Am letzten Samstag haben um 10.23 Skeptikerinnen und Skeptiker in mehreren Ländern in eine wagemutigen Selbstversuch eine “Überdosis” Homöopathika geschluckt, um so mit einem Augenzwinkern darauf hinzuweisen, dass Zuckerkügelchen, auch wenn sie mit geschütteltem Wasser in Berührung kamen, harm- und wirkungslos sind. Nun würde angeblich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) prüfen, ob es sich um eine genehmigungspflichtige Arzneimittelprüfung gehandelt hätte.
Florian hat über die Aktion schon berichtet und bei Ulrich findet sich eine schöne Medienrundschau dazu. Dank der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V. (GWUP) wurde ich auf einen YouTube Clip hingewiesen, der offensichtlich von Homöopathie zugeneigten ins Netz gestellt wurde (sieh Ende des Eintrags). Darin erwähnt eine Frauenstimme aus dem Off, dass das BfArM überprüfen würde, ob es sich bei der Aktion gar um eine nicht genehmigte Arzneimittelprüfung handeln könnte.
Das hat mich natürlich interessiert. Offensichtlich behauptet dies die Karl und Veronica Carstens-Stiftung in einer Stellungnahme. Wenn sie denn unbedingt mehr Aufsehen um die Aktion machen möchten, bitte. Tatsächlich zitieren sie darin das BArM wie folgt:
Aussage des BfArM zur Aktion 10:23
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) empfiehlt Patientinnen und Patienten ganz grundsätzlich, mit Arzneimitteln verantwortlich umzugehen. Insbesondere mit Überdosierungen können mögliche gesundheitliche Risiken verbunden sein. Aus Sicht des BfArM tragen Aufrufe, Arzneimittel in Überdosierungen einzunehmen, nicht zur Aufklärung und Sensibilisierung von Patientinnen und Patienten bei.
Ob es sich bei der Aktion möglicherweise um eine genehmigungspflichtige klinische Prüfung handeln könnte, können wir aufgrund der zurzeit nur sehr begrenzt vorliegenden Informationen noch nicht abschließend bewerten. Gleichwohl werden wir die Situation auf diese Fragestellung hin weiter überprüfen, um bei Bedarf Maßnahmen zur Sicherheit von Patientinnen und Patienten anstoßen zu können.
Ich vermute anhand der eher zweideutigen Formulierungen und der Tatsache, dass dieser Text nirgends unter den Pressemitteilungen des BfArM zu finden ist, dass es sich um direkte Korrespondenz mit der Carstens-Stiftung handelt und nicht um eine öffentliche Stellungnahme des BfArM. In der sonst gut mit Links bestückten Mitteilung der Carstens-Stiftung fehlt eine Quellenangabe dazu. Es wird auch nicht präzisiert in welchem Kontext diese Stellungnahme erfolgte. Der Text (oder vermutlich eher der Ausschnitt) klingt stark nach einer diplomatischen Antwort auf eine suggestive Anfrage der Carstens-Stiftung. Dies dann als Stellungnahme des BfArM rauszuposaunen wäre doch ein bisschen frech.
Hinweise, dass es eben keine offizielle Stellungnahme war sondern eine direkte Antwort, finden sich mehrere. Zuerst einmal die einleitend allgemein gehaltene Zustimmung. Man ist schliesslich höflich und wer ist schon nicht “grundsätzlich” für einen verantwortungsvollen Umgang mit Medikamenten? Dann ist dieses “wir werden wir die Situation auf diese Fragestellung hin weiter überprüfen”. Zumindest in der Diplomatie ist “wir werden die Vorwürfe prüfen” oft nicht mehr als eine Abwimmlungsstrategie (Direktheit ist in einem solchen Fall kontraproduktiv). Dann wirkt es stark so, als ob der eigentliche Vorwurf der fehlenden Bewilligung und dass es sich um eine Arzneitmittelprüfung handeln könnte, vorher von der Carstens-Stiftung (oder wer auch immer korrespondierte) ins Spiel gebracht wurde. Warum sonst sollte man sonst einerseits einen sehr spezifischen Vorwurf haben andererseits darauf hinweisen, dass bei den “zurzeit nur sehr begrenzt vorliegenden Informationen noch nicht abschließend” bewertet werden könnte.
Sollte sich mein Verdacht bestätigen (ich habe beim BfArM nachgefragt und werde euch hier versuchen auf dem Laufenden zu halten) wen würde es erstaunen, kommen einem diese Taktiken doch bekannt vor: Man versteckt sich hinter Autoritäten, dreht die Dinge zurecht, lässt weg was nicht reinpasst und kommt am Besten nie mehr auf die Sache zurück (gelobt sei das öffentliche Kurzzeitgedächtnis!). Abgesehen davon, selbst wenn es sich um eine nicht-genehmigte Heilmittelprüfung gehandelt haben sollte, dann ist das vielleicht juristisch ein Problem. An der Wirkungslosigkeit der Homöopathika ändert dies nichts. Oder haben wir letzten Samstag etwa ein paar Skeptikerinnen und Skeptiker verloren?
P.S.: Ich werde es hier natürlich auch erwähnen, sollte ich falsch gelegen haben, das ist Ehrensache.
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