Hier im Blog wechseln sich politikwissenschaftliche Texte mit politischen Kommentaren ab. Manchmal sind die Grenzen zugegebenermassen fliessend. Ich schreibe nun heute aber einen Eintrag zur Guttenberg Affäre, ganz explizit nicht als politischen Kommentar sondern als Wissenschaftler. Politkommentare findet man im Moment im Übermass, akademisches leider seltener und zu oft werden diese Ebenen im vorliegenden Fall vermischt.
Es gibt sie natürlich, die politische Dimension der Affäre. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen (und bei aller Vorsicht keine Vorverurteilungen zu machen, die Belege scheinen erdrückend) dann steht wohl auch Guttenbergs Ministerposten zur Diskussion. Ich halte dies aber für eine unabhängig zu führende Diskussion. Die Fragen ist dann wohl inwiefern jemand der sich einen Titel erschwindelt hat als Politiker noch glaubwürdig ist. Ich glaube nicht, dass es etwas an seinen Fähigkeiten als Minister ändert (ganz egal wie man zu diesen steht). Man könnte argumentieren, dass er als unehrlich dasteht und/oder nicht als Vorbild dienen kann sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten. Was die Konsequenz ist, wäre vermutlich in jedem Land anders. In den USA wäre ein Rücktritt wohl unausweichlich, ich vermute ein Schweizer oder ein Italiener würde es aussitzen können. Dies ist aber eine andere Diskussion und ich muss sagen, eine die mich im Moment wenig interessiert.
Was heute zwischen politischer Schadenfreude zur Linken und Abwehrreflexen zur Rechten unterzugehen droht ist, das das Problem zu aller erst eines der Glaubwürdigkeit der Wissenschaft ist. Plagiat ist im Wissenschaftsbetrieb kein Kavaliersdelikt. Es ist absolut verboten sich fremde Idee anzueignen ohne dies zu deklarieren. Ein Tabu, am ehesten mit einer Todsünde zu vergleichen (und ich greife wirklich nicht schnell zu religiösem Vokabular).
Von meinem Institut zum Beispiel kann man wegen Plagiarismus in Funktion des Schweregrades gar verwiesen werden. Die Mindeststrafe ist die Note 0 (wohlgemerkt die blosse Anwesenheit an einer Prüfung gibt schon die Schweizer Tiefstnote 1) und mir sind Fälle bekannt, die nicht eine Doktorarbeit betrafen und zu einem Verweis führten. Für diese Strenge gibt es gute Gründe und dieser Massstab muss meines Erachtens auch bei Guttenberg angelegt werden.
Wissenschaft ist über weite Strecken selbstregulierend. Sehr viel funktioniert auf der Basis von Vertrauen. Transparenz ist zwar zentral kann aber nur zu einem gewissen Grad vor Missbrauch schützen. Peer Review zum Beispiel kann helfen zu verhindern, dass schlecht gemachte Arbeiten nicht veröffentlicht werden. Kritik hilft oft die Spreu vom Weizen zu trennen. Ungenaues arbeiten, das systematische Suchen nach statistischer Signifikanz, selektives zitieren, zur Seite schieben von negativen Resultaten oder post hoc Hypothesen bilden sind alles unschöne akademische Sünden, die aber im existierenden Kontroll-System kurze Beine haben. Was ein Selbstregulationsmechanismus aber schlechter detektieren kann ist, wenn absichtlich betrogen wird. Das Fälschen von Resultaten (wie hier auch schon diskutiert) oder eben Plagiat (besonders wenn es etwas geschickter gemacht wird) ist schwierig festzustellen. Dies untergräbt aber fundamental die Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Arbeiten. In nicht-naturwissenschaftlichen Fächern, wo das Reproduzieren von Resultaten eher selten ist (und ich nehme an in Fächern wie Jura gar nicht vorkommt) ist dieses Vertrauen in die Ehrlichkeit der Autoren um so wichtiger. Ohne dieses Vertrauen verliert Wissenschaft ihre Glaubwürdigkeit und das System bricht zusammen.
Einzelne können natürlich das so funktionierende System ausnützen. Solange nur wenige nicht mitmachen, behält ihre Arbeit den Wert, da das System im Ganzen weiterhin korrekt funktioniert. Erst in der Masse entsteht das Problem. Was kann man also in einem System, dass auf Selbstkontrolle beruht, tun um solche Missbrauchsfälle zu verhindern? Die beste Möglichkeit ist eben sie mit einem Tabu zu belegen, rigoros gegen Verstösse vorzugehen und keinen Zweifel daran zu lassen, dass dies nicht einmal Ansatzweise akzeptabel ist. Man deklariert ein Verstoss des Tabus eben zur Todsünde. Nur so ist der Preis hoch genug, dass man auch bei geringem Risiko entdeckt zu werden, dieses trotzdem nicht eingehen möchte. Dies gilt unabhängig davon wie prominent oder unbedeutend jemand ist, ob er oder sie politisch links oder rechts steht.
Die Faktenlage scheint relativ klar. Ich stütze diese Urteil auf die Textstellen, die ich gesehen habe. Meines Erachtens kann weder mit Fehlern oder Vergesslichkeit das Ausmass oder die Art der doppelten Textstellen plausibel erklärt werden. Ohne mich zu den politischen Konsequenzen äussern zu wollen, glaube ich sind die akademischen eindeutig. Es bleibt zu hoffen, dass die zuständigen Institutionen nicht davor zurückschrecken werden diese zu ziehen, aus Angst sich selber bloss zu stellen. Damit wäre der Wissenschaft ein schlechter Dienst erwiesen.
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