Obwohl meine Kurzbeschreibung links relative Sportfreiheit verspricht, schaue ich mir auch Fussball WM Spiele an. Die WM ist aber nicht der Grund für die Stille im Blog, daran sind mehr die Vorbereitungen eines Auslandsaufenthaltes Schuld. Damit zoon politikon nicht vollständig stumm wird, wollte ich einen Gedanken zum Zwischenfall im französischen Nationalteam loswerden. Ich verpacke es auch in eine dünne Schicht Soziologie, nicht dass noch jemand auf die Idee kommt, dies sei nun ein Sportblog.

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Der Spieler Nicolas Anelka hat seinem Trainer während dem Spiel nachdem er von ihm Anweisungen erhalten hat, mit einer eher grobe Beschimpfungen geantwortet: “Va te faire enculer, sale fils de pute” (frei übersetzt: Fick dich in den Arsch du dreckiger Hurensohn!). Er wurde daraufhin vom Feld genommen und inzwischen auch nach Hause geschickt. Dies wiederum führte zu einer kleinen Revolte im französischen Team.

Nun sind die Worte von Anelka auch auf Deutsch (und vermutlich in jeder anderen Sprache) übersetzt sehr grob. Ich habe jedoch den Eindruck, dass auf französisch das ganze noch eine Stufe schlimmer ist. Ein Titel wie der hier abgebildet wird einige Franzosen zusammenzucken lassen haben. Auf Französisch gibt es neben der Sprache der Strasse eine sehr formelle Sprache. Dies ist natürlich nicht nur im Französisch der Fall, trotzdem scheint es mir dort ausgeprägter. Aus dem Französisch Unterricht weiss man vielleicht noch, dass man höflich Fluchen kann (“Zut alors…”) und sich bis vor noch gar nicht so langem sogar Ehegatten gegenseitig siezten. Auch nach über einem Jahrzehnt im französischsprachigen Raum fehlen mir immer noch die Floskeln um standesgerechtes Französisch zu schreiben (ich weiss aber inzwischen zu meiner Beruhigung, dass die breite Masse an Frankophonen auch daran scheitert). Vielleicht kann man das am ehesten verdeutlichen mit einem Beispiel aus den USA. Jon Stewarts Daily Show lebt unter anderem auch von regelmässigen Fluchen. Viele in den USA finden dies stossend, trotzdem erreicht Stewart ein relativ grosses Publikum mit seiner Show und spricht auch bessere gebildete Schichten an. In Frankreich würde das so vermutlich nicht funktionieren (aber ich muss auch gestehen schon lange keinen Fernseher mehr zu haben und darum weiss ich nicht, was sich in den letzten Jahren im französischen Fernsehen so getan hat).

Der ehemalige Schweizer Nationalcoach, Frankreich-Kenner, Elsässer und liebster Fussballexperte der Eidgenossen bringt diese Perspektive auf den Punkt (im Gegensatz zu den üblichen Sportanlaysen):

Viele Spieler einer gewissen Generation kommen aus den Banlieues, sie sprechen die Sprache der Cité. Sie haben gelernt, wie man einen Ball stoppt oder weiterspielt. Sie verdienen viel Geld. Aber sie haben nicht gelernt, was Respekt im Leben bedeutet. Menschlich haben sie keine Fortschritte erzielt.

Er stösst in ein ähnliches Horn wie damals als Präsident Sarkozy ein Teil der Jugend der Banlieus als Racaille bezeichnete (so in etwa “Pack”). Ich kann mir vorstellen, dass das Frankreich speziell trifft. Die Elitenkultur rechtfertigt sich unter anderem damit, dass sie sich, gestreng der Ideale der französischen Revolution, als Meritokratie sieht und will sich so auch gegenüber aristokratisch strukturierten Gesellschaften abgrenzen. Die soziale Mobilität ist aber nicht so gross und die Klassen nicht so durchlässig wie es der Mythos will.

Morgen gibt es dann wieder internationale Beziehungen. Wir wollen es mit dem Sport nicht übertreiben.