und es werden große Erdbeben sein an verschiedenen Orten, und Hungersnöte und Seuchen; auch Schrecknisse und große Zeichen vom Himmel wird es geben. (Lukas 21,11)
So steht es in der Bibel. Man findet noch einige andere Referenzen zu Erdbeben. Meist sind sie Strafen Gottes oder böse Omen für kommendes Unheil. Häufig werden sie als sichere Merkmale für die nahende Apokalypse gewertet (wie auch im Zitat). Viele der ersten Christen waren überzeugt kurz vor dem Ende aller Zeiten zu stehen. Eine Überzeugung, die sich hartnäckig hält auch wenn der Weltuntergang in verschiedenen Formen kommt und immer wieder etwas herausgeschoben wird. Sei es zum nächsten Jahrhundert- oder Jahrtausendwechsel, 2012 oder sonst irgendwelche Schnapszahlen, denen man eine tiefere Bedeutung zuweist.
Da man zu Zeiten als man etwas wie Plattentektonik noch nicht einmal erahnt werden konnte (soviel ich weiss, fasste die Idee erst in den 60ern des letzten Jahrhunderts so richtig Fuss), ist es nachvollziehbar, dass man das Beben der Erde auf göttliche Interventionen zurückführen würde. Ich habe nur schon sehr kurze, schwache Beben in der Schweiz erlebt und kann nur erahnen wie destabilisierend das Gefühl eines grossen Erdbebens sein muss. Nach den grossen Beben der letzten Wochen (Haiti, Chile, China) scheinen einige Zeitgenossen nun wieder einmal klare Zeichen für das nahende Ende zu sehen. Man muss nicht lange suchen um Seiten–im–Netz zu finden die solchen Quatsch verbreiten. Sie alle operieren mit dem Argument, Erdbeben würden zunehmen, ergo geht die Welt bald unter.
Nun geht es mir in diesem Eintrag nicht in erster Linie darum, diesen Blödsinn zu widerlegen. Soviel Aufmerksamkeit haben diese Weltuntergangspropheten gar nicht verdient. Was mich interessiert ist, wie sehr die mediale Aufmerksamkeit für gewisse Ereignisse unsere Wahrnehmung dieser und deren Häufigkeit verzerrt.
Auch ich stand unter dem Eindruck (ich beschäftige mich schliesslich nicht täglich mit Erdbeben), dass es in den letzten Wochen eine ausserordentliche Häufung von schweren Erdbeben gegeben hat. Da ich solchen Gefühlen grundsätzlich misstraue, habe ich mich auf die Such gemacht, was denn die Zahlen so sagen und stiess auf die Website der US Geological Survey zu Erdbeben und hab dort interessantes gefunden.
Zuerst wäre da mal die allgemeine Häufigkeit von Erdbeben die anhand der gemeldeten Beben seit 1900 erstellt wird (Quelle USGS):
Stärke | Jahresdurchschnitt |
---|---|
8 und höher | 1 |
7 – 7.9 | 15 |
6 – 6.9 | 134 |
5 – 5.9 | 1319 |
4 – 4.9 | 13,000 (geschätzt) |
3 – 3.9 | 130,000 (geschätzt) |
2 – 2.9 | 1,300,000 (geschätzt) |
Nebst einer Liste für jedes Jahr (wie zum Beispiel hier für 2010) findet sich dort auch eine Tabelle mit einem Überblick über die letzten Jahre (Quelle USGS):
Stärke | 2000 | 2001 | 2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
8.0-9.9 | 1 | 1 | 0 | 1 | 2 | 1 | 2 | 4 | 0 | 1 | 1 |
7.0-7.9 | 14 | 15 | 13 | 14 | 14 | 10 | 9 | 14 | 12 | 16 | 5 |
6.0-6.9 | 146 | 121 | 127 | 140 | 141 | 140 | 142 | 178 | 168 | 142 | 61 |
5.0-5.9 | 1344 | 1224 | 1201 | 1203 | 1515 | 1693 | 1712 | 2074 | 1768 | 1725 | 733 |
4.0-4.9 | 8008 | 7991 | 8541 | 8462 | 10888 | 13917 | 12838 | 12078 | 12291 | 6956 | 2574 |
3.0-3.9 | 4827 | 6266 | 7068 | 7624 | 7932 | 9191 | 9990 | 9889 | 11735 | 2897 | 526 |
2.0-2.9 | 3765 | 4164 | 6419 | 7727 | 6316 | 4636 | 4027 | 3597 | 3860 | 3007 | 727 |
1.0-1.9 | 1026 | 944 | 1137 | 2506 | 1344 | 26 | 18 | 42 | 21 | 26 | 7 |
0.1-0.9 | 5 | 1 | 10 | 134 | 103 | 0 | 2 | 2 | 0 | 1 | 0 |
Keine Stärke | 3120 | 2807 | 2938 | 3608 | 2939 | 864 | 828 | 1807 | 1922 | 20 | 8 | Total | 22256 | 23534 | 27454 | 31419 | 31194 | 30478 | 29568 | 29685 | 31777 | 14791 | 4642 |
Geschätzt Tote |
231 | 21357 | 1685 | 33819 | 228802 | 82364 | 6605 | 712 | 88011 | 1787 | 223731 |
Man sieht also das der durch Medienkonsum entstandene Eindruck durchaus täuschen kann. Man kann sich jetzt fragen, wo holen alle dies Hobby-Nostradami (was ist der Plural von Nostradamus?) ihr Zahlen denn her. Es gibt zwei Fehler die sie mit ihren Zahlen begehen und die zu Fehlschlüssen führt. Entweder stellen sie einfach eine Zunahme vom letzten aufs jetzige Jahr fest (was heisst wenn die Zahl nicht absolut konstant ist oder ständig abnimmt, zwangsläufig ab und zu ein Anstieg festzustellen sein muss) oder aber sie gehen weiter zurück in der Zeit. Tatsächlich findet man dann einen Anstieg in den von der USGS verzeichneten Erdbeben. Dies ist vermutlich ein typisches statistisches Artefakt. Gemäss der USGS ist man von rund 350 Messtationen anfangs dreissiger Jahre zu heutzutage über 20’000 übergegangen. Mit der Verbesserung der Kommunikationsmittel dürfte dies eine plausiblere Erklärung sein, als das Eintreffen einer 2’000 Jahre alten Voraussage deren Autoren nicht einmal einen winzigen Bruchteil des heutigen Wissens besassen. Ein weiterer Hinweis ist, dass die Zahl der schweren Erdbeben mehr oder weniger konstant geblieben ist. Auch das mag vielleicht den einen oder anderen überraschen.
Vor der durch die mediale Aufmerksamkeitsökonomie diktierte Verzerrungen in der Wahrnehmung muss man sich in Acht nehmen. Bei Erdbeben ist das relativ leicht überprüfbar. Es gibt aber andere Themen wo es problematischer werden kann, denkt man zum Beispiel an Berichterstattung die zu politischen Massnahmen führt. Weil unter anderem darauf die öffentliche Meinung aufbaut und es im Gegensatz zu den häufig relativ harmlosen Weltunterganspropheten, es dort schnell sehr konkrete Konsequenzen haben kann. Ein aktuelles Beispiel dazu ist Terrorismus. Dessen effektives Bedrohungspotential, das wie, wer und warum decken sich wenig mit der öffentlichen Wahrnehmung. Auch hier gibt es übrigens plötzlich viel mehr Messtationen.
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