In den USA haben in kurzer Aufeinanderfolge zwei Journalisten wegen Bemerkungen ihre Posten verloren, die sie in Interviews mit anderen Medieninstitutionen gemacht haben. Der eine ist CNNs Rick Sanchez und der neuste Fall ist Juan Willams von NPR. Diese Fälle werfen ein paar interessante Fragen auf.
Sanchez verlor seinen Job weil er in einem Radiointerview folgendes über den Comedy Mann Jon Stewart sagte:
Yeah, very powerless people. [laughs] He’s such a minority. I mean, you know, please. What–are you kidding? I’m telling you that everybody who runs CNN is a lot like Stewart, and a lot of people who run all the other networks are a lot like Stewart. And to imply that somehow they, the people in this country who are Jewish, are an oppressed minority?
Ja, sicher, ganz machtlose Leute. [lacht] Er ist eine solche Minderheit. Ich meine nur…wissen Sie…aber bitte. Soll das ein Scherz sein? Ich sage Ihnen, dass alle die für CNN arbeiten sind weitgehend wie Jon Stewart. Und zu implizieren, dass die, die Leute in diesem Land die jüdisch sind, seien eine unterdrückte Minderheit? [Meine Übersetzung]
Daraufhin wurde er von CNN freigestellt.
Der neuste Fall ist der Fall von Juan Willams der als ‘Politischer Analyst’ von National Public Radio (NPR) arbeitete (ich kannte ihn vorher nicht, schätze aber in der Regel die Qualität einiger NPR Sendungen und nehme darum an, dass er dort gute Arbeit leistete). Er sagte auf FOX zu O’Reilly zum Thema Musliminnen und Muslime in den USA:
I mean, look, Bill, I’m not a bigot. You know the kind of books I’ve written about the civil rights movement in this country. But when I get on the plane, I got to tell you, if I see people who are in Muslim garb and I think, you know, they are identifying themselves first and foremost as Muslims, I get worried. I get nervous.
Schauen Sie Bill, ich mein ich bin keine bigotte Person. Aber wenn ich in ein Flugzeug steige, muss ich sagen, wenn ich Leute sehe, die muslimische Kleidung tragen, dann denke ich, wissen Sie, sie identifizieren sich selber zuerst und hauptsächlich als Muslime, das beunruhigt mich. Ich werde nervös. [Meine Übersetzung]
Auch er wurde gefeuert.
Vor allem in diesem neusten Fall kamen gleich die selbsternannten Retter der durch Politische Korrektheit ach so unterdrückten anonymen Masse aufs Parkett um aus Willams ihren neusten Märtyrer zu machen. Sanchez hatte damals vermutlich etwas weniger Glück, da er ein im Moment weniger dem Volksgefühl nachplapperte sondern mit seiner jüdischen Verschwörungstheorie bestenfalls Gruppen am (amerikanischen ganz) rechten Rand begeisterte, die auch nicht dem Standard der politischen Korrektheit der Konservativen entspricht. Die andere Seite grub gleich die Hacken tief ein und weist systematisch auf das unsägliche Zitat hin, welches Williams in einem zugegebenermassen nicht gerade neutralen Umfeld von sich gegeben hat. Viel Raum für eine nüchternere Betrachtungsweise blieb leider nicht (von den Blogs, die ich regelmässig lese, war Walt eine davon).
Um Meinungsfreiheit geht es meines Erachtens nur bedingt. Grundsätzlich und im Abstrakten gedacht, sollten zwar beide Aussagen nicht ein ausreichender Grund sein jemanden vor die Tür zu stellen. Hier geht es aber auch um die Frage inwiefern die Meinung der Beschuldigten in der Öffentlichkeit mit ihren Funktionen in Verbindung gebracht werden. Ist die Verbindung mehr oder weniger direkt, wird es zu einem redaktionellen Entscheid. In beiden Fällen stellt sich die Frage, inwiefern repräsentieren die beiden den Sender und in welcher Funktion geben sie ein Interview. Bei Personen die durch ihre Tätigkeit erst als Interviewee interessant werden, muss man diesen Zusammenhang wohl akzeptieren. Dann ist es in gewissem Sinne tatsächlich ein redaktioneller Entscheid ob diese Person noch tragbar ist für das Unternehmen oder nicht. Zumindest für Williams scheint es auch so als ob er den internen Ethik-Code verletzt hat.
Trotzdem wäre wohl mindestens eine Verwarnung angebracht. Wie Walt richtig bemerkt, alle machen Fehler und im schnellebigen und Soundbite versessenenen Medienbusiness hat man schnell einmal etwas Dummes gesagt (und dass beide Aussagen als “Dumm” zu werten sind, nehme ich einmal als gesetzt, auch wenn wohl damit der Thread später in Geiselhaft genommen wird). Gerade Sanchez stach nie gerade durch intelligente Berichterstattung hervor und das war wirklich nicht die einzige Dummheit, die er je von sich gegeben hat. Es ist etwas seltsam, dass er gerade jetzt den Hut nehmen musste. Glaubt man den Medienberichten sind aber solche in anderen Fällen für Sanchez und Williams schon ausgesprochen worden.
Eine öffentliche Entschuldigung zu verlangen wäre wahrscheinlich effektiver gewesen statt aus den beiden Märtyrer einer falsch verstandenen Meinungsfreiheit zu machen. Nun erhält Wiliams einen Vertrag über drei Jahre und zwei Millionen bei FOX. Diese Ehre bleibt Sanchez vermutlich verwehrt. Ein Grund dafür ist, weil sein Verhältnis zu FOX nie besonders war (ich habe den Verdacht mehr weil er dessen Berichterstattung persönlich nahm als dass es ihm um schlechten Journalismus gegangen wäre). Ein anderer ist wahrscheinlich auch, weil man auch auf FOX Seite solche Bigotterie gegenüber den Juden zu Recht inakzeptabel findet. Seltsamerweise ist es aber gegenüber den Muslimen ein Grund für einen drei Jahresvertrag über 2 Millionen.
Bildquelle (beide unterCC 2.0):
Rick Sanchez: David Berkowitz
Juan Williams: Pete Wright
Kommentare (30)