Zur Abwechslung möchte ich wieder einmal eine kleine handelspolitische Geschichte zum Besten geben. Meist ist mein Forschungsbereich eher trocken und es ist schwer Anekdoten zu finden, die genug Unterhaltung für ein Blog geben. Ich muss wohl mit meinem akuten Astronomen-Neid leben. Doch manchmal gibt es doch etwas zu erzählen aus der Welt der Importzölle. Hier also Einblick in die obskure Welt der internationalen Handelspolitik.
In den USA wird gerne Catfish gegessen (laut Wikipedia beschreibt Catfish die Familie der Welsartigen). Der Konsum von günstigem, importiertem Fisch aus Vietnam stieg zu beginn dieses Jahrzehnts rapide an. Ein Freihandelsabkommen mit Vietnam tat das seinige. Was macht nun die Catfish-Industrie, angeblich eine der grössten Speisfischindustrien in den USA? Das was vermutlich alle tun würden: Statt sich der Konkurrenz zu stellen und zum Beispiel Nischen zu suchen (ein Wettbewerb über die Preise ist bei den Löhnen in Vietnam kaum möglich) geht man beim Kongress lobbyieren.
Die Begründung der Catfish Farmers of America war simpel: Vietnam, immerhin nach eigenen Angaben eine sozialisitische Republik, würde mit Subventionen den Preis von Fisch unfair verbilligen und damit den US Markt überschwemmen. Es handle sich um einen klassischen Fall von sogenannten Dumping. Glücklicherweise sind Anti-Dumping Massnahmen etwas, das in jedem Freihandelsvertrag als mögliches Schlupfloch eingebaut wird, sollte man Schutzzölle erheben wollen. Der von der Fischindustrie vorgeschlagene Zoll wurde auch gleich auf 190% veranschlagt.
Das mit den Subventionen ist zumindest halb plausibel. In Vietnam sind viele Dienstleistungen die zur Produktion von Fisch benutzt werden staatlich kontrolliert (z.B. Elektrizität). Viele sind aber der Meinung, dass diese Faktoren den Fisch eher verteuern. Abgesehen davon, sind die Löhne in Vietnam so tief, dass dies wohl kaum den Preis weniger kompetitiv machen würde.
Nun muss das US Handelsdepartment also herausfinden, ob der Fisch wirklich unfair verbilligt ist. Wie macht man das? Man vergleicht ihn mit fiktiven Fisch-Importen aus Indien. Diese werden in erfunden Becken gezüchtet, mit ebensolchem Futter grossgezogen, virtuell tiefgefroren und filetiert und auf inexistenten Schiffen in die USA verfrachtet. Ein Fisch wie aus der Fantasie eines Handelsministeriumsbeamten (die Tatsache, dass die Kosten für Indien wohl auch Subventionen enthalten lassen wir einmal weg).
Der Kongress setzte gleich noch eines oben drauf um die armen Fischproduzenten vor dem vietnamesischen Ungemach zu schützen: Es dürfen nur in den USA produzierte Fische als Catfish verkauft werden. Dies macht zwar biologisch wenig Sinn (ich glaube es gab sogar Studien zu den genetischen Differenzen, die sich als nicht auffindbar herausstellten), aber wen kümmert denn schon die Wissenschaft wenn es um Fischfilet geht. Der Fisch aus Vietnam heisst nun Basa auf dem US Markt.
Dies ist rund fünf Jahre her. Die Regeln der WTO wollen es, dass nach Ablauf dieser Frist, der Anti-Dumping Zoll überprüft werden muss (ja auch bei der WTO gibt es eine Art Fünf-Jahres-Plan). Das US International Trade Committee hat diesen Juni beschlossen, dass der Zoll von durchschnittlich 66% bestehen bleibt.
Typisch an der Geschichte sind nicht nur die Tricks, wie die Namensänderung, das Ignorieren wissenschaftlicher Fakten oder der kreativ gewählte Schutzzoll für Geisterfische aus Indien. Es ist auch die Tatsache, dass es kaum jemand wahr nimmt. Mal ehrlich, wen interessieren schon Importbestimmungen für Welsartige aus Vietnam? Solche Dinge spielen sich aber häufig ab, weil für diejenigen, die es interessiert (vor allem die Produzierenden) steht viel auf dem Spiel. Viel mehr als für die einzelnen Fischkonsumentinnen und -konsumenten. So kann Lobbying in einer Demokratie funktionieren.
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