Schon einen Monat bin ich auf der anderen Seite des grossen Teiches. Als ich das erste mal die USA besuchte, sah ich alle meine Klischees bestätigt. Erst nach meiner zweiten Reise, differenzierte sich das Bild. Doch komme ich immer wieder auf meine Klischees zurück. Jeder der beim Wandern durch die Häuserschluchten New Yorks jenes seltsame Déjà-Vu schon erlebt hat, kann das vielleicht nachvollziehen. Dank Film und Fernsehen sind uns die USA viel vertrauter als dass sie es eigentlich sind. Seit ich hier bin muss ich wieder öfters an eine Geschichte von Peter Bichsel denken: “Amerika gibt es nicht”.
Eigentlich kenne ich sie durch eine Vertonung einer Schweizer Mundart-Rockband (ja, dies ist ein helvetisches Genre). Darin wird dem Titel der schöne und erklärende Zusatz verpasst: Amerika gibt es nicht, Amerika ist nur ein Gerücht. Wie wahr diese Aussage auch für mich ist, muss ich immer wieder widerwillig feststellen. Es ist schwer nicht dem wohl selektiven Trugschluss zu verfallen, immer die eigenen Vorurteile bestätigt zu sehen. Vermutlich sitzen sie tief und die ständige Berieselung mit der vermeintlichen US Kultur via Medien (was im Fach der Internationalen Beziehungen unter dem Etikett Soft Power gehandelt wird) dominiert.
Der Kern der Geschichte von Peter Bichsel (weiter oben verlinkt) ist schnell erzählt:
Der trottelige Colombin wird von allen ausgelacht. Er will Entdecker werden und behauptet, dass er es allen zeigen werde und zieht aus um ein neues Land zu entdecken. Er versteckt sich Wochen im Wald und behauptet bei seiner Rückkehr, weit draussen im Meer ein noch unbekanntes Land entdeckt zu haben. Weil alle ein schlechtes Gewissen haben, traut sich niemand mehr ihn auszulachen. Ein Seefahrer Namens Amerigo Vespucci will Colombins Behauptung überprüfen und sticht in See. Colombin fürchtet das der ganze Schwindel auffliegen wird als Vespucci zurückkehrt. Vespucci erklärt aber (vielleicht aus Mitleid mit dem armen Colombin), dass es das Land wirklich gäbe. So erhielt es auch den Namen Amerika. Seit damals fahren immer wieder Leute hin und wenn sie zurückkehren erzählen sie, um den armen Colombin nicht zu enttäuschen, wie es dort sei. Colombin hatte für den Rest seines Lebens Zweifel ob das sagenumwobene Amerika wirklich existiert, doch halten alle (ob sie nun dort waren oder nicht) hartnäckig daran fest. Aber eigentlich gibt es Amerika nicht, Amerika ist nur ein Gerücht.
Tatsächlich sind die USA vielschichtiger. Unter anderem darum versuche ich oft hier im Blog nicht einfach die Gerüchte weiter zu verbreiten. Wohl auch wegen ihrer Grösse und kultureller Dominanz werden die USA schnell zur Projektionsfläche. Manchmal meine ich zu verstehen, manchmal bin ich fassungslos. Das schwierigste ist aber, dass viele US Bürger die gleichen Geschichten von diesem Land erzählen wie schon Peter Bichels Amerigo Vespucci und seine Nachfolger. Auch in den USA selbst glauben viele die Gerüchte.
Bildquelle: Wikimedia Commons
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