Wie berichtet habe ich letzte Woche an der Annual Convention der International Studies Association teilgenommen. Ich stecke im Moment wegen einem verpassten Anschlussflugs gerade in Lansedowne (Virginia) fest. Ich wollte über einige Diskussionsrunden berichten, habe aber meine Notizen im Koffer. Trotzdem versuche hier kurz über eine Diskussionsrunde zur Responsability to Protect (R2P) zu bloggen.
Um es gleich vorwegzuschicken: Dies ist überhaupt nicht mein Spezialgebiet und ich plaudere hier vor allem aus dem Nähkästchen auf der Basis von Plaudereien mit einem Freund hier der auf dem Panel war.
Was ist also die Responsability to Protect? Es handelt sich um ein Konzept (zu Deutsch oft als Schutzverantwortung oder Verantwortung zum Schutz übersetzt) welches viel diskutiert wurde in den letzten Jahren. Umstritten ist es, weil es die Souveränität der Nationalstaaten aufweicht.
Worum geht es? R2P umschreibt schlicht die Idee, dass es eine Verantwortung gibt, die Menschen vor Massenmord und -gewalttaten zu schützen. Das Konezpt taucht immer wieder auf und wurde auch zur Rechtfertigung der Kosovokrieges der NATO angeführt. Auch in den Fällen von Ruanda und Bosnien wurde diese Verantwortung diskutiert. Damals sprach man in der Regel von Humanitärer Intervention, ein Begriff der aber unter anderem wegen seinem militärischen Unterton aufgegeben wurde.
Es gibt sehr viele offene Fragen um R2P. Wer hat die Autorität eine solche Massnahme zu entscheiden? Welche Mittel müssen respektive dürfen angewendet werden? Wer genau hat diese Verantwortung (internationale Organisationen, Staaten, der Sicherheitsrat)?
Im Jahr 2000 bat Kofi Anan einen Konsens zu diesen Fragen zu finden um das Konzept als internationale Norm zu etablieren. Eine Kommission verfasste einen detaillierten Bericht. Dieser führte zur Festschreibung von generell akzeptierten Prinzipien für R2P beim UNO Gipfel 2005:
- R2P gilt für vier spezifische Verbrechen: Genozid, Kriegsverbrechen, Ethnische Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
- Drei Elemente konstituieren diese Verantwortung: Die Verantwortung zur Prävention, die Verantwortung zu reagieren und die Verantwortung zum Wiederaufbau. Letzteres kann wohl als völlig unumstritten bezeichnet werden und wurde schon immer gemacht.
- Prävention soll die Priorität darstellen und die es soll immer die Option gewählt werden, die weniger Zwang bedingt (less coercive measure).
- Militärische Massnahmen sollen nur als äusserstes Mittel angewendet werden. Der Bericht definiert im Detail unter welchen Bedingungen dies Möglich ist und welches die Prozeduren sind die befolgt werden müssen (wen die Details interessieren, findet alle Details auf einer guten Seite zu R2P bei der International Crisis Group).
- Zuerst besteht eine Verantwortung der Staaten ihre eigene Bevölkerung zu schützen, sind dies unfähig und nicht willig dies zu tun, kommt die Verantwortung der internationalen Gemeinschaft ins Spiel.
Wichtig erscheint mir zu betonen, dass dies wirklich weitherum akzeptiert wurde. Dies gilt auch für die Entwicklungsländern (in den 90ern wurde das Konzept häufig als ‘Westliches Konzept’ dargestellt, dass dem Süden aufgezwungen werden soll) oder den Grossen auf der Weltbühne (wohl weil der Sicherheitsrat das letzte Wort hat und sie dort ein Veto besitzen).
Den interessantesten Gedanken den ich von der Diskussionrunde mitgenommen habe, waren Fragen zur Bedeutung des Wortes Verantwortung in diesem Kontext, die nach wie vor offen sind. Es wurden drei Arten von Verantwortung unterschieden: Causal, Outcome und Remedial. Das ganze wurde passend zum Tagungsort New Orleans am Beispiel Katrina erläutert. Die Bush Administration hatte keine kausale Verantwortung (sie haben den Sturm nicht ausgelöst), haben aber eine Verantwortung für das Resultat (man wusste schon eine Weile von den Schwächen der Deiche, inkompetente Leute führten die zuständigen Organisationen, etc.) und natürlich auch für den Wiederaufbau (Hilfe kam zu spät und zu war zu wenig).
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