Die Russische Föderation und die USA sind sich offenbar einig geworden, den Vertrag zur Verringerung strategischer Nuklearwaffen (Strategic Arms Reduction Treaty START) von 1991 neu auszuhandeln. Nicht nur weil Nuklearwaffen eines der grossen Themen war für die Internationalen Beziehungen im kalten Krieg, sondern auch dank den vielen Titel-Möglichkeiten, die die Abkürzung START bietet, kann ich natürlich einem kurzen Kommentar nicht widerstehen.
Auf zoon politikon war die Neuverhandlung des START auch schon diskutiert worden.1 Für Obamas grosse Ankündigung, dass er die Welt von Nuklearwaffen befreien möchte, ist dies ein erster bescheidener Schritt. Am 8. April soll der Vertrag in Prag unterzeichnet werden. Wohl nicht zufällig fast ein Jahr nach dem Obama seine Proklamation betreffend Nuklearwaffen in genau dieser Stadt gemacht hat.
Gemäss der New York Times wird der Vertrag die Limite für Nuklearsprengköpfe um ein Viertel reduzieren und die Zahl der Abschussvorrichtungen halbieren. Das bei solchen Fragen wichtige Inspektionsregime (wichtig weil dies die gegenseitige Kontrolle ermöglicht und damit die Vertauensbasis schafft) wird wieder etabliert.
Der grosse Streitpunkt war das Raketen-Abwehrsystem, welches unter George W. Bush lanciert wurde. Man kann sich natürlich fragen, was ein Abwehrschirm in einem Vertrag zu suchen haben könnte, der die Zahl der Nuklearwaffen beschränken soll. Es ist alles eine Frage des Gleichgewichts. Darum kann die Zahl der Nuklearwaffen auch nur parallel reduziert werden. Hat eine Seite einen funktionierenden Abwehrschirm (und dort sind wir noch lange nicht), wäre sie natürlich weniger verletzlich in Bezug auf einen Nuklearangriff, was folglich das Gleichgewicht trotz ähnlicher Zahlen an Nuklearsprengköpfen verschieben würde.
Dieser Abwehrschirm hat man nun aber mehr oder weniger aus dem Vertrag rausgehalten. Der Vertrag stellt nur die Meinungsverschiedenheiten diesbezüglich fest. In separaten Statements (die nicht bindend sind) werden die jeweiligen Positionen festgehalten. Dies ist vermutlich als Punkt für die USA zu verbuchen. Vermutlich sogar die Tatsache, dass überhaupt ein Vertrag zustande gekommen ist. Eine Befürchtung der russischen Seite war schliessliche, dass die USA viel schneller wieder aufrüsten könnten als Russland selber. Ein Teil der neuen russischen Selbstsicherheit ist jedoch mit dem Ölpreis abgesackt und die Finanzkrise hat ihren Teil dazu beigetragen, dass so vermute ich, die Russen gar nicht so unglücklich sind, wenn sie nicht auch noch in ein nukleares Wettrüsten verwickelt sind. Gemäss dem verlinkten New York Times berichtet, wird Russland auch weiterhin auf ein Abkommen zum Raketenabwehrschirm drängen.
Der Abwehrschirm ist noch unter einem zweiten Gesichtspunkt wichtig. Der nächste Schritt wird nämlich sein, den Vertrag durch den Kongress ratifiziert zu kriegen. Es gibt Stimmen die sagen, dass die Republikaner, noch gedemütigt von der Gesundheitsreform, auf Rache aus sind. Schon die blosse Erwähnung des Schutzschirmes (welches schon seit Reagan ein republikanisches Lieblingsprojekt ist) im Vertrag könnte als Grund dienen, diesen nun abzulehnen.
Obama und Clinton gaben sich gestern jedoch zuversichtlich. Nukleare Abrüstung hätte immer grosse Unterstützung in beiden Parteien gefunden und es hätte diesbezüglich nie grosse Probleme im Senat gegeben. Ob dies bloss Zweckoptimismus ist, wird sich noch zeigen. Es gibt durchaus auch jene die sagen, es werde kaum ein Problem sein, schon alleine weil die Gesundheitsreform bald Schnee von gestern sein werde.
Ich schliesse mich dieser Einschätzung an (aber mit einer zusätzlichen Begründung): Es stimmt vielleicht, dass die Polarisierung im Moment eher stärker zu sein scheint, aber ich glaube auch, dass die Gesundheitsreform das Bild etwas verzerrt hat. Auch in Zukunft werden die Senatoren kaum streng Parteilinie stimmen. Sie taten dies auch nach und während der Gesundheitsreform bei anderen Themen nicht, nur handelte es sich um Vorlagen die weniger Aufsehen erregten. Nuklearwaffen sind zudem kaum mehr so sehr ein ‘Sicherheits’-Thema wie auch schon. So gesehen wird es wohl nicht so schwer sein, die nötige Mehrheit im Senat zusammenzuschustern. Nur nuklearwaffenfrei ist die Welt dann immer noch nicht.
1 Hier möchte ich gleich noch ein spätes Korrigenda anfügen. In dem Post habe ich geschrieben ‘der Vertrag von 1982‘. In dem Jahr begannen die Gespräche, der Vertrag wurde erst Anfangs 90er unterschrieben.
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