Anfangs dieser Woche titelten einige Zeitungen “Dawkins: ‘Ich werden den Papst verhaften!‘”. Man bezog sich auf eine angeblich konzertierte Aktion von Richard Dawkins und Christopher Hitchens den Papst bei einem geplanten Besuch des Vereinigten Königreichs wegen ‘Verbrechen gegen die Menschlichkeit‘ verhaften zu lassen. Der Stunt wäre inspiriert von der Verhaftung des früheren chilenischen Diktators Pinochet durch die britischen Behörden.
Bald jedoch stellte Dawkins richtig, dass er nichts solches gesagt habe:
Christopher Hitchens first proposed the legal challenge idea to me on March 14th. I responded enthusiastically, and suggested the name of a high profile human rights lawyer whom I know. I had lost her address, however, and set about tracking her down. Meanwhile, Christopher made the brilliant suggestion of Geoffrey Robertson. He approached him, and Mr Robertson’s subsequent ‘Put the Pope in the Dock’ article in The Guardian shows him to be ideal.
In diesem erwähnten Artikel im Guardian argumentiert Robertson, dass der Papst durchaus angeklagt werden könnte. Mir geht es um die völkerrechtlichen Aspekte der Geschichte. Juristische steht die Sache in meinen Augen auf wackligen Füssen und man riskiert einen reinen Publicity Stunt zu organisieren, was ich unabhängig von seiner Effektivität, aus Prinzip keine sehr gute Idee finde. Ich persönlich glaube, dass weder die Menschenrechten noch die Säkularisierung vorwärts gebracht wird. Wie auch immer, ich möchte hier vor allem auf die juristischen Aspekte eingehen und diese zur Diskussion stellen.
Als die Meldung auftauchte, war zuerst wie schon erwähnt die Rede von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dies schien mir insofern eine einleuchtende Argumentationslinie, weil solche Vergehen, die Zuständigkeit von britischen Gerichten rechtfertigen könnten. Es handelt sich um Vergehen, welches von einer grossen Mehrheit der Experten als dem Weltrechtsprinzip1 unterliegend angesehen werden. Das heisst egal wo sie begangen wurden und von wem, ein Staat kann auch ohne direkte Verbindung diese Verbrechen ahnden, wenn nationale Gerichte dies nicht tun.
Welche Verbrechen gegen die Menschlichkeit (im juristischen Sinne) der Papst hingegen begangen haben soll, war mir schleierhaft. Das Römer Statut, welches den internationalen Strafgerichtshof etabliert, schliesst zwar im Artikel 7 sexuelle Übergriffe bei der Definition von Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit ein (Rape, sexual slavery, enforced prostitution, forced pregnancy, enforced sterilization, or any other form of sexual violence of comparable gravity), doch dürfte dies kaum eine Anklage gegen den Papst decken. Nicht zuletzt auch wegen dem Ausmass welches vorausgesetzt wird:
any of the following acts when committed as part of a widespread or systematic attack directed against any civilian population, with knowledge of the attack
Mit ‘weitverbreitet’ und ‘systematisch’ dürfte was anderes gemeint sein als im vorliegenden Fall. Ausserdem geht es eigentlich um bewaffnete Konflikte, nicht Schulunterricht oder Internatsleben, daher der Bezug auf die ‘Zivilbevölkerung’.
Dies führt auch zum eigentlichen Knackpunkt, der Frage nach der Immunität des Papstes. Ein weiterer Aspekt einer Anklage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wäre nämlich, dass nach der Meinung vieler Experten, Immunität bei solchen Vergehen nicht geltend gemacht werden kann. Die Rechstsprechung diesbezüglich ist nicht ganz klar, aber man kann durchaus argumentieren, dass sich da eine neue Regelung am herausbilden ist. Doch wie vorhin erklärt, die Anklage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit scheint keine wirkliche juristische Basis zu haben. Ich gehe jedoch davon aus, dass es gegen das Vertuschen von Kindsmissbrauch britische Gesetze gibt. Die Frage ist also, geniesst der Papst die Immunität eines Staatsoberhauptes?
Robertson scheint diese Frage zu verneinen. Wäre der Vatikan ein normaler Staat, würde der Papst als Staatsoberhaupt Immunität geniessen. Robertson argumentiert nun offensichtlich, dass es sich beim Vatikan nicht um einen echten Staat handelt und folglich der Papst auch nicht die Immunität eines Staatsoberhauptes hat. So kann man sicher argumentieren, ich würde aber sagen, dies ist ein ziemlich unorthodoxer Ansatz. In Anbetracht dass der Vatikan diplomatische Beziehungen zu einem grossteil der Nationalstaaten dieser Erde unterhält, die gleichen Formalitäten und Protokolle befolgt und als Vertragspartner von diesen akzeptiert ist, wird es schwierig zu argumentieren, dass er nicht ein Rechtssubjekt im Völkerrecht darstellt, mit den gleichen Rechten und Pflichten wie andere Staaten.
Auch wenn der Heilige Stuhl nicht alle Kriterien für einen Staat im herkömmlichen Sinn erfüllt, wird er in der Regel nicht nur als souveräne Einheit wahrgenommen sondern auch als solche behandelt. Der Papst dürfte darum auch die Rechte und Pflichten eines Staatsoberhauptes in Anspruch nehmen. Alles andere wäre ein radikale Abkehr von der bisherigen Praxis. Dies ist zwar nicht ausgeschlossen, aber im tendenziell eher konservativen Völkerrecht unwahrscheinlich.
1 Ich kannte den deutschen Ausdruck für universal jurisdiction nicht. Dies ist die Übersetzung die ich fand und hoffe, sie ist korrekt.
Bildquellen: Wikimedia Commons. Richard Dawkins by Xocoyotzin (CC 2.0) und Papst Benedikt VI by Agência Brasil (CC 2.5 Brazil)
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