Vorgestern habe ich über die Stellungnahme der Karl und Veronica Carstens Stiftung zur Aktion 10:23 berichtet und ein wenig über deren Zustandekommen spekuliert. Inzwischen habe ich eine Antwort vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Ich schreibe diesen Eintrag trotz prompter Antwort der Pressestelle des BfArM erst heute, da ich auf die erste Antwort, die ich erhielt noch nachfragen musste (und die Zeitverschiebung kümmerte sich um den Rest). Mir wurde dort freundlich per E-mail Auskunft erteilt.
Mich interessierten drei Fragen in Hinblick auf meine Spekulationen im Eintrag vom 7. Februar: Erstens, wie war der von der Carstens-Stiftung zitierte Positionsbezug des BfArM zustande gekommen und für wenn war er bestimmt. Zweitens wurde (falls es soetwas überhaupt gibt) ein formelles Verfahren eingeleitet und verfolgt das BfArM aktive die Frage ob es sich bei der 10:23 Aktion um eine ungenehmigte Arzneimittelprüfung handelte. Drittens wollte ich wissen, inwiefern eine Arzneimittelprüfung Bewilligungspflichtig sein kann für “Arzneimittel” die gar nicht einer Prüfungspflicht unterliegen.
Die Antwort auf die erste Frage war eindeutig:
Diese Stellungsnahme hat die Pressestelle des BfArM im gleichen Wortlaut im Rahmen einiger weniger redaktioneller Anfragen – und auf Anfrage auch gegenüber der Karl und Veronika Carstens-Stiftung – abgegeben.
Die Pressestelle des BfArM hat als nur auf Anfragen reagiert. Deren Inhalt kennen wir natürlich nicht und wir werden es wohl kaum je herausfinden, wer die Idee einer bewilligungspflichtigen Arzneimittelprüfung ins Spiel gebracht hat. Das BfArM schien am Thema Homöopathie und der Aktion 10:23 im Allgemeinen wenig interessiert zu sein (und wer kann es ihnen verübeln).
Dies zeigte sich auch bei meiner Nachfrage, ob ein formelles Verfahren eingeleitet worden sei:
Die o.a. Einschätzung, ob es sich möglicherweise um eine klinische Prüfung gehandelt haben könnte, zielt auf die Tatsache ab, dass wir dies auf Basis des uns vorliegenden Erkenntnis-Materials nicht bewerten können. Dies gilt insofern unverändert, als unseres Wissens z.B. keine aussagefähigen Presseberichte vorliegen, die eine Einschätzung möglich machen. Uns liegen daher keine Informationen über eingenommene Präparate, Teilnehmerzahlen und sonstige Rahmenbedingungen der Aktion vor.
Ich habe dann nochmals nachgefragt um sicher zu sein, dass das bedeutet, dass die Sache nicht aktiv vom BfArM weiterverfolgt wird:
Voraussetzung für eine generelle Bewertung ist das Vorliegen belastbarer Informationen, die verlässlich darauf hinweisen, dass es sich um eine klinische Prüfung gehandelt haben könnte. Nur auf Basis einer solchen fundierten Einschätzung kann das BfArM weitere Maßnahmen anstoßen.
Wie bereits erwähnt, liegen uns in diesem Fall keine entsprechenden Informationen vor.
Auch sehen wir keine Möglichkeit, diese Informationen zu beschaffen.Zudem liegen auch kaum Medienberichte vor, die wir dahingehend auswerten könnten.
Insofern haben wir derzeit keine Grundlage für eine Einschätzung – und damit auch keinen Anlass für weitere Untersuchungen.
