Ich habe festgestellt, dass meine Totschlagargumente-Serie nach nur zwei Einträgen schon aufgehört hat. Eine gute Serie besteht aber aus mindestens drei Folgen. Unter anderem auch wegen Zeitmangel zu profunderem, kommt hier eine weitere Folge in der Serie. Eine Serie, die bessere vermeintliche Totschlagargumente heissen sollte, weil diese wenn einmal durchschaut, eigentlich gar nicht mehr als ‘Argumente’ gelten dürften. Im dritten Teil der Serie geht es um Dichterzitate.
Fast jede Diskussion um Nicht-Evidenzbasierte Medizin, Astrologie oder ähnlichem bewegt sich über kurz oder lang auf den Punkt zu, an dem jemand Shakespeares Hamlet zitiert und zwar Akt 1, 5. Szene:
There are more things in heaven and earth, Horatio,
than are dreamt of in your philosophy.Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, Horazio, als in unserer Philosophie geträumt werden.
Um Shakespeare soll es nun nicht gehen. Etwas Kontext zu diesem Zitat findet sich hier von jemandem geschrieben, der sich über den Missbrauch genau dieses Zitats ärgerte. Es geht heute darum, was Shakespeare, Morgenstern (“weil nicht sein kann, was nicht sein darf”), Einstein (“Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt”) und die anderen üblichen Zitate in solchen Debatten tatsächlich bringen oder eben nicht.
Es muss zuerst einmal ganz klar gesagt werden: Solche Zitate belegen nichts. Im Grunde sind sie ein Appell an die Autorität des Intellekts einer anderen Person. Das heisst aber auch, dass diese Aussagen in einem spezifischen Kontext gemacht wurden (und wie im Beispiel von Shakespeare sogar fiktiven Charakteren in den Mund gelegt wurden). Nur weil Shakespeare fantastische Theaterstücke geschrieben hat, heisst das nicht, dass er belegt, dass Skorpione im April Bindungsängste haben. Nur weil Einstein ein genialer Physiker war, darf man nicht ein beliebiges Zitat von ihm heranziehen um diejenigen zu diskreditieren, die daran Zweifeln, dass Wasser ein Gedächtnis hat.
Nun stimmt es, dass im akademischen es durchaus üblich ist, auch literarische Zitate zu benutzen. Erlaubt es doch, eine gewisse Belesenheit zu demonstrieren und ist es eine ausgezeichnete Gelegenheit, sich als Nicht-Fachidiot zu präsentieren. Auch ich bekenne mich diesen kleinen Eitelkeiten manchmal schuldig. Das kann auch sehr nützlich sein. Solche Zitate können ein Leitmotiv durch einen Artikel bilden. Sollte es doch eine der Begabungen der Schriftstellerin und des Schriftstellers sein, Dinge so zu formulieren wie es Nicht-Mitglieder der schreibenden Zunft kaum zustande bringen. Das ist auch legitim. Solche Zitate belegen zwar nichts aber sie können illustrieren.
Es soll also niemand mit eigenen Worten paraphrasieren müssen, was schon einmal viel besser und viel schöner formuliert wurde. Das wäre eine Zumutung für Autor und Leser. Man soll aber ebenfalls zur Kenntnis nehmen, dass dies die Argumente nicht ersetzt. Es kann diese illustrieren, vielleicht ergänzen, aber bevor man mit Shakespeare sagt, dass es “mehr Dinge im Himmel und auf Erden” gäbe, muss man zuerst die im Zusammenhang gemeinten Dinge benennen und erklären. Dann kann man William zu Hilfe rufen. Hingegen einfach zu sagen, dies Dinge können ‘in unserer Philosophie’ nicht erträumt werden, bedeutet nichts, auch wenn es von Shakespeare sehr schön gesagt wurde. Oder in den Worten des Meisters:
it is a tale
Told by an idiot, full of sound and fury,
Signifying nothing.
(Macbeth Akt V, Szene 5)
In der Serie schon gebloggt:
Totschlagargumente I: “Glaube keiner Statistik”
Totschlagargumente II: Der Elfenbeinturm
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