Eine französische Doku hat das berühmte Milgram Experiment in einem leicht anderen Kontext wiederholt. In einer angeblichen Quizshow wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu angehalten, einen Mitbewerber (in Wirklichkeit ein Schauspieler) bei falschen Antworten bis zu einer tödlichen Ladung mit Elektroschocks zu malträtieren. Fast alle gingen bis zum bitteren Ende.
Es gab nicht einmal etwas zu gewinnen, den Teilnehmenden wurde gesagt, es handle sich um eine Testshow. Trotzdem schreckten gemäss BBC nur 16 der 80 Teilnehmenden vor dem letzten tödlichen Schock zurück.
Zuerst einmal ist es schockierend wie viele der Teilnehmenden offensichtlich bereit waren einem Mitmenschen Schmerzen zuzufügen. Was mich fast noch mehr überraschte ist, dass ich gemeint hätte, dass das Milgram Experiment (welches hier übrigens auch schon thematisiert wurde) doch auch ins populäre Bewusstsein vorgedrungen ist und schon alleine deshalb die Leute die Lunte hätten riechen müssen.
Das TV Experiment lässt in meinen Augen auch nur beschränkte Schlüsse zu. Erstens ist der Rahmen einer TV Show speziell. Viele Menschen leben einen Teil ihres Lebens im TV. Das Medium Film und TV lebt doch von der möglichst perfekten Illusion. Sollen nicht auch Reality-Shows Authentizität zeigen und sind sie im Grunde aber halt nicht doch immer nur Kunstprodukte (als TV-loser Mensch urteile ich nur von den wenigen kurzen Ausschnitten die ich von solchen Shows gesehen habe)? Ich vermute viele haben Mühe zwischen Realität und Fiktion zu trennen in diesem Zusammenhang. Der Elektroschock und der Schmerz sind nur teilweise real. Man könnte sogar fast argumentieren, dass die gestellte Situation ‘intuitiv durchschaut’ wurde. Zweitens ist die ‘Show’ wohl mit dem Ziel konzipiert worden zu schockieren und zu zeigen, dass Menschen zu vielem bereit sind, wenn eine Kamera auf sie gerichtet ist. Wir wissen zudem nicht wie die Teilnehmenden rekrutiert wurden (hat man selektioniert, nach welchen Kriterien) und wir wissen auch nicht, wie das Endprodukt zusammengeschnitten wurde. Ganz sicher nicht, wie man ein Experiment aufbauen sollte von dem man sich wirklich Erkenntnisse erhofft.
Was mich zudem stört ist ein Problem ethischer Natur. In der Schweiz haben wir gerade über einen Verfassungsartikel zur Forschung am Menschen abgestimmt (der deutlich angenommen wurde). Warum darf TV ohne Kontrolle und mit kaum Erkenntnisgewinn tun, was in der Wissenschaft streng geregelt ist. Warum lassen sich so viele Menschen ohne grosse Bedenken durch solche Sendungen unterhalten, sind aber gleichzeitig zutiefst misstrauisch wenn es um Forschung geht? Ich finde solche ethischen Regeln wichtig. Sie sollten aber für alle gelten. Die öffentliche Wahrnehmung und der Gesetzgeber scheinen hier aber Doppelstandards anzulegen.
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