haushalten mit Boden, Wasser und vielfältiger Natur.
Soviel Einigkeit in der Schweizer Politik macht skeptisch und tatsächlich wirft der Vorstoss doch einige Fragen betreffend Konsistenz auf. Ohne hier auf das ökologischen Für und Wider einzugehen, sollen hier ein paar Fragen zur Interessenvertretung und vorgebrachten Argumenten aufgeworfen werden.
Das erste Element das mir etwas verdächtig erscheint ist, dass die Schweiz schon soziale Vorschriften hat für die Steuerbefreiung von Agrotreibstoffimporten. Gemäss NZZ werden kaum Gesuche gestellt und die die wurden, würden sowieso unter die Ausnahmeregelungen fallen. Import von Rohstoffen die als Lebensmittel verwendet werden können ist im Moment gleich null.
Zweitens ist die plötzliche Sorge vieler Bauernvertreter um den Hunger in der Welt doch etwas sehr verdächtig, haben sie doch kein Problem mit Schutzzöllen gegen Importe aus Entwicklungsländern zu ihrem eigenen Vorteil und zum Nachteil der dortigen Bauern.
Drittens und damit im Zusammenhang stehend ist es seltsam, dass wenn Soja importiert wird für die Fütterung von Vieh für die Fleischproduktion (welche wiederum durch Zollbestimmungen geschützt ist) man anscheinend nicht um das ‘Menschenrecht auf Nahrung’ besorgt ist. Dies ist um so seltsamer, existiert dort doch tatsächlich ein bedeutender Importmarkt (vor allem seit BSE, da kein Tiermehl mehr verfüttert werden darf).
Viertens scheinen mir die Methoden nicht auf das Ziel angepasst: Hat man ein Problem mit sozialen Auswirkungen von Importen, warum verbietet man dann die Importe ganz, statt eben soziale Auflagen zu machen (auch solche werden häufig als Vorwand für den Schutz der eigenen Pfründe benutzt, aber man wäre wenigstens konsistent in den Argumenten).
Ich gestehe, ich bin kein Spezialist was das Thema anbelangt. Das Muster erinnert mich aber stark an ein Feld von dem ich ein bisschen was weiss, nämlich wie Schutzzölle, die aus purem Selbstinteresse einer kleinen Gruppe (häufig Bauern) verhängt werden. Der Verdacht liegt nahe, dass es vielen bestenfalls darum geht, sich zu profilieren ohne einem potentiellen Wähler weh zu tun (wen kümmern schon brasilianische Bauern solange man sein Steak kriegt?) und schlimmsten Fall sich den eigenen Markt zu sichern. Eine Studie zum Potential von Biomasse in der Schweiz zur Energiegewinnung, die ich gefunden habe (Oettli et al. Potentiale zur energetischen Nutzung von Biomasse in der Schweiz, 2004 also schon etwas alt) sieht nämlich durchaus ein gewisses Potential in Biogenen Treibstoffen. Sie findet aber auch, dass die Schweiz nicht wirklich zu konkurrenzfähigen Preisen produzieren kann. Ich habe viel Sympathie für den Einsatz für Menschenrechte und einige der Unterzeichner meinen es vermutlich sogar gut. Aber mit solchen Vorlagen ist wohl weder den Menschenrechten, noch den Entwicklungsländern noch den hungernden ein Gefallen getan.
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