Urheberrechte sind nicht für immer. Siebzig Jahre nach dem Tod eines Autors darf man einen Text ohne Erlaubnis neu auflegen. Dies kann zu Fragestellungen führen, die weit über die nach den Rechten vom Schreiber und seine Nachkommen hinaus geht. Dies gilt besonders wenn der Autor Adolf Hitler hiess.
Die Rechte für Hitlers ‘Mein Kampf’ liegen beim bayrischen Staat, der diese nach Ende des zweiten Weltkrieges von den Alliierten übertragen erhalten hat. Bisher gab es in Deutschland keine Neuauflage des Buches. Nun laufen 2015 die Rechte aus und das Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ) plant eine kommentierte neue Edition. Die Haltung der bayrischen Regierung ist auf der Basis der Medienberichte nicht eindeutig. Laut der New York Times möchte das Finanzministerium auch nach Ablauf des Copyrights keine Veröffentlichung zulassen. Auch Welt Online zitiert das Ministerium in diesem Sinne: “Auch nach Auslaufen des Urheberrechts bleibt die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts in Deutschland strafbar.” Die Süddeutsche hingegen behauptet, dass Finanzministerium hätte nichts gegen eine Neuauflage möchte aber das Erlöschen des Urheberrechts abwarten. Es ist wohl ebenfalls nicht ganz klar auf welcher Grundlage eine Publikation verhindert werden sollte.
Im Artikel in der New York Times wird die Frage auf ein Auseinandersetzung zwischen Wissenschaft und Politik zugespitzt. Obwohl ich denke, dass die Sache in Anbetracht der deutschen Geschichte etwas komplizierter ist und einer Nicht-Veröffentlichung ein gewisser Symbolwert nicht abgesprochen werden kann, möchte ich diese Zweiteilung hier aufgreifen.1 Sie illustriert nämlich die zwei sehr unterschiedliche Ansätze wie man in der Politik und in der Wissenschaft Probleme zu lösen versucht. Beide Gruppen stützen sich dabei auf die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel.
Das IfZ argumentiert, dass das Buch sowieso via Internet überall erhältlich sei in Deutschland (oder so möchte ich anfügen, auch in Buchform mit einem kleinen Ausflug über die Grenze in die Schweiz) und sich früher oder später irgendjemand finden wird, der es neu herauszugeben versuchen wird. Besser erster sein und eine kommentierte Edition veröffentlichen, die den Inhalt als den Schwachsinn entlarvt, der er ist (sofern dies überhaupt notwendig ist). In der Politik hingegen will man die Macht die man hat nutzen und Dinge per Gesetz einschränken. Man verbietet und limitiert wenn man ein Problem lösen will.
Ich halte Bücherverbote nahezu nie für einen guten Ansatz. Es gibt den Ideen darin eine gewisse Legitimität und attestiert ihnen eine Gefährlichkeit da sie offensichtlich dem Staat Angst machen. Gerade im Falle von Mein Kampf ist das grundverkehrt. Das Buch ist schlecht strukturiert und wirkt häufig wirr. Es ist eine Ansammlung von halb-verdautem und teil-verstandenen voller logischer Fehlschlüsse und strotzt von Inkhoärenz. Dies aufzuzeigen ist vermutlich effektiver als ein Publikationsverbot. Diejenigen die das nicht sehen wollen (oder können) wird auch ein Verbot nicht davon abhalten das Geschreibsel mythisch zu überhöhen und sich den Text zu besorgen.
So funktioniert idealerweise auch Wissenschaft. Nicht durch Unterdrücken von Information erzielt man Fortschritt sondern durch das Veröffentlichen und die Diskussion darüber. Verbote haben uns kaum schon vorwärts gebracht. Ich habe im Geschichtsunterricht mit vierzehn grössere Teile aus Mein Kampf lesen müssen. Etwas besseres hätte mein Geschichtslehrer wohl gar nicht tun können um zu entlarven, wie lächerlich und gleichzeitig monströs Hitlers Ideen waren und uns darüber rätseln zu lassen, wie so viele Menschen von genau diesen Ideen haben überzeugt werden können.
1 Ich möchte betonen das es mir nicht darum geht, die Deutschen zu belehren, wie sie ihr Recht diesbezüglich gestalten sollen (da es mir bewusst ist, dass es sich um ein delikates Thema handelt). Es geht mir darum grundsätzliche Gedanken zu Bücherverboten, Poltik und Wissenschaft anhand eines konkreten Beispiels zur Diskussion zu stellen.
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