Ein neues Buch von Richard Dawkins? Das Buch habe ich natürlich noch im letzten Jahr gekauft und auch gelesen. Die Besprechung musst auf dieses Jahr verschoben werden. Diese soll nun aber mit diesem Eintrag nachgereicht sein.
Dawkins schreibt wieder über Biologie und zwar in alter Form. Er wird zwar als der ‘Bestseller Autor des Gotteswahns‘ auf dem Buchdeckel angepriesen, der Inhalt ist aber Wissenschaftsfokussiert. Dies hätte auch anders sein können. Sein Ziel ist es, mit dem Buch die Belege für die Evolution auszubreiten und damit den kreationistischen Argumenten ein für allemal zu begegnen. Und es gibt viele dieser Argumente, die in zähem Widerstand gegen jegliche Vernunft Gebetsmühlenhaft wiederholt werden.
Dieser Ansatz birgt zwei Risiken, die Dawkins glänzend vermeidet. Erstens, dass er schreibt was an Religion, welche am Ursprung des Kreationismus steht, falsch ist und darüber die Wissenschaft vernachlässigt (thematisch meine ich, nicht methodisch). Zweitens, dass er allen Nicht-Kreationisten erzählt, was sie sowieso schon wissen. Dank seinem klaren Stil und seinem ausserordentlichen Begabung komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge einfach zu erklären ohne simplistisch zu werden, hat Dawkins beide Fallen in The Greatest Show on Earth wunderbar umschifft.
Dawkins beginnt mit einer Definition von ‘Theorie’ und macht die altbekannte Unterscheidung zwischen dem umgangsprachlichen Sinn und der wissenschaftlichen Bedeutung des Begriffs. Er vergleicht die Position vieler Biologie-Lehrkräfte mit der einer Person, die statt Latein zu unterrichten, sich in endlose Diskussionen verwickelt sieht, mit Personen die behaupten, die Römer hätten gar nie existiert (er spricht im ganzen Buch von ‘Geschichtsleugnern’ wenn er Kreationisten meint).
Von einem historischen Exkurs, warum er meint, dass es in der Menschheitsgeschichte so lange gedauert hat bis ein Darwin die Bühne betrat und ein Erklärung bot für etwas, das nun so offensichtlich scheint (gemäss Dawkins ist es Platos Schuld), führt uns Dawkins in der Tradition Darwins in die Welt der Zucht und schreibt über “Hunde, Kühe und Kohl”. Dies leitet zur Erklärung über, wie die natürliche Selektion analog zur menschlichen funktioniert.
Dawkins bringt uns dann zur Frage der Zeit. Zeitskalen und die verschiedenen Messmethoden (und wie sie sich gegenseitig stützen) werden beschrieben. Ein ganzes Kapitel ist daraufhin Experimenten und Beobachtungen gewidmet bei denen Evolution direkt beobachtet wird. Auch die Mär des ‘fehlenden Bindeglieds’ in der evolutionären Kette (missing link) wird demontiert und dieses Argument wird dann auf den modernen Menschen ausgeweitet.
Ein weiteres Kapitel nimmt sich der Entwicklungsbiologie an und Dawkins zeigt an diversen Beispielen, wie ohne übergeordnete Choreographie mit lokal befolgten Regeln die Illusion einer solchen entstehen kann (You did it yourself in nine months!).
Darauf beschreibt er wie eine neue Spezies entsteht um im nächsten Kapitel zu zeigen wie unser Bauplan sozusagen, die Baupläne aller unserer gemeinsamen Vorfahren (und einen solchen haben wir ja mit allem was lebt) nicht nur beinhaltet, sondern deswegen oft auch nicht so effizient sind, wie sie sein könnten.
All dies mündet im einzigen Kapitel in dem Dawkins Religion mehr oder weniger direkt anspricht und welches er dem widmet, was er Evolutionäre Theodizee nennt. Er zeigt darin warum Leiden, Ineffizienz und Brutalität im Lichte der Evolution betrachtet viel mehr Sinn ergeben als wenn man die Existenz eines ‘intelligenten Designers’ annimmt. Amoralität und gesamthafte Ineffizienz sind einfach und logisch als Produkte eines evolutionären Prozesses zu erklären.
Im letzten Kapitel analysiert er Satz für Satz einem Abschnitt von Darwin in dem der Meister selber das moralische Paradox, welches er in diesem Weltverständnis erkannte, abhandelt:
Endlich mag es wohl keine auf dem Wege der Logik erreichte Folgerung sein, es entspricht aber meiner Vorstellungsart weit besser, solche Instincte, wie die des jungen Kuckucks, der seine Nährbrüder aus dem Neste stösst, wie die der Ameisen, welche Sclaven machen, oder die der Ichneumoniden, welche ihre Eier in lebende Raupen legen, nicht als eigenthümliche oder anerschaffene Instincte, sondern nur als unbedeutende Folgezustände eines allgemeinen Gesetzes zu betrachten, welches zum Fortschritt aller organischen Wesen führt, nämlich: Vermehrung und Abänderung, die Stärksten siegen und die Schwächsten unterliegen.
(Aus: Entstehung der Arten, Kapitel 8 ‘Instinct’, 1899)
Gelingt es Dawkins nun, sein Ziel zu erreichen? Es bleibt zu befürchten, dass kaum ein Kreationist sich durch egal welche Menge an Beweisen von seiner Überzeugung abbringen lassen kann. Wäre dies möglich, gäbe es wohl gar keine Kreationisten. Leute hingegen, die meinen in dieser Diskussion auf dem Zaun zu sitzen und anfällig auf das ‘Unterrichtet die Kontroverse’ Argument sind, diese können vermutlich von der erdrückenden Beweislast überzeugt werden.
Aber auch für alle anderen sei das Buch empfohlen. Wer ein paar Semester Biologie belegt hat (und dazu gehöre ich nicht), wird wohl inhaltlich nichts neues lernen. Sie oder er kann aber lernen, wie komplizierte Sachverhalte in einer Diskussion mit Laien vermittelt werden können und auf welcher Ebene man den gängigen kreationistischn “Argumenten” entgegentreten sollte. Alle anderen werden wohl wie ich nicht nur den klaren Stil von Dawkins geniessen (es gibt wenige Sachbücher die ich mit dem gleichen Vergnügen wie ein Roman lese), sondern auch viele neue Details aus der Biologie lernen, die von Zellbiologie bis zur Parallelwelt der Beuteltiere reicht, von der Länge des Kehlkopfnervs bei Giraffen bis zum skurril in der Gegend hängenden Samenleiter bei den Männchen des Homo Sapiens. Für mich eine absolute Leseempfehlung.
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