Letzten Oktober hat James Zogby (der Bruder von John Zogby, Gründer des Meinungsforschungsinstituts Zogby International) in einem Gastbeitrag bei Informed Comment sein Buch Arab Voices vorgestellt. In Anbetracht der Diskussionen, die wegen der Ereignissen in Ägypten und Tunesien nun wieder in Gang gekommen sind, möchte ich diesen aus der Blogmottenkiste holen. Er beschreibt in diesem Eintrag, was er die “fünf Mythen” zur arabischen Welt nennt.
Das Buch vom letzten Jahr basiert (und ich habe es nicht gelesen sondern stütze mich auf seinen Blogpost) auf Umfrageergebnissen in der arabischen Welt. Diese fünf Punkte sollte man auf jeden Fall im Hinterkopf behalten, bevor man sich in eine Diskussion über die politische Zukunft dieses grossen geographischen Raumes stürzt. Zu oft werden Argumente alleine auf der Basis von einem schlecht definierten “Wir” und einem mehr oder weniger erfundenem “die anderen” vorgebracht. Die Leute über die man diskutiert fragt man nicht nach ihrer Meinung und das aus der eigenen (oft selektiven) Zeitungslektüre entstandene unbestimmte Gefühl ersetzt echte Daten.
Hier also Zogbys fünf Mythen:
1. Alle Araber sind gleich und können darum auf eine Kategorie reduziert werden.
Die arabische Welt ist gemäss den Umfragen stark fragmentiert und sehr divers. Nicht nur finden man über den ganzen Raum grosse Variabilität in Meinungen, sondern auch viele klare kulturellen Abgrenzungen. Ausserdem und das ist auch im Hinblick mit den Revolten in Tunesien und Ägypten interessant, findet man einen starken generationellen Unterschied mit einer jüngeren Generation die von der Globalisierungswelle mitgerissen wurde.
2. Die arabische Welt ist so divers, dass das Etikett bedeutungslos ist.
Es gibt durchaus ein Identifikationselement innerhalb der arabischen Gemeinschaft. Ein Element in einer wohlgemerkt vielschichtigen (man kann schliesslich auch Bayer und Deutscher gleichzeitig sein) Identität ist die gemeinsame Sprache (ich werde als neutraler Schweizer hier meine Bayern-Analogie vielleicht besser nicht weiterverfolgen) sowie die gemeinsame Geschichte. Zur Zeit der Umfrage schien vor allem die Sympathien für das Schicksal der irakischen und palästinensischen Bevölkerung verbindend zu sein. Letzteres halte ich für besonders interessant, werden doch die Palästinenser von arabischen Regimes keineswegs immer sehr gut behandelt.
3. Die Araber sind wütend, hassen uns und “unsere Werte”.
Dieser Punkt bringt Zogby vor allem von einem amerikanischen Standpunkt ein, ich denke aber, dass diese Klischee Vorstellung auch in Europa weit verbreitet ist. Wie auch immer, gemäss den Umfragen von Zogby bewundert eine Mehrheit der arabischen Welt die USA und bringen dieser Gesellschaft viel Respekt entgegen. Sie können sich auch für “Freiheit und Demokratie” begeistern (was inzwischen vielleicht weniger überraschen mag). Ablehnung ist in Bezug auf die Politik die ihnen gegenüber betrieben wird und die signalisiere, dass man für die arabische Welt wenig Sympathie hat. Anscheinend beruht dieses Missverständnis auf Gegenseitigkeit und viele meinen, dass der Westen sie hassen müsse.
4. Araber sind von religiösem Fanatismus getrieben.
Lokale Religion spielt in der arabischen Welt eine wichtige Rolle, genau so wie sie in vielen westlichen Gesellschaften einen wichtigen traditionellen Platz einnimmt (ob man das jetzt gut findet oder nicht). Araber gehen im Schnitt nicht häufiger in die Moschee als man in den USA Kirchen besucht. Man schaut gleich (wenig) häufig religiöse Sendungen im Fernsehen und die Geschmäcker sind sehr verschieden. In Ägypten, Marokko und Saudi Arabien mochte man am liebsten Spielfilme und Seifenopern und nicht etwa das Wort zum Freitag.
5. Araber wehren sich gegen Reformen und werden sich erst ändern, wenn der Westen sie dazu nötigt.
Diese Vorurteil ist wohl seit letztem Oktober schon etwas überholt, schwingt aber genau betrachtet noch in vielen Argumenten mit. Die Umfragen haben gezeigt, dass man sehr wohl Reformen möchte. Man möchte aber nicht vom Westen diktierte Reformen sondern die eigenen. Die Prioritäten die angegeben wurden waren: Arbeitsplätze, bessere Gesundheitssysteme und besser Ausbildungsmöglichkeiten. Man verbittet sich eine Einmischung ist aber gerne bereit Unterstützung entgegen zu nehmen. Klingt alles irgendwie bekannt.
Kommentare (15)