Die USA haben eine Reisewarnung für ganz Europa erlassen. Sie raten zwar unternehmenslustigen US Bürgern nicht davon ab, nach Europa zu reisen, möchten diese aber zur Wachsamkeit anhalten. Die britische Regierung bestätigte eine angeblich erhöhte Terrorgefahr. Man darf sich fragen, was bringt eine solche Warnung?
Vermutlich sehr wenig. Sie ist, so habe ich zumindest einen starken Verdacht, nicht das Resultat einer Abwägung von Nutzen für alle, sondern von spezifischen Interessen und Anreizen. Grundsätzlich sind Informationen von Nachrichtendiensten selten klar. Es braucht immer sehr viel Interpretation und Risikoabwägung. Die grösste Kunst ist wohl nicht die Informationen zu kriegen, sondern sie richtig einzuordenen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.
Wenn nun Hinweise auf mögliche Anschläge eintreffen hat egal wie unsicher die Information ist, stellt dies eine Regierung vor ein kleines Dilemma: Sie gibt eine Warnung heraus oder nicht. Warnt sie vergebens, gibt es wohl im Wiederholungsfall etwas Schelte von den Medien und vor allem von der betroffenen Tourismusindustrie. Vielleicht gibt man durch eine Warnung gewisse Informationskanäle Preis. Warnt sie nicht und es passiert was, wird sie garantiert stark kritisiert, dass die Geheimdienste versagt hätten. Eine grobe Einschätzung zwischen diesen zwei Möglichkeiten zeigt, dass ein Hinweis vermutlich relativ wenig Glaubwürdigkeit haben muss um zu einer Warnung zu führen.
Die Warnungen des US Aussenministeriums sind aber sehr vage:
The State Department alerts U.S. citizens to the potential for terrorist attacks in Europe. Current information suggests that al-Qa’ida and affiliated organizations continue to plan terrorist attacks.
Das Aussenministerium macht US Bürgerinnen und Bürger auf mögliche terroristische Anschläge in Europa aufmerksam. Gegenwärtige Informationen weisen darauf hin, dass Al Kaida und damit in Verbindung stehende Organisationen, weiterhin terroristische Anschläge planen. (Eigene Übersetzung)
Dass Al Kaida weiterhin Anschläge plant, ist nicht gerade eine Offenbarung. Dass dies irgendwo in einem geographischen Gebiet mit der Bezeichnung ‘Europa’ stattfinden soll, ist ebenfalls nicht sehr hilfreich. Konkreter als ‘es werden aus Nordafrika und Pakistan ausgehend Anschläge geplant, aber die Gefahr ist nicht iminent‘ wurde es bisher nicht. Nun könnte man natürlich sagen, selbst wenn genauere Hinweise zur Verfügung stehen, sollte man sicher nicht zu grosszügig umgehen mit diesen, da die planenden Organisationen auf diese Information reagieren könnten. Dann frage ich mich aber, warum überhaupt warnen?
Was kann das Publikum mit dieser Warnung anfangen, ausser dass sich die Regierung absichert, falls etwas passiert auf die vorangegangene Warnung hinweisen zu können? Erhöhte Wachsamkeit über einen undefinierten Zeitraum, in Bezug auf eine nicht näher präzisierte Gefahr innerhalb eines unklar definierten und grossen Gebietes wie Europa, werden kaum die Detektionsrate für einen allfälligen Anschlag drastisch erhöhen, ganz zu schweigen von Verhindern helfen. Vermutlich wird dieser Effekt schon durch eine ganze Reihe von Fehlalarmen, die eine verängstigte Öffentlichkeit zwangsläufig auslösen wird (denn genau das heisst doch erhöhte Wachsamkeit), wieder neutralisiert.
Wir wissen natürlich nicht wissen, was für Informationen tatsächlich vorliegen und darum kann man über Sinn und Zweck nur spekulieren. Man muss aber davon ausgehen, dass die Hinweise vage sind, sonst könnte mit konkreteren Massnahmen gegen allfällige Anschläge viel effektiver vorgegangen werden. Am Ende schaffen solche Warnungen genau das Klima der Angst und das Belagerungsgefühl, welches die Herzensangelegenheit einer Terrororganisation ist. Sie braucht nicht einmal Anschläge zu begehen um Angst und Schrecken zu verbreiten. Dies steht mit Sicherheit in keinem Verhältnis zum Risiko einem solchen Anschlag zum Opfer zu fallen. Aber Terrorangst wird der Politik keine Stimmen kosten, im Gegenteil.
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