Der Senator des US Bundesstaates Oklahoma hat diesen Monat einen Vorstoss gemacht, der die Finanzierung von Politikwissenschaftlichen Projekten durch die National Science Foundation unterbinden soll. Gestern berichtete auch die New York Times darüber. Was hat Senator Tom Coburn bloss für ein Problem mit den Politikwissenschaften?
Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich bin natürlich Partei. Offiziell mache ich zwar Internationale Beziehungen, aber dies wird meist (und vor allem in Europa) als Spezialisierung innerhalb der Politikwissenschaften gesehen, was so falsch auch gar nicht ist. Natürlich nehme ich es ein wenig persönlich, wenn jemand meint, was wir so treiben sei nutzlos. Darauf soll man aber auch antworten dürfen, ohne dass die Argumente vom Tisch gewischt werden, mit dem Totschläger, dass man sich nur die Pfründe sichern wolle. Dies gilt besonders, wenn die vorgebrachten Argumente so schlecht sind, wie die von Senator Coburn.
Die Etats werden überall gekürzt und es ist bestimmt nicht verkehrt, wenn man schaut für was für Projekte das Geld ausgeben wird. Nur liest man die Argumentation des Herren Coburn, findet man alles andere als differenzierte Abwägungen. Er scheint ein spezifisches Problem mit dem Fach zu haben.
Da wäre zuerst einmal die Summe um die es geht: Coburn jammert, dass über die letzten zehn Jahre 91.3 Millionen USD für politikwissenschaftliche Projekte ausgegeben wurden. Das sind etwas mehr als 9 Millionen pro Jahr. Die NSF verfügt über 6 Milliarden jährlich. Eigentlich ist es erschreckend wie wenig für politikwissenschaftliche Projekte ausgegeben wird.
Von da an geht es in der Arguementation abwärts. Coburn zählt unter anderem verschiedene Projekte auf, die über diese Gelder finanziert wurden. Vielleicht bin ich vom Fachartikel-Lesen schon etwas weichgekocht, aber ich entdecke kaum etwas anrüchiges. Das Coburn dies als auflistenswert sieht, zeigt vor allem wie wenige dieser Repräsentant des Volkes vom Funktionieren einer Demokratie verstanden hat. Vielleicht sollte er sich ein paar politikwissenschaftliche Klassiker zur Demokratie zu Gemüte führen.
Coburn argumentiert, dass das Einsetzen von Steuergeldern für die Politikwissenschaften die USA nicht dem Ziel “Amerikas Position im Feld der Mathematik und [Natur]wissenschaften and die Gesundheit und das Wohlbefinden der Nation” näher bringen wird. Wie wahr. Ausserdem wird Vanille auch nicht besser schmecken und kein einziger Toaster wird so repariert.
Schnell wird deutlich, wie wenig er verstanden hat, was eine Politikwissenschaftlerin oder ein Politikwissenschaftler eigentlich machen:
The University of Michigan may have some interesting theories about recent elections, but Americans who have an interest in electoral politics can turn to CNN, FOX News, MSNBC, the print media, and a seemingly endless number of political commentators on the internet who pour over this data and provide a myriad of viewpoints to answer the same questions.
Analog schlage ich vor, dass die Astronomie und Physik den Wissenschaftsjournalisten überlassen wird und dass keine Gelder mehr in medizinische und biologoische Forschung gesteckt wird, da dies die Privatwirtschaft auch schon macht und machen kann.
Warum versucht Coburn bloss, sich in dieser Art mit einem solchen Thema, welches wahrscheinlich nicht einmal zum Stimmen holen sehr geeignet ist, zu profilieren wollen? Vielleicht erhellt folgendes Zitat diese Frage ein wenig:
Theories on political behavior are best left to CNN, pollsters, pundits, historians, candidates, political parties, and the voters, rather than being funded out of taxpayers’ wallets, especially when our nation has much more urgent needs and priorities.
Coburn scheint Schwierigkeiten zu haben zwischen der Analyse und dem Studienobjekt selbst zu unterscheiden. Offensichtlich meint der Esel, er verstehe mehr von Eseln als der Tierarzt, da er im Gegensatz zu letzterem tatsächlich einer ist. Von Methode und wissenschaftlichem Diskurs scheint er keine Ahnung zu haben.
Ich vermute es gibt noch einen zweiten Aspekt, den ihn stört. Er hat ein Problem mit vielen Resultaten der zitierten Studien. Er möchte schlicht die Antworten nicht hören. Darum stören ihn wertvolle Projekte wie das “Human Rights Data Project”, wenn aufgrund der gesammelten Daten gefolgert wird, dass die USA vermehrt gefoltert haben und es einen Nachahmer-Effekt gibt. Darum stört es ihn, wenn die US Bürger zu ihrer Einstellung zu Krieg befragt werden. Entlarvend hierzu ist folgende Stelle:
Research conducted by Paul Krugman, which the NSF website touts as “one of the country‟s foremost liberal commentators on economic, political, and policy issues.
Mal abgesehen davon, dass Krugman ein Ökonome ist und unter anderem für die kritisierte Forschung den Nobelpreis erhalten hat, scheint Coburn vor allem ein Problem damit zu haben, wenn die Resultate seinem Weltbild widersprechen. Er scheint Politik mit Wissenschaft zu verwechseln und hat sich wohl auf jenes Fach eingeschossen, welches unglücklicherweise beide Begriffe im Namen trägt.
Die Politikwissenschaften fördern das Verständnis vom Funktionieren des politischen Systems. Von A wie Abstimmungsverhalten bis Z wie Zivilgesellschaft sind viele Themen von grosser Wichtigkeit und wurden massgeblich in den Politikwissenschaften weiterentwickelt. Selbst in Spezialisierungen wie in den Internationalen Beziehungen wurden viele Ideen ausgearbeitet, die später in die Politik einflossen: Der Zusammenhang zwischen Frieden und Demokratie, Soft Power, Nukleare Abschreckung und Abrüstung und vieles mehr wurden stark vom akademischen Denken beeinflusst (manchmal zum guten manchmal nicht). Dass wird weder CNN noch FOX News übernehmen.
Wer noch mehr Reaktionen aus der Zunft lesen möchte hier einige weitere Beiträge aus der Blogosphäre: Crooked Timber, Daniel W. Drezner und bei The Monkey Cage
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