In der Schweiz steht am 7. März wieder einmal eine Abstimmung ins Haus. Diese ist speziell von Interesse für dieses Portal da es um Wissenschaft geht, genauer genommen um Forschung.
In der Schweizer Verfassung soll ein Artikel verankert werden, der die Forschung am Menschen regelt. Die Vorlage ist relativ klar. Ein erster Artikel setzt allgemeine Regeln und sieht spezifische Gesetze zur Regelung der Forschung am Menschen vor:
Der Bund erlässt Vorschriften über die Forschung am Menschen, soweit der Schutz seiner Würde und seiner Persönlichkeit es erfordert. Er wahrt dabei die Forschungsfreiheit und trägt der Bedeutung der Forschung für Gesundheit und Gesellschaft Rechnung.
Danach folgen ein paar spezifische Regeln für Forschung am Menschen in der Biologie und Medizin:
- Jedes Forschungsvorhaben setzt voraus, dass die teilnehmenden oder gemäss Gesetz berechtigten Personen nach hinreichender Aufklärung ihre Einwilligung erteilt haben. Das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen. Eine Ablehnung ist in jedem Fall verbindlich.
- Die Risiken und Belastungen für die teilnehmenden Personen dürfen nicht in einem Missverhältnis zum Nutzen des Forschungsvorhabens stehen.
- Mit urteilsunfähigen Personen darf ein Forschungsvorhaben nur durch- geführt werden, wenn gleichwertige Erkenntnisse nicht mit urteilsfähigen Personen gewonnen werden können. Lässt das Forschungsvorhaben keinen unmittelbaren Nutzen für die urteilsunfähigen Personen erwarten, so dürfen die Risiken und Belastungen nur minimal sein.
- Eine unabhängige Überprüfung des Forschungsvorhabens muss ergeben haben, dass der Schutz der teilnehmenden Personen gewährleistet ist.
Die Vorlage scheint nicht umstritten (obwohl ich mit Prognosen vorsichtiger geworden bin) und eine breite Koalition setzt sich für den Artikel ein. Es gilt vielleicht zu erwähnen, dass sich auch die Universitäten, der Schweizerische Nationalfonds und der Verband der forschenden pharmazeutischen Industrie sich für den Artikel ausgesprochen haben. Wer könnte also da noch dagegen sein?
Da wären zuerst einmal die Grünen. Sie sind gespalten, hätten doch einige gerne weitergehende Regelungen. Sie hätten sich ein “grundsätzliches Verbot zur fremdnützigen Forschung an Nichteinwilligungsfähigen” gewünscht. Sprich wenn aus der Forschung dem unmündigen Menschen direkt kein Nutzen erwächst, hätte sie verboten sein sollen.
Dann haben wir die üblichen Verdächtigen, die EDU (unsere hauseignen Fundamentalisten). Ein präzises Statement von ihnen warum sie dagegen sind habe ich nicht gefunden, aber es bleibt zu vermuten, dass Forschung in ihren Augen ein ungebührliches Eingreifen in Gottes Werk darstellt.
Der Preis für die inkonsequenteste Argumentation geht aber wieder einmal an die Schweizerische Volkspartei (SVP), die als grösste Partei die “Nein”-Parole gefasst hat. Die vorgebrachten Argumente sind, ich kann es wirklich nicht anders formulieren, verlogen.
Zuerst einmal hat die Partei, die noch heiser ist vom Jubelgeschrei über das Verankern einer diskrimierenden Bauvorschrift in der Verfassung doch tatsächlich den Nerv, zu kritisieren, dass dies nicht in die Verfassung gehöre sondern auf Gesetzesstufe geregelt werden sollte.
Noch heuchlerischer finde ich, dass sich die SVP sorgen um den “Forschungsstandort Schweiz” macht. Die Partei deren Repräsentanten so gerne gegen Akademiker wettern, ist nun katholischer als der Papst und denkt, dass die Universitäten und der Nationalfonds ihre eigenen Interessen nicht gut genug vertreten. Besonders sauer stösst mir natürlich auf, dass sie explizit die Geistes- und Sozialwissenschaften erwähnen und schützen möchte, gerade die SVP die sich sonst keinen Deut um diese kümmert und ihnen bestenfalls Nutzlosigkeit und im schlimmsten Fall Schmarotzertum attestiert . Doch noch unglaubwürdiger ist die Sorge um die internationale Konkurrenz:
Forschung lässt sich relativ einfach ins Ausland verlagern. Und genau das wollen wir nicht! Wir stehen ein für den Forschungsstandort Schweiz, für die Freiheit und die Eigen- verantwortung der Forschenden.
Es ist wohl auch aus der Einsicht wie international Forschung heutzutage ist und aus Respekt für die Eigenverantwortung der Forschenden, dass die SVP eine xenophobe Kampagne gegen Deutsche Professorinnen und Professoren an Schweizer Bildungsinsitutionen und Spitälern lanciert hat.
Die SVP kümmert sich in der Regel einen Dreck um die Forschung in der Schweiz. Sie hat den Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft noch nie auch nur ein Minimum an Respekt entgegengebracht. Im Gegenteil, in der Regel reicht dem Anti-Intellektualismus der SVP die Ausbildung einer Person, um deren Argumente zu diskreditieren und Akademiker-Bashing gehört bei ihr zum guten Ton.
Ich hoffe man darf die SVP beim nächsten mal an ihre neu gefundene Liebe zur Wissenschaft erinnern. Aber Argumente scheinen bei ihr eh völlig beliebig zu sein.
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