Ich habe gerade ein paar (hoffentlich wohlverdiente) Tage Urlaub, darum die Funkstillle im Blog trotz der überstandenen Deadline. Ich besuche hier gerade Freunde an der Westküste in Portland, Oregon. Wer sich einmal auf meine Profilseite hier auf Scienceblogs.de verirrt hat, weiss, dass ich ein begeisterter Brettspieler bin. Neben ein paar exzellenten Mikrobrauereien bescheren mir diese eine zweite Beschäftigung hier in Portland, da meineFreunde ebenfallls Brettspiel-Geeks sind.
Ich glaube es ist mehr als Zufall, dass ein Politikwissenschaftler eine Schwäche für Brettspiel entwickelt. Bei etwas anspruchsvolleren Autorenspielen steckt nämlich einige Konzepte die auch in den Politikwissenschaften und internationalen Beziehungen relevant sind drin. Hier eine sicher nicht abschliessende Liste von solchen Aspekten, die ich spontan zusammengestellt habe, mit Spiele-Exempeln, die vor allem von den in den letzten Tagen gespielten Spielen beeinflusst sind und daher ebenfalls weder Anspruch auf Vollständigkeit noch auf irgendeine Endgültigkeit haben. Vielleicht kommen in den Kommentaren noch weitere dazu.
Verhandlungstheorie: Von einfachen Bietmechanismen (z.B. wer macht das erste Angebot) bis zu psychologischen Tricks (z.B. Produzieren ovn Schuldgefühle) bieten viele Spiele eine ausgezeichnete Spielwiese zum Ausprobieren von Verhandlungstaktiken und dem Beobachten von Menschen in Verhandlungssituationen. Verhandlungen, die sich oft gar nicht so sehr von einer UN-Sichergeitsrat Verhandlung unterscheiden (ein Spiel wo man gut auch mit psychologischen Tricks verhandeln kann wären die Siedler von Catan).
Wahrscheinlichkeit: Viele Spiele enthalten ein Glückselement, aber gerade dieses kann einem auch den Sinn für Wahrscheinlichkeit schärfen. Karten- oder Würfelglück sind oft ein wichtiger Bestandteil. Auch ein Anfänger mag den Profi daher in einem einzelnen Spiel schlagen. Der echte Geek zeigt aber, dass sich das wahre Können über eine grössere Zahl von Spielen zeigt (ein nicht klassisches Beispiel hierfür wäre, um Poker nicht erwähnen zu müssen, Dominion, wo man mit der Wahrscheinlichkeiten enes Kartensets rumschlägt, welches man im Spiel selber zusammensetzt).
Credible Threat: Was für Nuklearwaffen wichtig ist (nämlich glaubwürdig zu drohen), gilt auch in Brettspielen. Oft muss man beweisen, dass man es ernst meint mit einer Drohung. Diese Glaubwürdigkeit zu etablieren ist oft zentral (spontan fällt mir zum Beispiel das Auktionssystem von Tadsch Mahal ein, wobei es wohl bessere gäbe).
Umgang mit Risiko: Risiko ist etwas, das eingeplant werden kann und mit dem man Umgehen lernen muss. Ein Null-Risiko ist selten eine Option. In den meisten Spielen muss man auf eine Art oder andere diversifizieren und Risiken verteilen um die Chancen auf eine Sieg intakt zu halten. Verschiedene Strategien können zum Sieg führen und die Kunst ist es nicht nur, die richtige auszuwählen, sondern falls notwendig auf eine zweitbeste Lösung umzuschwenken (die richtige Aufbewahrstrategie bei den Handkarten in San Juan schafft beispielsweise häufig solche Probleme).
Kooperation: In den internationalen Beziehungen ist oft eine zentrale Frage warum überhaupt kooperiert wird und falls ja wie. Eine schöne Antwort auf die erste Frage leistet wahrscheinlich die Handelsphase der Siedler von Catan und auf die zweite wäre das Kooperationsspiel Pandemie eine gute Antwort.
Relative Gewinne: Es ist interessant, das Menschen eine Tendenz zur relativen Gewinnmaximierung haben. Das heisst man versucht oft nicht das beste Ergebnis für sich selbst herauszuholen, sondern versucht relativ zu den anderen möglichst gut dazustehen. In Spielen ist das ein häufiges Muster, nur dass man dort oft auf individuelle Gewinnmaximierung fixiert ist. Manchmal ist aber das entscheidende Kriterium nicht, was man selbst an Gewinn davonträgt, sondern wie man den Profit der anderen im Verhältnis zum eigenen minimieren kann (das beste Beispiel hierfür ist eines meiner liebsten Spiele, Puerto Rico).
Strategisches und taktisches Denken: Man könnte dies auch als langfristiges und kurzfristiges Planen bezeichnen. Besonders interessant ist dies im Zusammenhang mit kurzfristigen Gewinnen. Es gibt viele Spiele wo man in einem oder mehreren Zügen auf kurzfristige Gewinne verzichtet, weil die lanngfristigen höher ausfallen (delayed gratification oder Belohungsaufschub wäre da ein anderes Stichwort). Ein Bei-Spiel hierfür wäre Caylus (vor allem die Prunkbauten dort).
Ich denke, dass du denkst, dass ich denke (Theory of the mind): Im kalten Krieg beschäftigten sich viele damit, wie man wissen kann, was die andere Seite für strategische Überlegungen macht. Etwas das Menschen eigentlich sehr gut können (so gut, dass wir oft nicht-lebendigen Objekten ebenfalls bewusstes Handeln andichten). Man versucht sich in die Gegnerin/den Gegner zu versetzen, die Absichten zu erraten um die eigene Taktik daran auszurichten. Dies ist zwar nich unbedingt ein rein sozialwissenschaftliches Konzept, aber von grösserem wissenschaftlichem Interesse. Es gibt unzählige Beispiele wo man sich um erfolgreich zu sein in die Gegnerische Gedankenwelt zu versetzen. Man versucht zu denken, was die Gegenseite denkt, was man selber denkt (Beispiele gibt es viele, Ohne Furcht und Adel oder Verräter wären nur zwei davon).
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