Bis ich hier in D.C. etwas Tritt gefasst habe müsst ihr etwas weniger aktuellen Kost leben. Einen Anfang möchte ich mit einer Besprechung eines Buches machen, welches ich vor meiner Abreise zu Ende gelesen haben (Jörg von Diax’s Rake wird wohl staunen wie lange das gedauert hat).
Es handelt sich um Hooman Majd “The Ayatollah Begs to Differ” (so in etwas “Der Ayatollah bittet darum, widersprechen zu dürfen”) (2008 Doubleday). Das Buch ist meines Wissens (noch) nicht auf Deutsch erschienen. Ich habe das Buch noch vor den ominösen Wahlen im Iran geschenkt gekriegt, aber es erst danach zu lesen begonnen.
Das Buch ist ein Buch über den Iran. Es ist vor allem ein Buch über den Iran unter Ahmadinejad. Der Autor ist selber Iraner und Sohn eines iranischen Diplomaten der noch unter dem Shah im Dienste des Irans stand. Seine Familie ist seit langem und weit zurück freundschaftlich mit der Familie vom ehemaligen reformorientierten Präsidenten Seyed Mohammad Khatami verbunden. Er hat mit diesem auch mehre Interviews geführt und reiste mit ihm als Berater und Übersetzer in den USA als Khatami auf Privatbesuch dort weilte. Der Autor verheimlicht diese Nähe jedoch nie und aber sie färbt auch seine Perspektive.
Majd erklärt die Bedeutung der Revolution aus Sicht der Iranerinnen und Iraner. Dass sie eben bei vielen nicht willkommen war, weil sie mit ‘islamisch’ etikettiert war (ganz im Gegenteil) sondern weil sie das verhasste Regime des Shas beendete. Die Selbstwahrnehmung ist die einer Nation, die sich nicht kolonialisieren lässt und nach der Pfeife des Westens tanzt. Dies ist natürlich von besonderem Interesse denkt man an die Nuklearfrage, welche grosse Unterstützung unter den Iranerinnen und Iranern hat und der Iran durchaus ein Recht auf die (natürlich friedliche) Nutzung der Nuklearenergie geltend machen kann.
Majd schreibt über die politischen Eliten, über Reformer und Konservative, die sich durch die Präsidentschaft Ahmadinejad verraten fühlen. Gemäss Majd ist der grosse Gegensatz im heutigen Iran einer zwischen den traditionellen politischen Eliten und einem populistischen Präsidenten und weniger einer zwischen Reformkräften und Konservativen. Die beiden Lager mögen sich abwechseln, Ahmadinejad konnte vielleicht die Präsidentschaft an sich reissen, aber die Eliten werden bleiben, er nicht.
Breiten Raum gibt der Autor kulturellen Eigenheiten, von denen er denkt, dass sie vielleicht das Iranbild seiner Leserinnen und Leser korrigieren. Eine davon ist gemäss dem Autor die grosse Achtung vor der Privatsphäre im Iran. Was in den eigenen vier Wänden geschieht ist ein absolutes Tabu für die Regierung solange es dort bleibt. Er meint, dass das Regime praktisch nie hinter den Mauern eingreift (vielleicht spioniert) ausser was dort geschieht dringt nach Aussen (zum Beispiel Party-Lärm). Dies erklärt in seinen Augen, warum viele zum Beispiel der Durchsetzung der Kleidervorschriften in den Strassen nur ziemlich subtilen zivilen Ungehorsam entgegensetzen aber dass er trotzdem akzeptiert wird. Man mag ihn nicht mögen, aber da man zu Hause tun und lassen darf was man will, lebt man damit.
Obwohl ich das Buch gerne gelesen habe und weiterempfehlen kann, habe ich zwei Kritikpunkte. Der erste ist, dass Majd durch seine Nähe zu Khatami, diesen oft etwas gar unkritisch verteidigt. Der ehemalige Präsident ist zweifelsohne eine faszinierender und intelligenter Mann dessen Hände über weite Strecken durch das rigide System gebunden waren. Trotz aller Liberalität ist und war er Teil der politischen Eliten einer Theokratie und unterstützt diese.
Dies bringt mich zu meinem zweiten Kritikpunkt. Majd diskutiert leider nie die Rolle von Religion selbst in diesem System. Sie wird irgendwie als kulturell gegeben betrachtet. Er schreibt zwar manchmal von den ‘säkularen Eliten’ thematisiert das Thema Religion kaum. Er geht auch auf das Shiitische Selbstverständnis ein, verzichtet aber fast vollständig auf allgemeinere Gedanken dazu (der Autor selbst scheint ein Agnostiker zu sein). Vielleicht ist diese Kritik etwas unfair, wollte er doch vermutlich ein Buch über den Iran und nicht über die Religion schreiben. Man bekommt aber das Gefühl, dass da der sprichwörtliche Elefant im Raum steht aber nicht erwähnt wird.
Majd schreibt für ein US amerikanisches Publikum, das merkt man schon daran, dass er häufig von “wir”, “unser” oder “bei uns” benutzt und sich damit immer auf die USA bezieht. Er versucht ein anderes Bild des Irans zu zeigen. Ein Bild, welches etwas mehr in die Tiefe geht als jenes, das man in den vom täglichen News-Zyklus geprägten und getriebenen Medien findet. Dies gelingt ihm durchaus, das Buch kann das eine oder andere Klischee demontieren und ist alleine deshalb lesenswert. Ich habe aber bei der Lektüre eines anderen Buches noch mehr über die iranische Gesellschaft und die Revolution gelernt. Nicht in einem wissenschaftlichen Buch, nein einer Graphic Novel, Marjane Satrapis “Persepolis” (Original auf Französisch erschienen). Die ersten zwei Bände seien hier allen ans Herz gelegt. Der Film den vielleicht manche gesehen haben, ersetzt das Buch nicht. Tempo und Perspektive sind ganz anders. Wer dann noch Zeit und Lust hat, kann immer noch “The Ayatollah Begs to Differ” lesen.
P.S.: Majd stellte übrigens mal sein Buch in der Daily Show vor. Vielleicht erinnert sich ja wer:
The Daily Show With Jon Stewart | Mon – Thurs 11p / 10c | |||
Hooman Majd | ||||
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daily show link
marjane satrapi ref
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