Foreign Policy widmet eine Story der Wahrnehmung der Tea Party Bewegung im Ausland (also zum Beispiel bei uns). Die Quintessenz ist, dass die Bewegung vor allem als eine Projektionsfläche zur Bestätigung von nationalen Klischees verwendet wird. So betont die Autorin eines Buches zur Tea Party, dass es sich um eine Art Bewegung handelt, wie sie in den USA in regelmässigen Abständen aktiv werden.
Der Artikel in Foreign Policy ist meines Erachtens etwas zu anekdotisch um wirklich Rückschlüsse auf die Wahrnehmung in Europa ziehen zu können. Die Aussagen scheinen sich auch auf wenige oder gar nur einen Artikel zu stützen. Gehen wir einmal davon aus, dass die Tea Party Bewegung zumindest als ein spezifisch US amerikanisches Phänomen wahrgenommen wird. Mir scheinen jedoch die Ähnlichkeiten mit der populistischen Europäischen Rechten doch frappant. Zumindest die mir am vertrautesten Partei aus dieser Ecke, die Schweizerische Volkspartei, könnte problemlos als Schweizerische Tea Party Partei durchgehen (nur dass man kostümiert nicht einen Bostoner Umstürzler mimen würde, sondern als Wilhelm Tell zur Demo ginge).
Ich habe mich also nach Definitionen umgesehen für populistische Rechtsparteien in Westeuropa. Eine sehr allgemeine, die ich gefunden habe, legt zwei Kriterien fest (Golder, Matt, Explaining Variation in the Success of Extreme Right Parties in Western Europe in Comparative Political Studies, Vol. 36 No. 4, May 2003 432-466). Diese sind Bewusst nicht Ideologie bezogen:
- Rechtspopulistische Parteien berufen sich aufs Volk. Man behauptet die Legitimität von diesem direkt zu beziehen (nicht selten mit radikal-direkt-demokratischen Forderungen) und nicht spezifische Interessen, sondern eben die breite Masse zu vertreten. (Golder 2003:446)
- Die Parteien positionieren sich gegen das System. Man kritisiert die Machteliten direkt und stellt deren Werte in Frage. (Golder 2003:447)
Mit dieser Definition könnte wohl die Tea Party (mal davon abgesehen, dass es sich nicht wirklich um eine Partei handelt) sehr gut miteingeschlossen werden.
Aber wie sieht es aus, wenn man eine Definition nimmt, die spezifische politische Themen beinhaltet? Eine weitere Definition, die ich gefunden habe, ist von Hans-Georg Betz aus dem Buch The New Politics of the Right. Er stellt drei Hauptkriterien:
- Es wird eine radikale Transformation des sozioökonomischen und soziokulturellen Status Quo gefordert. Es läuft auf einen Widerstand hinaus gegen was Betz den “Sozialdemokratischen Konsensus” nennt.
- Man pflegt den Populismus indem man den ‘gesunden Menschenverstand’ (Common Sense) des ‘einfachen Volkes’ bemüht. Man impliziert eine moralische Überlegenheit dieser Gruppe (vielleicht gerade weil sie eben ‘einfach’ sind), eine Art intuitive Weisheit. Das ganze wird meist auf Ressentiments gegen eine spezifische Gruppe von Feinden abgestützt (Betz identifiziert dies als eine der Hauptstrategien der neuen Rechten in Westeuropa).
- Man betont den Wert des Individuums in Funktion was dieses zur Gesellschaft beiträgt (z.B. ‘arbeitende Bevölkerung’ versus ‘Schmarotzer’, ‘Steurzahler’ versus ‘Asylsuchende’ etc.).
Auch diese Definition passt gut. Selbst der erste Punkt, der sich auf eine spezifische Europäische Parteienideologie bezieht, die Sozialdemokratie, kann leicht auf die Anti-Sozialistische Rhetorik übertragen werden, die sich gegen einen politisch kaum sehr links stehenden Präsidenten richtet. Das zweite Element scheint wiederum ein Kernelement auch bei der Tea Party zu sein. Auch der dritte Punkt ist vertreten, obwohl viele Anhänger der Tea Party eigentlich von Dienstleistungen profitieren, die sie anderen misgönnen, wie ein Artikel in Rolling Stone vor kurzem darlegte.
Thematisch gibt es sicherlich auch unzählige Überlappungen: Migration, nationale Werte, Kritik an der Bürokratie, Betonung der Rolle der Religion/Anti-Laizismus, die Forderung nach Steuersenkungen, Abbau des Sozialstaates und vieles mehr. Auch weitere andere Parallelen dürften zu finden sein: Zum Beispiel, dass sich Elemente aus der extremen (radikalen) Rechten durch diese Bewegungen angezogen fühlen, dass die etablierteren Parteien am Rechten Rand an genau diese Bewegungen verlieren, die Skurrileren Charaktere die solche Bewegungen anzuziehen scheinen, finanzielle Unterstützung durch einzelne Grossunternehmer (zumindest für die SVP trifft das zu), usw.
Der grösste Unterschied ist wohl, dass die Tea Party nicht zentral organisiert ist. Sie ist im Moment noch ein sehr loser Bund von verschiedenen regionalen Organisationen. Darum ist wohl auch die Bandbreite von Meinungen grösser. Die Wählerinnen und Wähler können alles darauf projezieren und man kann unliebsame Elemente einfach als nicht die Bewegung repräsentierend zur Seite wischen. Einige Themen werden wohl auch bewusst nicht überbetont: Zum Beispiel wie man zu den Überseeabenteuern der Armee steht, Migration und die Position in den US Kulturkriegen, da diese sich mit dem vorgeblich Anti-Etatistischen Grundton im Widerspruch stehen können. Natürlich tauchen diese Themen trotzdem auf und es ist zu vermuten, dass die meisten Tea Partiers am konservativen Ende des Spektrums sind. Es würde aber wohl zu einer Zereissprobe mit den libertären Elementen führen.
Es scheint mir aber auf jeden Fall als ob die Tea Party sehr viele Ähnlichkeiten mit der populistischen Rechten in Westeuropa hat. Es gibt also keinen Grund, den häufig zur Schau gestellten Irrsin vieler Tea Partier als typisch USA abzutun und zu belächeln (dieses Amerika ist nämlich nur ein Gerücht). In der Schweiz handelt es sich um die Partei mit den meisten Stimmen im Parlament.
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