Gestern wurde in den USA gewählt. Es gab Vorwahlen in einigen Staaten für die Wahlen in den Kongress in denen Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahlen im November bestimmt wurden. Einig sind wohl ziemlich verkaterte aufgewacht. Entweder weil sie gester feierten oder weil sie nach verdutztem Augenreiben immer noch nicht glauben konnten was passiert ist.
Eine Überraschung passierte bei mir vor der Haustüre sozusagen. Sie ist interessant, weil sie gewisse paralellen aufweist zu Obamas Karriere. Der Mayor von Washington DC, Adrian M. Fenty, galt als aufstrebender Politstar, der mit 35 Jahren als jüngster Bürgermeister ins Amt gewählt wurde. Er zog energische Reformen durch und konnte durchaus Resultate vorweisen, zum Beispiel im Bereich der Schulreform. Doch sein Fall war ebenso brüsk wie sein Aufstieg. Es wird spekuliert (wissen kann man das aber vor Nachwahlbefragungen noch nicht), dass er sich von seiner Basis, wirtschaftlich schlechter gestellte Afroamerikaner zu sehr entfremdet hätte. Er wurde vom Präsidenten des Stadtparlamentes in den demokratischen Vorwahlen geschlagen (praktisch die Vorentscheidung im tiefblauen Washington DC). Die BBC diskutiert die Lehren die Obama aus dem Fall von Fenty ziehen kann. Man wird sehen ob er diese politischen Schlaglöcher umfahren kann.
Die zweite Überraschung passierte auf der anderen Seite des politischen Spektrums. Hier hat die sich lautstark bemerkbar machende Tea Party Bewegung in Vorwahlen durchgesetzt und sozusagen den Republikanern in den Fuss geschossen. Dies ist zu einem grossen Teil auch der eigene Fuss, da viele der Tea Party Sympathisierenden sich selber zur Republikanischen Partei zählen.
Das republikanische Desaster passierte im kleinen Staat Delaware wo eine gewisse Christine O’Donnell einen etablierten Kandidaten schlug. Es handelte sich um den Sitz des jetzigen Vizepräsidenten Joe Biden. Mike Castle, ein populärer schon einmal als Gouverneur gewählter Politiker, wurde von Christine O’Donnell mit 53% zu 47% deutlich abserviert. Sie erhielt im Vorfeld dieser republikanischen Vorwahlen Unterstützung unter anderem von der Tea Party und von Sarah Palin, die sich standhaft weigert, von der politischen Bildfläche zu verschwinden.
Das Problem mit O’Donnell ist, dass sie von der republikanischen Führung geächtet wurde (sie sei nicht einmal qualifiziert sich für das Amt einer Hundefängerin zu bewerben, meinte der Vorsitzende der lokalen republikanischen Partei) und in einem eher linkstendierenden Staat vermutlich keine Chance hat. Ihr Gegenspieler gilt als moderater Republikaner. Die Vorwahlen in Delaware schliessen aber nicht-Parteimitglieder aus (das ist nicht überall so). Das heisst, dass vor allem die aktivsten Elemente einer Partei wählen gehen. Diese sind in der Tendenz aber auch weiter bei den Extremen und von der Mitte entfernt. Das heisst, dass Kandidatinnen und Kandidaten gewählt werden, die in einem Zweiparteien-System kaum mehrheitsfähig sind. Darum stellt man häufig auch fest, dass die Kandidierenden in den Vorwahlen linker/rechter sind und sobald nominiert in die Mitte rücken.
Sogar der Kardinal Richelieu und Chefstratege der Bush Regierung und sicher jeglicher Linkstendenz oder gar Sympathien für die Demokraten freigesprochene Karl Rove insistiert auf O’Donnells Chancenlosigkeit. Selbst wenn sie Mehrheitsfähig wäre, wird sie damit ein ernsthaftes Problem haben, das nötige Geld zusammenzukriegen. Auch wird der Pulverdampf eines ziemlich schmutzig und persönlich geführtem Wahlkampf zwischen den Kandidierenden sich nicht so schnell verziehen. So hat die republikanische Partei einen Sitz, den sie sich fast auf sicher glaubte dank ihrer eigenen Basis nun schon in den Vorwahlen so gut wie verloren.
Die Tendenz scheint nicht in erster Linie gegen die demokratische Partei zu gehen. Sie scheint wirklich Anti-Establishement zu sein. Es hilft auch nicht, dass das schlechte Wahlstrategie macht.
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