Vor rund einem Jahr habe ich über die Verhaftung des Sohnes des Colonels Ghadhafi hier in Genf berichtet. In einem Staat, der von seinem Präsidenten als Teil seines Haushaltes betrachtet wird, kann sowas nur Ärger geben. Handelt es sich bei diesem Präsidenten um einen Exzentriker wie im Falle Libyens, ist natürlich um so mehr für Unterhaltung gesorgt.
Akt 1: Die Verhaftung
Im wurde der Sohn (ganz bescheiden Hannibal genannt) in einem Genfer Luxushotel verhaftet (zoon politikon Leserinnen und Leser wissen das schon). Keine der üblichen Prozeduren wurden ihm erspart und dies scheint etwas an seinem Ehrgefühl gekratzt zu haben. Der Vorwurf war aber schwerwiegend genug: Die physische Misshandlung von Bediensteten. Das Thema hat im Internationalen Genf eine besondere Brisanz, da immer wieder mitgebrachte Bedienstete unter extrem schlechten Bedingungen arbeiten und die rechtliche Situation kompliziert sein kann.
Akt 2: Der Zorn des Vaters
Der verzogenen Sohnemann tat, was man von einem solchen erwartet wenn er sich schlecht behandelt sieht: Man rennt zum mächtigen Papa, der wird es schon richten. Tatsächlich hat der Vater, der es halbwegs wieder zu Respektabilität auf dem internationalen Parkett geschafft hat (nicht zuletzt dank zu exportierendem Erdöl), kreativ die Hebel in Bewegung zu setzen begonnen um die Familienehre hochzuhalten. Erdöllieferungen in die Scheiz wurden gestoppt, Flüge gestrichen und besonders wichtig: zwei Schweizer Geschäftsleute unter Visa Vorwänden festgehalten. Geiseln, die nur keine sind, weil sie nicht so genannt werden.
Akt 3: Eingreifen des Narren oder: Helvetische Geiselbefreiung
In einem Hollywood Film würde eine Spezialkommando mit Schwarzen Streifen unter den Augen in einer Nacht und Nebel Aktion an einem libyschen Strand landen. Doch in unserem kleinen Welttheater gibt es keine Elitentruppen und keinen James Bond. Wir schicken den Bundespräsidenten, der sich jedoch leider als Hofnarr entpuppt.
Dieser hat nämlich einige Kompetenzen was die Aussenbeziehungen anbelangt, auch wenn er oder sie im Amt (welches jährlich rotiert) nicht dem Aussenministerium vorsteht. Nun unterzeichnete dieser bei seinem Besuch kürzlich ein Abkommen welches jeden, der nur halbwegs das Funktionieren der internationalen Diplomatie kennt, staunen lässt (Zusammenfassung auf Deutsch hier). Das Abkommen sieht vor ein Schiedsgericht einzusetzen, die die Aktionen der Genfer Behörden evaluieren soll und man verspricht, dass solche Dinge nicht mehr mit libyschen Bürgern vorkommen sollen. Ach und bevor ich es vergesse, entschuldigt hat sich der Herr Bundespräsident auch noch für die Verhaftung. Was der eigentliche Sündenfall ist, das verkennen der föderalistischen Strukturen, das gelinde gesagt unübliche Vorgehen auf der internationalen Bühne oder das etwas komische Rechtsverständnis, ist schwer zu sagen. Im Gegenzug wurde zugesichert (so muss man zumindest spekulieren, denn im Vertrag steht es nicht), dass die beiden Geiseln freigelassen werden.
Akt 4: Doch keine Geiselbefreiung oder: Ghadhafi der Rächer zum Zweiten
Nun da der Hofnarr ohne Geschenk zurückkam hagelte es Kritik. Seine Hoffnung blieb eine baldige Befreiung und Gras, das über die Sache wachsen kann. Man schickte sogar den Bundesratsjet nach Libyen, der dort ein paar Tage in der Wüste stand um dann wieder zurückzukehren. Dies steigerte zwar die Spannung reduzierte aber nicht die Kritik am Hofnarren, der den Humor der Schweizer Bevölkerung und der Genfer Behörden irgendwie nicht wirklich getroffen hat.
Akt 5: Ghadhafi der Rächer des entrechteten Sohnes zum Dritten
Doch die Welt war noch nicht ausreichend unterhalten, darum machte Ghadhafi seinem Ruf alle Ehre und lancierte einer seiner berüchtigten Polit-Stunts: Ein Antrag wurde an die UN Generalversammlung gestellt, der die Auflösung der Schweiz verlangte (die umliegenden Staaten hätten sich die Schweiz teilen können).
Es stellte sich inzwischen heraus, das der Antrag schon vor einer Weile in der UN Bürokratie hängen blieb und dort schon abblitzte. Da wird weder der Besuch der Generalversammlung durch den Präsidenten höchtspersönlich, noch die Tatsache, dass ein Libyer deren Vorsitz hat etwas ändern. Die Schweizer freuen sich zum ersten Mal über die schwere UN Bürokratie. Es gibt wohl kaum jemand, der sich diese Debatte hätte anhören wollen. Ich werde also nicht so bald einen EU Pass kriegen (ausser man gewährt mir Asyl). Das rhetorische Finale der Episode steht uns wohl aber noch bevor.
Was die Kritik sagt
Der Unterhaltungswert ist durchaus gegeben. Der ganzen Operette fehlt es leider an Tiefe. Man muss sich fragen, wie man als Gegenpart zu einem so alten und versierten libyschen Hasen für Politpossen, einen solch dilettantischen Bundespräsidenten entgegensetzen konnte. Die UN hingegen hat ihre Rolle als Bremserin routiniert gespielt. Leider besteht wenig Hoffnung, dass der zweite Teil, der zweifelsohne folgen wird, besser wird. Die Geschichte des Vaters, der seinen Sohn rächt ist nicht neu. Diese aber in den internationalen Beziehungen des 21. Jahrhunderts zu inszenieren amüsiert.
Wir geben vier von fünf Sternen und hoffen auf eine Neubesetzung der Rolle des Hofnarren.
Bild: Hannibal Ghadhafi wie ihn der Polizeifotograf sah (veröffentlicht in der Tribune de Genève)
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