Bald nachdem das Ausmass des Erdbebens bekannt wurde, hat die internationale Gemeinschaft Hilfe angeboten. Von den ersten Vorort war die US Armee, die in den Hilfsaktionen eine wichtige Rolle spielt und auch den Flughafen kontrolliert. Darüber herrscht nicht nur eitle Freude und es wird auch Kritik laut an einer vermeintlich neo-kolonialen Politik der USA (so zum Beispiel Hugo Chavez).
Der Gedanke zu diesem Post kam mir, als ich gestern die Schlagzeile sah: “US Helikopter landen vor dem Präsidenten Palast“. Die meisten Artikel zum Thema beinhalten das Bild von landen Helikopter vor dem eingestürzten nationalen Palast. Meine erste Reaktion ist, ein so symbolische Bild wurde wohl in einer PR Abteilung geplant und nicht in einem Planungsstab für humanitäre Hilfe.
Bildquelle: Wikimedia Commons, UNDP
Die Botschaft ist klar: Die Regierung Haitis funktioniert nicht mehr und kann ihrer Bevölkerung nicht mehr helfen. Rückt zur Seite, wir übernehmen jetzt! Dies ist bestimmt auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass Berichte über Gewaltausbrüche und chaotische Zustände sich mehrten und Sicherheitsbedenken geäussert wurden. Ich vermute dieser symbolische Akt findet seinen Ursprung in militärischen Denken. Militärs operieren wie alle mit einer ihnen eigenen (institutionellen) Perspektive. Dazu gehört das Demonstrieren von Stärke und Kontrolle.1
Wie die Sicherheitssituation tatsächlich ist, scheint mir sehr schwer einzuschätzen. Alles was ich bisher gelesen und gehört habe scheint mir auf Anekdoten und Einzelfällen zu beruhen und die Rückschlüsse basieren ausschliesslich auf den individuellen Eindrücken der berichtenden Journalisten. Dies ist auch nicht weiter erstaunlich, gibt es wohl im Moment gar keine Möglichkeit wirklich gesamthafte Daten zu erhalten.
Eine ähnliche Erklärung sehe ich im Vorfall, der von Médecins sans Frontières kritisiert wurde: Die US Armee, die den Flughafen kontrolliert, hätte ihren eigenen Flugzeugen Priorität gegeben haben und somit Hilfslieferungen von MSF verhindert. Dies geschah kaum aus Mangel an gutem Willen, sondern schlicht weil die Strukturen darauf ausgelegt sind, dass die eigenen Truppen Vorrang haben.
Nun wurden Stimmen laut, die den USA eine versteckte Agenda unterstellen. Sie würden die Kontrolle übernehmen wollen und hätten vor in Haiti zu bleiben. Dies halte ich für unwahrscheinlich. Die USA haben kein sehr grosses Interesse am Inselstaat gezeigt. Im Gegenteil, häufig wurde er politisch vernachlässigt. Im Moment fehlt es einfach an Koordination (die die UN übernehmen sollte) und alle arbeiten mehr oder weniger auf eigene Faust.
Die Armee ist wohl einfach nicht das beste Instrument zur Verteilung von humanitärer Hilfe, da sie nicht für solche ausgelegt ist. Hält man einen Hammer in der Hand, sehen alle Probleme aus wie Nägel. Vermutlich war dies aber die einzige Möglichkeit schnell ein Minimum an Hilfe und halbwegs funktionierende Institutionen nach Haiti zu bringen.
Ein Hinweis auf das kaum vorhanden strategische Interesse der USA an Haiti kann man finden, schaut man sich an wieviel Geld nach Haiti geflossen ist in den letzten Jahren. Ich habe dazu die Zahlen für Haiti und für Georgien zusammengefasst (Georgien weil dort ein eindeutig strategisches Interesse besteht). Georgien hat mit etwas über 4 Millionen nicht einmal halb so viele Einwohner wie Haiti (9 Millionen). [Zum Vergrössern, drauf klicken]
Man sieht, dass die militärische Hilfe nahezu inexistent ist. Auch Ausschläge wie in Georgien findet man nicht wirklich. Einzig ein beträchtlicher Anstieg nach der Exilierung von Präsident Aristide kann festgestellt werden. Ich vermute, wäre Haiti ein strategischer Fokus, würde die Geldverteilung anders aussehen. Haiti scheint vor allem Hilfe zu bekommen weil es mausarm ist.
Wichtig ist nun, dass die Vereinten Nationen es schaffen, die Koordination zu übernehmen. Dies ist von Bedeutung für die Legitimität der Hilfe, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden und sicherzustellen, dass die Hilfe erhalten, die sie benötigen. Noch wichtiger ist aber, dass überhaupt Hilfe erbracht wird. Da leistet die US Armee sicher einen wichtigen Beitrag.
1 Es ist durchaus Möglich, dass für die Landung vor dem Präsidentenpalast eine praktische Notwendigkeit bestand. Man ist sich aber bei den Aktionen der US Armee den Fernsehkameras sehr bewusst und es würde mich erstaunen, wenn niemand sich dies überlegt hat. Ich bin aber auch immer wieder überrascht, was für kolossale Fehler gemacht werden.
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