Der US Präsident befindet sich gerade auf Asienreise. Es war absehbar, dass er für seine Abwesenheit gleich nach den verlorenen Kongresswahlen stark unter Beschuss kommen würde. Nun wurde auch noch ausgerechnet, dass die vermeintliche Flucht ins Ausland eine gigantische Summe von 200 (oder 100 je nach Quelle) Millionen pro Tag verschlingt. Man ist natürlich stinksauer. Nur ist die Zahl vermutlich frei erfunden, aber wer möchte sich schon ein gutes Gerücht durch Fakten vermiesen lassen.
Sekpsis ist um so wichtiger, wenn etwas intuitiv bestätigt was man schon lange weiss. Im Politikbetrieb ist es besonders verdächtig, wenn diese Information politisch genehme Verärgerung verursachen kann. Wie urbane Legenden entwickeln solche Gerüchte ein Eigenleben, welches sich ungeachtet der Fakten hartnäckig halten. So geschehen mit der Behauptung, die Reise von Obama würde 100 respektive 200 Millionen US Dollar pro Tag kosten (oder gesamthaft eine respektive zwei Milliarden).
So regte sich unter anderem die oft durch Faktenresistenz hervorstechende Abgeordnete Michelle Bachmann über diese unverschämten Kosten auf. Rechte Kommentatoren wie Sean Hannity, Rush Limbaugh und Glenn Beck stürzten sich natürlich gleich ebenfalls auf die Zahlen (mit einer inzwischen halbherzigen nachgereichten Korrektur, dass die Zahlen “umstritten” seien).
In den US Medien wurden die tatsächlich lächerlich hoch wirkenden Zahlen inzwischen als ziemlich unplausibel entlarvt. Die New York Times, CNN und MSNBC sind ihrer journalistischen Pflicht nachgegangen und haben nachgefragt. Um so seltsamer wirkt es, dass nun im deutschsprachigen Webraum, das gleiche Gerücht weiterverbreitet wird. Die Höhe der Zahl sollte eigentlich aufhorchen lassen und zu einer kleinen zusätzlichen Google Recherche animieren. So regt man sich bei Alles Schall und Rauch über die unverschämten Sicherheitskosten auf. Etwas, dass via Newsaggregator FACTS.ch sogleich unwidersprochen weiterverbreitet wird. Es bedient wohl auch bei uns eine intuitive Wahrheit, vermutlich jne über die irrsinnigen Sicherheitsvorkehrungen bei einer Reise des US Präsidenten.
Die genauen Zahlen kann nicht erhalten. Die New York Times rechnet aber folgendes vor und zeigt, dass schon 100 Millionen pro Tag kaum realistisch sind, 200 schon gar nicht: Die 12 tägige Afrika-Reise von Bill Clinton 1998 kostete gesamthaft 42.8 Millionen oder 3.6 Millionen pro Tag. Nicht eingeschlossen sind die Sicherheitskosten, da diese Geheim sind. Es ist unwahrscheinlich, dass selbst bei grosszügiger Auslegung, diese über 96 Millionen Dolar pro Tag betragen und ganz sicher nicht 196 Millionen. Der ganze Krieg in Afghanistan koste “nur” 190 Millionen pro Tag.
Was überhaupt nicht diskutiert wird ist, dass die Reise eigentlich schon lange vor den Wahlen geplant wurde. In Anbetracht des kritisierten gigantischen Aufwands ist dies auch logisch. Obama kann ja wegen den Wahlen die Staatsgeschäfte nicht einfach ruhen lassen. Ausserdem, wenn die Wählerinnen und Wähler ein Signal ausgesendet haben, dass sie mit dem nur langsamen wieder in Gang kommen der Wirtschaft unzufrieden sind, sollten sie vielleicht überlegen, ob die Asienreise von Obama vielleicht das Geld wert ist, dass sie verschlingt. Gemäss dem britischen Guardian ist es so, dass US Firmen Geschäfte von über 10 Milliarden US Dollars alleine aus Indien mit nach Hause nehmen werden, an denen rund 54’000 US Jobs hängen. Aber (erfundene) Ausgabenzahlen eignen sich besser zur Stimmungsmache.
Also liebe Bloggerinnen und Blogger. Es ist in Ordnung sich über Extravaganzen der Politik aufzuregen. Man sollte dabei aber auch skeptisch bleiben, auch wenn man sich bestätigt fühlt. Lieber noch ein bis zwei zusätzliche Quellen suchen, statt (vielleicht sogar unabsichtlich) eine spezifische politische Agenda zu stützen.
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