Eines der wenigen Konzepte aus der Literatur der Internationalen Beziehungen, die es in die Massenmedien schafften, ist Joseph Nyes Idee von Soft Power. Soft Power könnte die Waffe sein im Krieg der Ideen für Demokratie und Menschenrechte. Obwohl der Begriff viel herumgereicht wird, ist die Effektivität von Soft Power bisher kaum empirisch untersucht worden. Ein im Januar erschienener Artikel in Foreign Policy Analysis macht einen Anfang diese Lücke zu füllen.
Traditionell hat ein grosser Teil der Forschung in Internationalen Beziehungen sich mit Hard Power beschäftigt: Man fokussierte sich auf die Schlagkraft und zählte Panzer, Nuklearsprenköpfe, Zerstörer, Luftraumüberlegenheit und ähnliches. Macht wird oft als die Fähigkeit von A definiert, B etwas machen zu lassen, was er oder sie sonst nicht tun würde. Nye definierte davon ausgehend Soft Power als die Fähigkeit, die eigenen Ziele zu erreichen, weil die anderen einem bewundern oder dem vorgegebenen Beispiel nacheifern wollen. Das klassische Beispiel wären die USA, die durch die Faszination des American Way of Life, unzählige Male reproduziert durch Hollywood und transportiert durch Markenartikel, Sport und Werbung, sich einen gewaltigen Sympathievorschuss und Vorreiterrolle verschafft haben (sogar bei Antiamerikanisten findet man häufig eine beträchtliche Zwiespalt diesbezüglich).
Soft Power pur
Nun hat Carol Aktinson in einem Artikel in Foreign Policy Analysis dargelegt, wie für einen Bereich die Effektivität von Soft Power gemessen werden könnte. Sie untersuchte den Einfluss von US Austauschprogrammen für ausländische Studentinnen und Studenten respektive für Angehörige ausländischer Streitkräfte. Im Rahmen von Nyes Thesen, geht sie davon aus, dass der Kontakt und Erleben einer Gesellschaft mit demokratischen Strukturen und einem Rechtsstaat Sympathien für diesen wecken. Sie baut ihre Hypothesen auf drei Annahmen auf. Diese Annahmen weisen auf mögliche Mechanismen hin, wie diese Austausch Programme Soft Power ausüben könnten.
- Das Ausmass der sozialen Interaktion im Gastland. Je besser eine Gaststudentin ein Gaststudent in die lokale Gemeinschaft eingebettet ist, je stärker diese Bindungen sind, desto grösser sollte der Effekt auf sie oder ihn sein.
- Das Teilen einer gemeinsamen Identität oder ein Gemeinschaftsgefühl zwischen den Gästen und den Gastgebern.
- Das Erreichen von politisch einflussreichen Positionen nach der Rückkehr. Die sanfte Macht kann nur ausgeübt werden, wenn die Teilnehmenden anschliessen auch entsprechend Hebelwirkung erzeugen, indem sie zum Beispiel Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger werden oder selber Leute ausbilden.
Atkinson vermutet und dies wird von der Literatur gestützt, dass diese Bedingungen in Austauschprogrammen für Militärs besser erfüllt werden. Es gibt weniger Abschottung (wie z.B. häufig bei Studentinnen und Studenten aus China beobachtet wird), häufig reist die Familie mit, man ist in gewisse Strukturen eingebettet, die Rückkehr ist wahrscheinlicher und nach dieser arbeitet man schon per Definition in den politischen Strukturen des Heimatstaates.
Atkinson schlägt drei Hypothesen vor:
- Länder welche Offiziere in US Austauschprogramme senden haben sollten eine bessere Menschrechtssituation haben als solche die dies nicht tun.
- Je mehr Studierende aus einem Land in den USA studieren desto bessert sollte die Menschrechtssituation in den betreffenden Ländern sein.
- Militärische Austauschprogramme sollten eine stärkere Auswirkung haben als der zivile Austausch.
Sie vergleicht die jährlichen Daten von 1980 bis 2006 für alle Länder mit mehr als 500’000 Bevölkerung, die Studentinnen und Studenten in die USA sendeten. Die daraus resultierende Liste scheint entsprechend ausgewogen zu sein un die Resultate nicht von Demokratien dominiert. Sie testet die Hypothesen mit verschiedenen Zeitverzögerungen zwischen Austausch und erwartetem Effekt von 1 bis 6 Jahren. Sie setzt diese Zahlen in einen Zusammenhang mit den politischen Institutionen in den Heimatländern der Besucher, dem ökonomischen Entwicklungsstand und dem Vorhandensein von bewaffneten Konflikten. Sie benutzt gängige Datensätze zu Menschenrechten und Regimetyp für ihre Untersuchung.
Tatsächlich finde Atkinson entsprechende Korrelationen aber interessanterweise nicht für alle ähnlichen Variablen (ein Hinweis darauf, dass sie nicht aus ‘Versehen’ etwas anderes misst). Sie findet einen klaren Zusammenhang zwischen dem Respekt für Menschenrechte in einem Land und dem Ausmasses des Austausches. Kaum einen Zusammenhang gibt es hingegen mit dem Respekt der physischen Integrität der Staatsbürger in diesen Ländern. Der militärische Rahmen scheint auch wie in der dritten Hypothese stipuliert wesentlich besser im Erreichen dieser Ziele zu sein.
Die Resultate sind zweifelsohne interessant und Carol Atkinson liefert Daten zu etwas, das kaum wirklich getestet wurde trotz der grossen Popularität des Konzepts. Eine Frage die ich mir stelle ist, inwiefern sie vielleicht die Richtung des Zusammenhangs falsch interpretiert. Es fällt auf, dass je der Zusammenhang mit grösserem Zeitabstand kleiner wird. Dies könnte auch bedeuten, dass tendenziell Länder, die kurz vor demokratischen Reformen standen, eher an solchen militärischen (und zivilen) Programmen teilnahmen. Das würde auch erklären warum die militärischen Programme effektiver sind, da hier bestimmt ein grösserer politischer Faktor bei der Auswahl mit ins Spiel kommt. Atkinson zeigt aber auch, dass institutionelle Reformen in Richtung Demokratie nur bedingt relevant waren in ihren Korrelationen, was wiederum ihre These zu stützen scheint.
Besonders erwähnenswert finde ich, behält Atkinsion recht, dann hat das Erschweren von Austauschprogrammen (Visabestimmungen etc.) nach den Anschlägen vom 11. September 2001, die man in den USA beobachten konnte, dem sogenannten War on Terror einen Bärendienst erwiesen hat. Man darf auf die zukünftige Forschung in diese Richtung gespannt sein.
Atkinson, C. (2010). Does Soft Power Matter? A Comparative Analysis of Student Exchange Programs 1980-2006 Foreign Policy Analysis, 6 (1), 1-22 DOI: 10.1111/j.1743-8594.2009.00099.x
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