Gestern hat Obama die jährliche Rede zur Lage der Nation gehalten.

Es handelt sich um ein Stück Polittheater, dass seit Präsident Wilson jeder Präsident jährlich vor versammeltem Kongress mitspielt. Vorher wurde der Bericht meist als schriftlicher Rapport eingereicht (hier die vollen sieben Seiten vom ersten Bericht zur Lage der Nation überhaupt, verfasst von George Washington). Das ganze geht zurück auf einen Verfassungsartikel der verlangt, dass der Präsident von “Zeit zu Zeit” einen Zustandsbericht zur Lage der Nation abhält.

Politisch haben diese Reden meist nur einen sehr beschränkter Einfluss. Sie werden aber oft als Fenster betrachtet, durch welches man erspähen kann, was die Administration im kommenden Jahr so plant und wo sie meint, die Prioritäten setzen zu wollen. Trotz der Aufregung um die Rede bleibt das meiste kaum im politischen Kurzzeitgedächtnis hängen (wer erinnert sich zum Beispiel, dass Bush 2008 sich dem Klimawandel und dem Budget annehmen wollte?).

Ein Kabinettmitglied wird während der Rede unter präsidiale Schutzmassnahmen gestellt und hält sich an einem geheimen Ort auf, sollte der ganzen Landesführung, die sich im Capitol aufhält, etwas zustossen. Dies ist der sogenannte designated survivor. Angeblich gibt es auch eine Rumpflegislatur, die Bereitschaftsdienst hat.

Die Rede wird von grossen Teilen der Bevölkerung mitverfolgt (was den Anreiz zum theatralischen vermutlich für Politikerinnen und Politiker noch vergrössert). Manche nehmen es auch mit Humor, so geisterte gestern zum Beispiel ein Trinkspiel für die State of the Union Rede durchs Netz oder aber die Bingo Karten vom Atlantic. Unterhaltsam ist auch der historischer Rückblick, welche Wörter wie oft in der Vergangenheit in diesen Reden verwendet wurden. Hier ist die BBC und hier die New York Times am Wörter zählen.

Obama und das wusste man schon vor der Rede, hat von einem neuen Sputnik-Moment gesprochen. Eine Anlehnung an die Schockwelle von 1957 als die Sowjetunion einen Satelliten ins All Schoss der die Erde umkreiste. Diese Zeichen der technischen Überlegenheit, welches man am Nachthimmel vorbeiflitzen sehen konnte, schreckte die USA auf und war nicht nur der Anfang einer Innovationswelle, sondern auch des Wettlaufs ins All. Eine schöne rhetorische Idee von Obamas Redenschreiberlingen.

Hier ist die Rede als Wortwolke (mit Wordle produziert):

SOTU.jpg

Kommentare (8)

  1. #1 KommentarAbo
    Januar 26, 2011

  2. #2 Alexander Stirn
    Januar 26, 2011

    Interessant (wenn auch nicht überraschend) fand ich ja, dass der POTUS die alte Raumfahrt-Rhetorik herauskramt (“Sputnik-Moment”, “Apollo-Projekte der heutigen Zeit”), gleichzeitig die aktuelle Raumfahrt aber nicht als Innovationstreiber sieht – im Gegensatz zu Biomedizin, Information, sauberer Technologie.

  3. #3 MJ
    Januar 26, 2011

    Ich weiss nicht, was Obamas “Basis” zur SOTU-Rede sagt, aber zumindest liberale Kommentatoren, die er ohnehin schon seit laengerem vergrault hat, scheinen wenig angetan zu sein und sehen eher uninspirierten Wurstsalat als die Energie, die ihn zum Praesidenten gemacht hat. Paul Krugman sagt schlicht und woertlich “Meh” und sieht sowieso einen Denkfehler in der Themensetzung. Brad Delong hat das ganze nicht einmal wirklich erwaehnt. Ezra Klein sieht auch eher uninspiriertes Geplaudere mit Verweisen auf falsche und sinnlose Zielsetzungen. Blog-Netzwerke wie correntewire haben ohnehin schon lange nichts GUtes mehr ueber Obama zu sagen, auch nicht ueber diese Rede; Atrios bei eschatonblog hat lediglich gepostet, das in SOTUs nicht interessieren – und auch dieser hat daran nichts geaendert. Und haetten sich nicht Bachmann und Ryan in ihren Reaktionen mit derartig dummen Falschaussagen komptromittiert, wuerde wahrscheinlich gar niemand davon reden.

    Irgendwie haba ich zur Zeit den Eindruck, dass sich Obamas Wiederwahlchancen, die z.Z. ja gar nicht so schlecht aussehen, einzig und allein auf den Mangel an IRGENDeinem anderen potentiell waehlbaren Kandidaten stuetzen. Kann sich noch jemand erinnern, dass ihn eine “Hope”- und “Yes we can!”-Welle, die er hoechstselbst personifiziert hat, ins Amt gebracht hat? Das beste, was er jeztz schafft, ist keine Reaktion hervorzurufen.

  4. #4 Alexander
    Januar 27, 2011

    Wordle ist nicht, um solche Sachen zu veranschaulichen: 2-fache Worthäufigkeit führt zu 4-facher Wortfläche (Breite mal Höhe), verschärft dadurch, dass Wörter unterschiedlich viele Buchstaben haben. Diese Umsetzung in eine Visualisierung kann daher stark verfälschen.
    Aber trotzdem danke, weil dieses Wordle schön zeigt, wie inhaltsleer die Rede ist: America, american, americans, people, new, make, years …
    Bleibt mir nur zu sagen: Where is the beef?

  5. #5 Alexander
    Januar 27, 2011

    spendiere für meinen ersten Satz noch ein “geeignet”

  6. #6 mrbaracuda
    Januar 29, 2011

    Mein Gott Ali, bestechende Analyse der Rede. Dein Blog wird immer besser.

  7. #7 ali
    Januar 29, 2011

    @mrbaracuda

    Dasselbe gilt eindeutig auch für deine Kommentare. Sie dienen mir als leuchtendes Vorbild.

    (Guggst du übrigens hier. Ganz zum PS runter scrollen.)

  8. #8 mrbaracuda
    Januar 29, 2011

    Solange wir uns da einig sind, ist doch wunderbar.
    (Ich weiß. Was interessiert’s.)