Ich weiss nicht wie sehr die Geschichte des Zanks zwischen Libyen und der Schweiz in Deutschland mitverfolgt wird. Um sicher zu sein, dass hier niemand etwas verpasst, soll ein kleines Update gepostet werden.
Als das ganze begann und noch keine Staatsaffäre war konnte man bei zoon politikon schon über die Verhaftung von Hannibal Gaddafi im Juli 2008 lesen.
Was ich damals im Überschwang schon als ‘diplomatische Krise’ betitelte, war nur ein Scharmützel im Vergleich zu dem was folgte. Der Vater rächte sich durch die Verhaftung von zwei Schweizern. Dies führt zu einer peinlichen Befreiungsaktion durch unseren damaligen Bundespräsidenten.
Nachdem die Schweizer als Schengenmitglied 200 Libyer auf eine Liste setzten, damit sie kein Visum erhalten, meinte man, nun endlich zurückgeschlagen zu haben. Aber auch Gaddafi schlief nicht. Er begnügte sich nicht mit dem Antrag vor der UNO zur Auflösung der Schweiz, nein er rief dann gar zum Jihad gegen die Schweiz auf. Glücklicherweise hat er nicht einmal mehr in diesen Kreisen wirklich sehr viel Respekt. Der Aufruf wurde vom libyschen Botschafter in den USA auch relativiert, als Aufruf zu einem Boykott nämlich (so eine Art Schokoladen und Käse Jihad wie ich vermute).
In Genf wurde wegen der Veröffentlichung der Polizeifoto von Hannibal im Lokalblatt Tribune de Genève, ein Verfahren angestrengt. Gegen den Journalisten wurde die Anklage inzwischen fallen gelassen. Genf, welches sich anfangs weigerte auf Kompensationsforderungen einzutreten, hatte schliesslich klein bei gegeben, verlangte aber, dass die Tribune de Genève ebenfalls mitzahlen müsse. Doch Hannibal möchte nun kein Geld mehr (nein, fragt nicht, ich weisse es auch nicht).
Wegen der Einreisesperre für Teile der libyschen Elite für den ganzen Schengenraum begann dann Libyen auch Forderungen und Drohungen an die EU zu stellen. Italien mit einer traditionell speziellen Beziehung zu Libyen übernahm dann die Rolle als Vermittler. Naja, das dachte man zuerst. Bis der Aussenminister Frattini dann ein Ultimatum stellte, die Schweiz direkt kritisierte und damit drohte die Schweizer Visa-Massnahmen durch Sonderregelungen zu unterlaufen.
Trotz diesem eher komisch anmutenden diplomatischen Geplänkel, sollte man auch den ernsten Hintergrund nicht vergessen. Einer der beiden Schweizer wurde zwar inzwischen freigelassen. Die andere wurde aber zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und sitzt in einer libyschen Strafanstalt.
Gestern nun traf die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey ihr aussenpolitische Pendant der EU Catherine Ashton (eineige meinten auch, sie wurde herbeizitiert). Ergebnis der Gespräche: Die Schweiz erklärte sich bereit, die Visa-Beschränkungen innert nützlicher Frist wieder aufzuheben. Dies scheint nicht gerade ein grosser Verhandlungserfolg für die Schweiz zu sein. Es ist natürlich möglich, dass die EU informell zugesichert hat, ihr Gewicht in die Waagschale zu werfen. Es scheint mir aber doch eher als ob man auf die Schweiz Druck ausgeübt hat und nur vage Versprechen bot. Was den Schweizern bleibt ist die Vagheit des eigenen Eingeständnisses (‘innert nützlicher Frist’).
Was in diesem Zusammenhang leider hier in der Schweiz kaum zur Sprache kommt ist, dass die Krise gut illustriert, was einer der Nachteile des von der Schweiz gewählten bilateralen Weges ist. Als EU Mitglied würde man weniger von zwei Seiten unter Druck geraten. Im Gegenteil, die EU würde kaum soviel Desinteresse zeigen, wäre die Schweiz ein Mitglied. Stattdessen müssen wir nun auch noch in Brüssel um Hilfe bitten und uns dort gegen ein Schwergewicht stemmen. Wir sind zwar ausgezeichnet integriert und geniessen fast alle Privilegien, die EU Mitglieder auch haben. Wir haben aber keine Stimme in der EU. Das ist, wie man jetzt wieder einmal sieht, ein gravierender Unterschied. Die Gegner eines Beitritts betonen immer, dass wir die EU nicht bräuchten und dort viele Freunde haben. Ganz so einfach scheint es nicht zu sein.
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