Ich bin in den letzten Tagen in Internetdiskussionen im Zusammenhang mit Nachwahlbefragungen und Meinungsumfragen zur Minarettverbotsinitiative nun zweimal über das Bonmot gestolpert: „Ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe.” Obowohl als ein solches verwendet, hat das nichts mit einem Argument zu tun. Darum habe ich beschlossen eine Serie Totschlagargumenten zu widmen, die gegebenenfalls verlinkt werden können (Ein Warnhinweis: Meine Serien sind nicht Ansatzweise so ausdauernd wie bei anderen).
Zuerst zum Ursprung des Zitats. Obwohl es oft Churchill zugeschrieben wird, ist der Ursprung nicht ganz klar. Das Statistikamt von Baden-Württemberg hat dazu eine ausgiebig Recherche gemacht (Ehrensache für ein Statistikamt vermute ich).
Nun zur Sache. Warum handelt es sich um ein Totschlägerargument, ja eigentlich überhaupt um gar kein Argument? Die Aussage versagt schon in ihrer Wortwahl. Die zwei Schlüsselwörter sind glauben und gefälscht.
Im Zusammenhang mit Statistik von Glauben zu sprechen ist eine völlige Verdrehung des eigentlichen Sinns von solchen Zahlen. Trockene Zahlen dienen eigentlich der Objektivierung. Zugegeben wir haben eine Tendenz uns von Zahlen blenden zu lassen. Das ist aber nicht eine Frage des Glauben-Müssens sondern von fehlendem kritischen Denken. Wenn die Erhebung und die Verarbeitung dieser Zahlen transparent sind, dann kann man die Interpretation eben dieser Zahlen auch kritisieren wenn etwas damit nicht stimmt. Dies ist viel einfacher als wenn es keine solche ‘normierte’ Argumentation gibt (also eben keine Statistik).
Der zweite Trugschluss ist pauschal von Fälschung zu sprechen. Um es gleich vorwegzunehmen: Die Zahlenbasis einer Statistik kann tatsächlich gefälscht sein. Das ist aber erstens ein massiver Vorwurf und wohl meistens nicht der Fall. Wir müssen uns da wohl oder übel via Abkürzung der Vertrauenswürdigkeit der Quelle behelfen (gibt es andere Quelle, ist die Quelle neutral, hat sie ein Interesse die Daten zu verzerren, etc.). Wer aber das Zitat anbringt, unterstellt meistens nicht eine effektive Fälschung der Zahlen. Was kritisiert wird, ist eigentlich die Interpretation dieser Zahlen. Die Zahlen selber sprechen in der Regel nicht für sich. Man muss Korrelationen heraus filtern, Zusammenhänge finden und nach Mustern suchen. Das tägliche Brot in den Sozialwissenschaften (übrigens häufig auch bei nicht quantitativ arbeitenden Forschenden).
Der Interpretation zu misstrauen ist ein sehr guter Reflex. Nur muss man dann darauf eingehen: Warum ist diese spezifische Interpretation nicht glaubwürdig. Wie können die Zahlen in überzeugenderer Weise ausgelegt werden? Das braucht aber ein gewisses Verständnis der Zahlen, Kombinationsfähigkeit und eine gute Portion Logik. Da ist es viel einfacher die Interpretation einer Statistik die einem nicht gefällt einfach vom Tisch zu wischen mit dem Bonmot: „Ich glaube keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe.” Doch darauf sollte dann das eigentliche Argument folgen.
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