Anfragen dazu würden derzeit “ausschliesslich aus dem Umfeld der GWUP” an das BfArM gestellt. Ich gehe davon aus, das bedeutet, dass die Carstens-Stiftung und Homöopathie-Interessenverbände mit dem Statement zufrieden waren und die Sache nicht weiterverfolgen wohl im Wissen, dass dies kontraproduktiv sein könnte (man erinnere sich an die Verleumdungsklage der britischen Chiropraktiker, die in einem unerwarteten Rückkoppelungseffekt plötzlich jede vierte Praxis zum Gegenstand einer Untersuchung wegen irreführender Werbung machte).
Aber als öffentliche Institution ist das BfArM gerne bereit zu kooperieren sollte jemand der Meinung sein, dass da tatsächlich eine nicht genehmigte Arzneimittelprüfung unter freiem Himmel stattfand.
Selbstverständlich greifen wir Hinweise Dritter gern auf und prüfen diese sorgfältig. Auch dies ist aber derzeit nicht der Fall. Unser Eindruck ist vielmehr, dass es derzeit ein nur sehr begrenztes öffentliches bzw. Medieninteresse an dieser Aktion gibt.
Der Ball liegt also bei der Carstens-Stiftung. Ich zweifle sehr daran, dass sie ihren Bedenken auch Taten folgen lassen werden. So viel Aufhebens möchte man dann um die Aktion wohl doch nicht machen. Es könnte schliesslich plötzlich doch jemand genauer hinschauen.
Auf meine letzte Frage, ob es unabhängig von der konkreten Aktion eine Bewilligungspflicht für Arzneimittelprüfungen geben könne, wenn diesen doch für ihre Zulassung keine Arzneimittelprüfung benötigen (warum führt der Versuch einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Homöopathie und Co. immer zu solchen Absurditäten?) fiel die Antwort ähnlich aus. Verständlicherweise wollte man sich nicht zu einem hypothetischen Fall äussern. Dass BfArM meinte
dass wir Initiatoren entsprechender Aktionen, bei denen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann, dass es sich möglicherweise um eine klinische Prüfung handelt, empfehlen, sich im Vorfeld mit den zuständigen Behörden in Verbindung zu setzen. Erfahrungsgemäß ist diese Thematik in jedem Einzelfall zu prüfen und lässt sich nicht pauschal anhand nur sehr weniger Eckpunkte oder etwa der Fragestellung Homöopathie/nichtHomöopathie entscheiden.
Das heisst vermutlich: Es gibt Homöopathische Potenzen wo tatsächlich noch Ursubstanz enthalten ist (das wären dann gemäss reiner Lehre extrem schwach wirkende Homöopathika). Die kann man dann logischerweise auch überdosieren und darum kann man sich nicht pauschal äussern.
Aber die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 10:23 Aktion haben wagemutig vom vermeintlich Stärksten geschluckt und das in Unmengen. Sie sind schliesslich keine Warmduscher. Sollte also bei den Initiatoren doch plötzlich Zweifel aufkommen, dass ihre C100 Potenzen eventuell tatsächlich richtig starker (Milchzucker-)Stoff sind, sollten sie vor der nächsten Aktion sich mit dem BfArM in Verbindung setzen. Ich vermute mal man wird dort nicht bremsen. Oder vielleicht gar eine Bewilligung für einen Versuch aussprechen. Zum Glück trinke ich meinen Tee ohne Zucker, sonst wäre ich glatt versucht die Zeit des BfArM noch einmal zu beanspruchen.1
1Das BfArM hat übrigens in seiner zweiten Antwort mir (warum weiss ich nicht genau, aber ich vermute sie haben hier im Blog vorbeigeschaut) angeboten, dass “[d]as BfArM den verantwortlichen Initiatoren gern zur Beantwortung von Fragen zur Verfügung [steht]. Auf diese Weise können meist schon im Vorfeld Unsicherheiten und Spekulationen vermieden werden und für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verlässliche und transparente (…) Rahmenbedingungen geschaffen werden.” Vielleicht ein Angebot, welches man fürs nächste mal tatsächlich wahrnehmen möchte. Was die Carstens Stiftung dann wohl noch dazu zu sagen hätte?
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