Die Genfer Konventionen werden heute 60 Jahre alt. Was normalerweise als die Genfer Konvention bezeichnet wird, sind eigentlich vier Verträge. Der erste wurde 1864 unterschrieben. Warum feiern wir also den 60 Geburtstag und was steht eigentlich drin, in diesen viel zitierten Dokumenten? Wieder einmal ein Post in der inoffiziellen Serie Das internationale Abkommen der Woche.
Überblick: Was versteht man unter Genfer Konventionen?
Wie erwähnt, gibt es eigentlich vier Genfer Konventionen (manchmal auch Genfer Abkommen genannt) und drei Zusatzprotokolle. Hier die Liste mit den Links zur deutschen Fassung:
- Genfer Konvention zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde.
- Genfer Konvention zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See.
- Genfer Konvention über die Behandlung der Kriegsgefangenen.
- Genfer Konvention über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten.
- Zusatzprotokoll vom 8. Juni 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte.
- Zusatzprotokoll vom 8. Juni 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte.
- Zusatzprotokoll vom 8. Dezember 2005 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Annahme eines zusätzlichen Schutzzeichens.
Geschichte
Historisch gesehen, gab es die ersten drei Konventionen schon vor 1949. Das 60. Jubiläumsjahr wird gefeiert weil 1949 (immer noch unter dem Eindruck des zweiten Weltkrieges) eine Konferenz stattfand und man bestehende Verträge in ein einziges Regelwerk integrierte: Die erste Genfer Konvention von 1864 (inklusive die angebrachten Veränderungen von 1906 und 1929), die Haager Konventionen von 1899 und 1907 und das Abkommen über Kriegsgefangene von 1929. Dazu kam ein viertes und das inzwischen wohl bekannteste Abkommen, nämlich die Genfer Konvention zum Schutze der Zivilbevölkerung. Zwei Zusatzprotokolle kamen 1977 hinzu und ein drittes 2005.
Die erste Konvention steht in enger Verbindung mit der Gründung des Internationalen Kommitees des Roten Kreuzes (IKRK). Über die Gründungsgeschichte des IKRKs und Henri Dunant habe ich schon ausführlich geschrieben.
Was steht drin?
Die Konventionen sind ein zentraler Pfeiler des sogenannten humanitären Völkerrechts. Die Genfer Konventionen regeln zusammenfassend das Recht im Krieg oder jus in bello (nicht zu verwechseln mit dem Recht auf Krieg, jus ad bellum). Es geht darum Spielregeln in Konflikten festzulegen. Es ist nicht so, dass der Krieg ein rechtsfreier Raum ist wie häufig behauptet wird. Die Genfer Konvention brachten Anfangs vor allem Kriegsgewohnheitsrecht auf Papier. Vorher handelte es sich mehr um eine Art ungeschriebenen militärischen Ehrenkodex. Es ist auch nicht so, dass die Politik einfach schöngeistige Versprechen abgibt, die dann von den Militärs wenn es ernst gilt aus taktischer Notwendigkeit einfach ignoriert werden. Es wurde beim Ausarbeiten immer sehr viel Wert auf militärische Beteiligung gelegt.
Die erste Genfer Konvention (zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der bewaffneten Kräfte im Felde) beinhaltet 64 Artikel zum Schutze der genannten Gruppen. Sie schützt auch medizinisches (und übrigens auch religiöses) Personal und medizinische Transporte. Darin wird auch explizit das IKRK erwähnt (meines Wissens nach wie vor die einzige namentlich erwähnte Nichtregierungsorganisation in einem internationalen Vertrag) und seine Embleme geschützt (Artikel 38).
Die zweite Genfer Konvention (zur Verbesserung des Loses der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der bewaffneten Kräfte zur See) ist nach der ersten Konvention modelliert. Sie ersetzt die Haager Konvention zur Regelung des Seekriegsrechts. Sie regelt ähnliche Fragen wie die erste Konvention in 63 Artikeln (z.B. Umgang mit Schiffbrüchigen).
Die dritte Genfer Konvention (über die Behandlung der Kriegsgefangenen) regelt den Umgang mit Kriegsgefangenen und vor allem deren Schutz in 143 Artikeln. Darin wird unter anderem definiert wer als Kriegsgefangener gilt, inwiefern diese zu Arbeiten eingesetzt werden dürfen und was man von ihnen verlangen darf und was nicht. Kriegsgefangene (Prisonners of War oder PoWs) müssen nach dem Einstellen der Feindseligkeiten (nicht das gleiche wie Friedensschluss!) wieder freigelassen werden.
Die vierte Genfer Konvention (Genfer Konvention über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten) ist wohl die bekannteste. Nach den Erfahrungen des zweiten Weltkrieges stellte man fest, dass die Genfer Konventionen nur Regeln für militärisches Personal festlegen, dass der moderne Krieg sich aber oft vor allem für die Zivilbevölkerung als desaströs erweist und diese besondern Schutz bedarf. In 159 Artikeln wollte man diesem Problem Abhilfe verschaffen. Die Konvention befasst sich einerseits mit Bürgern der gegnerischen Partei auf dem eigenen Boden und Zivilisten in besetzten Gebieten. Die Pflichten der Besatzer werden festgehalten (zum Beispiel humanitäre Hilfe in besetztem Gebiet). Der Umgang mit internierten wird ebenfalls geregelt.
Die Genfer Konventionen betrafen internationale Konflikte, dass heisst zwischen Nationalstaaten. Ein grosse Zahl an Konflikten war also nicht abgedeckt durch die Konventionen. Weil in diesen aber die gleiche Probleme bestanden wurden 1977 die ersten zwei Zuatzprotokolle unterschrieben, zum besseren Schutz der zivilen Opfer. Das erste Zusatzprotokoll betrifft klassische internationale Konflikte und das zweite auch interne Konflikte (z.B. Bürgerkriege). Zum ersten mal wurden auch Regeln über das ‘wie’ der Kriegsführung festgelegt. Das dritte Zusatzprotokoll von 2005 regelt das neue (religiös neutrale) Emblem, den roten Diamanten.
Der gemeinsame Artikel 3 der Konventionen
Diesen Artikel findet man in allen Genfer Konventionen. Man könnte ihn als den humanitären Kern der Verträge betrachten: Er legt gewisse Grundsätze fest die in einem nicht-internationalen Konflikten gelten (also zum Beispiel in einem Bürgerkrieg). Er wird als zwingendes Recht betrachtet und verlangt eine menschliche Behandlung von Personen, die sich in der Hand des Feindes befinden. Auch die Rolle von Rotkreuzmitarbeitern wird darin festgehalten. Den vollständigen Artikel findet man hier.
Wer ist dabei?
Eigentlich alle (197 Staaten haben die Konventionen ratifiziert). Ein Liste findet man hier. Aber viele der Regelungen werden als zwingendes Völkerrecht betrachtet und auch Nichtunterzeichnende Staaten sind an viele dieser Regeln gebunden. Die Zusatzprotokolle sind nicht ganz so universal unterzeichnet. Die Unterzeichnerstaaten des ersten Protokolls findet man hier, die des zweiten hier.
Bildquelle: Erste Genfer Konvention von 1864 via Wikimedia Commons (Kevin Quinn, Ohio, US)
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