1998 hat das renommierte Britische Medizin-Journal The Lancet einen Artikel veröffentlicht, der unter anderem von einem gewissen Dr. Andrew Wakefield verfasst wurde. Darin wird ein möglicher Zusammenhang zwischen Autismus und Imfpungen von Kleinkindern erstellt. Vor ein paar Tagen wurde Wakefield der Verletzung ethischer Standards für Schuldig befunden und vorgestern hat The Lancet nun den Artikel zurückgezogen.
Der wichtige Schritt des Rückzuges des Artikels mit dem Titel
Retraction–Ileal-lymphoid-nodular hyperplasia, non-specific colitis, and pervasive developmental disorder in children
wirkt auf den Seiten von The Lancet unspektakulär. Lange hat sich das Magazin geweigert dies zu tun und sah sich nun wohl durch das Urteil gegen Wakefield zu diesem Schritt bewogen.
Als der Artikel 1998 erschien hat er etwas ins Rollen gebracht, das sich inzwischen zu einer gigantischen Anti-Impfbewegung in den USA entwickelt hat. In Grossbritannien sank nach der Veröffentlichung und der darauf folgenden Kontroverse der Durchimpfungsgrad der Bevölkerung und selbst der damalige Premier Blair weigerte sich zu sagen ob seine Kinder geimpft seien oder nicht (Michael Specter vom New Yorker, dessen Buch Denialism dass ich gerade lese, hat die Sache auch aufgegriffen).
Unzählige Studien, hochkarätig besetzte Kommissionen und Millionen von Dollar später konnte weder ein solcher Zusammenhang gefunden noch Wakefields Resultate reproduziert werden. Da sich die Anti-Impfbewegung in den USA nicht per se anti-wissenschaftlich gibt (oft heisst es mehr Forschung sei nötig), könnte man nun hoffen, dass die Sache vom Tisch ist? Ich befürchte nicht und darum schreibe ich diesen Eintrag, nicht um eine weitere fruchtlose Diskussion um Impfungen lostzutreten. Diese Diskussion ist eigentlich vorüber.
Das Problem ist, dass es nicht um Wissenschaft geht. Es geht um Glauben. Das funktioniert folgendermassen: Hat man eine Studie in einem angesehen Journal, die die eigene Meinung bestätigt, wird sie allen um die Ohren geschlagen. Wird diese zurückgezogen oder dem Autor ethisches Fehlverhalten vorgeworfen, dann müssen diese Fakten den eigenen Überzeugungen angepasst werden nicht umgekehrt. Da die Studie korrekt sein muss, kann man daraus nur schliessen, dass jemand die Wahrheit vertuschen will. Es geht nicht um Wahrheitssuche. Was diese ist steht von Anfang an fest. Es geht nur darum alle Fakten so zu interpretieren, dass sie zu den von Anfang an festgelegten Schlussfolgerungen passen.
Die ersten Reaktionen bestätigen leider meine Befürchtungen. Das offiziell klingende National Vaccine Information Center, die Speerspitze der Anti-Impf-Bewegung in den USA und welches eher ein disinformation center ist, verbreitet schon die These, dass hier “ein mutiger und unabhängiger Forscher” mundtot gemacht werden soll.
Auch die Organisation Talk About Curing Autism (TACA), mehr bekannt als Promi-Magnet als für medizinische Fachkompetenz (man google nur Jenny McCarthy, ehemalige TACA Sprecherin und Frau des Schauspielers Jim Carrey) bastelt an der Verschwörung:
Unfortunately, it seems that it is far easier for the GMC to destroy Dr. Wakefield’s career than to thoroughly research the uncomfortable hypothesis he brought to light.
Nun liebe Impfgegnerinnen und Impfgegner, die dieser Post wohl leider aus den Tiefen des Internets in die Kommentarspalten dieses Blogs spülen wird, bevor ihr anfängt hier die alte Leier über die Gefährlichkeit von Impfungen zu klagen, möchte ich eine Frage beantwortet haben (und ich für meinen Teil werde auf nichts eingehen bevor ihr mir diese Frage nicht klar beantwortet):
Was muss geschehen, dass ihr davon überzeugt werdet, dass es mit ziemlicher Sicherheit keinen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus gibt? Wieviele Studien braucht es noch, wieviele Millionen müssen noch gebunden werden und wieviele Menschen müssen das Risiko einer Masern, Mumps oder Röteln Erkrankung (die wohlgemerkt tödlich verlaufen kann) auf sich nehmen bis ihr davon überzeugt seid, dass es diesen Zusammenhang nicht gibt?
Negative können nicht bewiesen werden. Das ist der Strohhalm an den ihr euch klammert. Wann lässt ihr los?
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