Nach der Erstürmung der Schiffe die, zumindest gemäss eigener Aussagen, humanitäre Hilfe nach Gaza bringen wollten, rätsle ich immer noch über was genau passiert ist. Israels harsches Vorgehen ist schwer zu verstehen.
Fasst man kurz zusammen, was die Ereignisse die bis gestern waren, wird offensichtlich warum es gar nicht so einfach ist, sich einen Reim auf das Geschehene zu machen. Seit dem Wahlsieg der Hamas wurde der Gazastreifen abgeriegelt. Das ganze Gebiet wurde in eine Art Isolationshaft gesetzt. Nun beschliessen einige Aktivisten symbolisch die Blockade mit humanitären Hilfsgüter zu durchbrechen. Man bricht mit einer Flotte Boote auf, an Bord sind auch Parlamentarier verschiedener Länder und Journalisten mit Kameras.
Die zu Grunde liegende Strategie einer solchen Aktion ist offensichtlich zu provozieren. Man erhofft sich damit die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die Blockade von Gaza und die damit verbundenen Probleme für die Zivilbevölkerung zu lenken. Die Entscheidungsträger in Israel waren nun am Zug. In meinen Augen die logischste Reaktion in einem solchen Fall ist die Losung herauszugeben sich unter keinen Umständen provozieren zu lassen. Es sollte auf jeden Fall besser sein unter- statt überzureagieren.
Genau das Gegenteil scheint geschehen zu sein. Abgesehen vom tragischen Verlust an Menschenleben ist das Ereignis auch eine PR Katastrophe für Israel. Es entstand der Eindruck, Israel hat mit eiserner Faust zugeschlagen noch dazu in Gewässern die völkerrechtlich nicht in ihrem Hoheitsgebiet liegen. Die Details sind nach wie vor unklar. Es wurde wie bei solchen Vorfällen die die Streitkräfte in Israel betreffen ein Informationsembargo verhängt. Israel behauptet seine Soldaten seien angegriffen worden. Doch selbst die Rechtfertigungen von israelischer Seite sind ungewöhnlich schwach. Man spricht davon, dass israelische Soldaten mit “Knüppeln und Messern” angegriffen worden seien, dass (zwei) Schusswaffen im Spiel gewesen wären. Auch wenn das stimmt, ist die Anzahl (je nach Quelle) von ‘mindestens neun’ Toten (und wir werden wohl warten müssen um eine definitive Zahl diesbezüglich zu erhalten, die Tendenz scheint eher nach oben zu gehen) sehr hoch.
Israel steht nun im Kreuzfeuer der Kritik wegen seines Vorgehens und auch für seine diplomatischen Beziehungen war die Aktion ein Desaster. Die Verhältnismässigkeit wird schwer zu rechtfertigen sein. Dahinter steht vermutlich dieselbe Logik, die auch zur Abriegelung des Gazastreifens führte und Ursache für viel des Leides in der Region ist. Sicherheit ist eine absolute Priorität. Die ganze Zivilbevölkerung wird als Teil des Feindes betrachtet und der militärische Zweck heiligt so fast alle Mittel. So sieht sich Israel immer wieder im Widerspruch zu den Genfer Konventionen und der Kritik der Staatengemeinschaft ausgesetzt.
Auf einen anderen Aspekt, der in den internationalen Rufen nach einer Untersuchung und Betroffenheitskundgebungen unterzugehen droht, wies heute die International Crisis Group in einem Pressecommuniqué hin. Das Problem ist nämlich nicht nur durch Israel geschaffen, sondern wird teilweise auch durch die mehr oder wenige stillen Duldung der internationale Gemeinschaft mitgetragen. Statt das Hamas Regime zu schwächen trifft die Isolationsstrategie vor allem die Zivilbevölkerung. Die ICG schreibt:
The policy toward Gaza is in need of thorough re-examination. The US, EU and Quartet as a whole have been calling for relaxing the siege on Gaza. That is welcome, but opening the humanitarian tap is not an appropriate answer to a policy whose fundamental premise is morally callous and politically counter-productive. Instead, Gaza should be open to normal commercial traffic with adequate international end-use monitoring.
Die Politik gegenüber Gaza hat eine grundlegende Überprüfung nötig. Die USA, EU und das Quartett als Ganzes forderten eine Lockerung der Blockade von Gaza. Dies ist zwar zu begrüssen aber den humanitären Hahn zu öffnen ist keine angemessene Antwort auf eine Politik deren fundamentale Prämisse moralisch fragwürdig und politisch kontraproduktiv ist. Stattdessen sollte der Gaza für normalen Handelsverkehr geöffnet sein mit adäquater internationaler Überwachung des end-use der Güter.
Man muss hoffen, dass die jüngsten Ereignisse nun nicht nur Fingerzeigen auf Israel zur Folge haben, sondern auch ein Umdenken der internationalen Gemeinschaft als Konsequenz haben und das Embargo bald fällt. Nutzen bringt es nämlich niemandem und es kommt einer Kollektivstrafe für die Einwohner Gazas gleich.
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