Wir befinden uns im Jahre 50 v. Chr. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt …Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten.
So beginnt in der Regel jede Folge des französische Comics von René Goscinny und Albert Uderzo der vor 50 Jahren als Pilotserie am 23 Oktober 1959 erschien. Trotz des eher spezifischen Französischen Humors (der sich oft in fast unübersetzbaren Wortspielereien äusserst) ist der Comic fast überall auf dem Globus populär. Auch ich bin mit Asterix und Co. aufgewachsen.1 Wiederentedeckt habe ich die Bände über den unbeugsamen Gallier aber erst am Anfang meines Studiums als ich die Bände auf Französisch erneut zu lesen begann. Was mir als Kind nicht bewusst war, eröffnete mir nun eine ganz neue Lesart des Comics. Asterix ist eigentlich politische Satire. Wir erkennen diese Satire zwar, wenn Asterix die Briten (Astérix chez les Bretons), Schweizer (Astérix chez les Helvètes) oder Deutschen als Gothen mit Pickelhaube (Astérix et les Goths) besucht da wir die Klischees erkennen, viele verpassen aber die Politsatire, die sich wie ein roter Faden durch alle Bände zieht: Es geht im Grunde um Frankreich und wie es die Aussenwelt sieht.
Eine Lesart des erfogreichen Comics ist nämlich diesen als eine Parodie auf das Frankreich des Charles de Gaulle zu sehen. Der Nachname “De Gaulle” ist eigentlich schon Program, schafft dies doch die Verbindung zu Gallien. Es wurde auch immer wieder darüber spekuliert ob der Chef des Gallierstammes (Abraracourcix im Original, zu Deutsch Majestix) nicht dem General nachempfunden wurde.
In dieser “gaullistischen Interpretation” kann der Widerstand der Gallier gegen die Römer auf zwei Arten verstanden werde: Eine Interpretation wäre darin eine Metapher für den französischen Widerstand gegen die Deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg zu sehen. Dank der vielen Referenzen an das römische Kaiserreich im dritten Reich, fällt dies nicht schwer. Ich glaube aber und das erklärt wohl auch den anhaltenden Erfolg der Serie, dass die Römer für die Amerikaner stehen. De Gaulle hat sich in der Aussenpolitik immer stark um die Unabhängigkeit Frankreichs von den USA bemüht und wollte deren politische und militärische Macht etwas entgegenhalten. Oft stand er damit ziemlich isoliert da in Westeuropa.
Dies bringt uns zum berühmten Zaubertrank, der die Helden im Comic unbesiegbar macht und den Widerstand überhaupt ermöglicht. Es fällt schwer darin nicht die französische Atombombe zu sehen. Mitte der 50er Jahre wurde die Anschaffung beschlossen und mit der Machtergreifung des General De Gaulles 1958 dann schnell vorwärts getrieben. Der erste Atombombentest Frankreichs wurde 1960 durchgeführt. Von dieser Zeit stammt auch die französische Nukleardoktrin, die normalerweise unter dem Stichwort der Force de Frappe zusammengefasst wird.
Die Logik hinter der Force de Frappe war und ist im Grunde die einer klassischen Abschreckungsdoktrin. Da Frankreich den USA in der NATO nicht traute, wenn es wirklich darauf ankommen würde, im Falle einer Sowjetischen Invasion ihre Nuklearwaffen zur Verteidigung Europas einzusetzen, wollte man sein eigenes Abschreckungspotential. Die Idee war, genug Zerstörungspotential durch eine Zweitschlagkapazität zu sichern, dass ein potentieller Gegner (gemeint war damals vor allem die Sowjetunion) von einem Angriff abgeschreckt wird. De Gaulle erwähnte als Ziel die Möglichkeit “80 Millionen Russen” töten zu können.
Diese Force de Frappe wurde schnell zur heiligen Kuh im strategischen Denken Frankreichs (etwas was wohl allgemein über Nuklearstrategien im Kalten Krieg gesagt werden kann). Der Zaubertrank, der unbesiegbar (aber nicht unverwundbar) macht und nach einer streng gehüteten Formel zubereitet wird, wurde so zu Land, im Wasser und in der Luft in die weite Welt geschickt um die Römer, sollten sie den einfallen, schnell verkloppen zu können.
Ich sehe noch unerschöpftes Potential für Analysen in Internationalen Beziehungen anhand der Asterix Bände. Sie werden zwar offensichtlich viel zitiert in Publikationen, ich habe aber keine entsprechenden Studien gefunden bei Google Scholar.2
1Das ging soweit, dass man mir einen beliebigen Satz vorlesen konnte und ich in der Regel wusste aus welchem Band dieser stammte.
2Hier ein paar Ideen falls sich jemand inspiriert führt: Die Macht des Kapitalismus (Obélix et compagnie), Soft Power (Domaine des Dieux), Sport und Internationale Beziehungen (Astérix aux Jeux Olympiques), Militarismus (Astérix légionnaire) oder ganz allgemein die Warhnehmung des ‘Andern’.
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