Als vorgezogenes Wort zum Sonntag sozusagen möchte ich eine zufällige Beobachtung zu Religion hier in den USA mit den Leserinnen und Leser dieses Blogs teilen.

Gestern entdeckte ich in einer grossen Buchhandlung in der Abteilung für Kinderbücher ein Regal, welches mich doch ein wenig schockierte. Religiöse Literatur für Kleinkinder.

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Ein Dankesgebet als Fühlbuch? Die auf Mädchen abzielende Kleine Bibel für Gottes hingebungsvolle Prinzessin oder das Knaben-Äquivalent Die Kleine Bibel für Jungs? Mal abgesehen davon, dass so relativ üble Geschlechterstereotypen vermittelt werden (von dem pinkfarbenen Tarot-Buch und dem Traumdeutungsbuch für Mädchen in einem anderen Regal fange ich gar nicht an zu schreiben) hat das nicht etwas verstörendes? In diesem Alter kann man von Kindern nicht erwarten in irgendeiner Form einen informierten Umgang mit Religion zu haben. Was anders als eine Form von Indoktrination ist das? Man stelle sich vor Karl Marxs Das Kapital als Fühlbuch oder Kommunismus für Mädchen an Fünfjährige gerichtet. Ich kann es verstehen, wenn Religion als kulturelles Erbe weitergegeben werden soll, aber das geht doch viel zu weit.

Vielleicht sind einige wenig überrascht und denken, das passt zum Fundamentalismus den man in den USA öfters findet. Es gibt aber auch die andere Seite. Man erinnere sich an die Atheistenbuskampagne die in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf soviel Ablehnung gestossen ist.

Hier in Washington DC und anderen US Städten gibt es ebenfalls eine Kampagne der American Humanist Association. Es ist eine Weihnachtskampagne die ganz simpel (und etwas zweideutig) stipuliert: No God… No Problem – Be good for goodness’ sake.

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Meines Wissens gab es relativ wenig Lärm um die Kampagne (obwohl natürlich diskutiert wurde) und sie konnte offensichtlich stattfinden. Zumindest in DC handelt sich bei den Verkehrsbetrieben immerhin um eine weitgehend von der Öffentlichkeit getragene Institution.

Die USA unterscheiden sich in Sachen Religion nicht nur in der Tatsache, dass die Gesellschaft hier im Schnitt religiöser ist und dies auch mehr in die Öffentlichkeit trägt. Ich glaube auch, dass Religion so sichtbarer ist und die Vermischung mit Politik schneller thematisiert wird. Ein schlechtes Argument, welches den Grundsatz auf Gleichbehandlung verletzt wie zum Beispiel im vermeintlich säkularen Genf kann so weniger einfach von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt durchgehen.1

1Es spielt bestimmt auch mit rein, dass es sich um urbane Gebiete handelt und es ist mir bewusst, dass es andernorts mit ähnlichen Kampagnen in den USA durchaus Probleme gegeben hat.

Kommentare (6)

  1. #1 Florian Freistetter
    November 28, 2009

    Nur mal so aus Interesse: Was würde eigentlich passieren, wenn man ein Buch “Kommunismus für kleine Mädchen” herausbringt? Gibts irgendwelche Gesetze die hier anwendbar wären um so ein Buch zu verbieten?

  2. #2 ali
    November 28, 2009

    Ich glaube nicht, dass es in der Schweiz ein entsprechendes Gesetz gibt. In Deutschland kommt mir da die “Wo bitte geht es zu Gott”-Ferkel Geschichte in den Sinn (ein interessanter Aspekt in diesem Zusammenhang fällt mir gerade auf). Der Index wird wohl das äusserste Mittel sein (wenn es sich nicht um Nazi-Literatur handelt). Ich kann mir nicht vorstellen, dass es wirklich verboten werden könnte. Aber da wissen andere wahrscheinlich mehr.

  3. #3 S.S.T.
    November 28, 2009

    Derartige Bücher gibt es hier mit Sicherheit nicht in dem Maß wie in den USA. Allerdings sind die Unterschiede so groß auch nicht. Ich war heute in einer tiefsten Provinzbuchandlung, weil meine Begleiterin ein Geschenk suchte, da gab es durchaus reichlich Bücher wie ‘Mein erster Bibelquiz’, Bibel für jeden Tag (o.ä.), die sich ganz klar an Kinder richten. In dieser Mikrobuchhandlung lagen min. ein halbes Dutzend dieser ‘kindgerechten’ Machwerke aus. Leider erinnere ich mich kaum noch an die Titel, da mir solche Schriften genauso am Arm vorbei gehen, wie links oder rechts ideologische Schriften, und die m.E. alle in die gleiche Mülltonne gehören. Ich fand die Präsenz dieser Bücher in Bezug auf die Gesamtzahl der angebotenen Bücher schon sehr hoch.

  4. #4 S.S.T.
    November 28, 2009

    Im übrigen lohnt sich auch mal wieder der Besuch der einen oder anderen Kirche oder vergleichbarem Tempel (hier in Deutschland); auch da liegen mitunter ‘interessante’ Schriften zum Kauf aus.

    Was mich besorgt macht ist, dass diverse funtamentalistische Richtungen immer stärker kleine Kinder für ihre Indoktrination zu rekrutieren versuchen (hier in Deutschland).

  5. #5 Florian Freistetter
    November 28, 2009

    Kannst du bitte das mal rezensieren 😉 “Why Daddy is a Democrat”

  6. #6 Gedankenpflug
    November 29, 2009

    Und am Ende ist das Geld der Gott aller…