Standard and Poor’s haben gestern das Kreditrating für die USA heruntergestuft. Staatsanleihen bleiben zwar bei AAA, die Aussichten werden aber von “Stabil” auf “Negativ” heruntergesetzt. Das heisst gemäss Financial Times, dass sie mit einer Drittel Wahrscheinlichkeit in den nächsten zwei Jahren US Staatsanleihen in ihrer Kreditwürdigkeit heruntergestuft werden. Wird das die Haushaltsanierung politisch einfacher machen?
In den letzten Tagen und Wochen kam es im Kongress zu einem grossen Showdown (oder zumindest so wurde über die Budgetdiskussionen berichtet). Kleine Kompromisspflaster zwischen den Republikanern die das Repräsentenhaus kontrollieren und den Demokraten, die die Präsidentschaft halten verhinderten bisher den totalen Stillstand wie er in ähnlicher Konstellation unter Clinton passierte.
Bei der gewaltigen Staatsverschuldung muss man sich fragen warum die Politik sich nicht zusammenraufen kann und etwas unternehmen. Das Problem ist, dass Politikerinnen und Politiker eine falsche Anreizstruktur haben. Ihr primäres Ziel ist nunmal Stimmenmaximierung und nicht Haushaltssanierung. Jeder Abgeordnete fühlt sich zuerst seinem Wahlbezirk verpflichtet.1 Grundsätzlich sind alle für eine Sanierung, nur das Wie ist ein Problem. Vor allem für die Republikaner ist eine Steuererhöhung absolut Tabu (und auch die Demokraten fordern sie nicht all zu laut) und die Demokraten möchten auf keinen Fall gewisse Ausgaben im Sozialbereich kürzen (das gilt aber auch teilweise für die Republikaner, zum Beispiel profitiert ihre Klientele, vor allem ältere und Betagte, von Medicare). Diese Situation findet man übrigens in Variationen über alle in den Industrienationen.
Der Zeithorizont in der Politik sind die nächsten Wahlen und da diese (fast immer) kurz bevorstehen (in diesem Fall 2012) lohnt es sich, jetzt auf den kurzfristigen Vorteil zu setzen und das langfristige Risiko zu ignorieren. Alles jenseits dieses Horizonts ist uninteressant, wird man nicht wiedergewählt. Damit ein Kompromiss möglich wird, muss für die Politikerinnen und Politiker der Preis für eine Nicht-Sanierung höher sein als der Gewinn, den sie daraus ziehen. Das ist der Grund warum wirkliche Reformen zur Haushaltssanierung typischerweise im Zuge einer Krise passieren (z.B. Griechenland, Portugal, Irland). Erstens ist die Alternative auch unmittelbar desaströs für die Wiederwahl. Zweitens kommt zusätzlich direkter Druck von Aussen. Dies erlaubt der Politik zudem, die Schuld für die Reformen und die daraus resultierenden Opfer anderen Akteuren in die Schuhe zu schieben (Internationaler Währungsfonds zum Beispiel oder EU). Drittens sind vermutlich Reformschritte einfacher an die Wählerinnen und Wähler zu verkaufen.
Einige Stimmen meinen nun, dass die Herabstufung der USA durch Standard & Poor’s, die erste seit die Ratings eingeführt wurden, könnte einen echten Budgetkompromiss beschleunigen. Ich frage mich, inwiefern das neue Rating die Anreizstruktur für die US Abgeordneten wirklich nachhaltig ändert. Das Herabstufen ist auf der Strasse kaum spürbar. Gewiss, die Märkte haben negativ reagiert und sollte dies nachhaltig sein, könnte es den dringenden Aufschwung noch weiter verzögern oder gar verhindern. Die Neubewertung könnte auch eine gewisse Signalwirkung haben für die Poltik und sie an den Abgrund erinnern, auf den sie zusteuern. Gleichzeitig wird es kaum Wählende oder Lobbyisten davon überzeugen, dass ihre Pfründe gekürzt werden sollten. Ich kann mir vorstellen, dass die Neubewertung eine Kompromissfindung beschleunigt, habe aber meine Zweifel, dass es schmerzhaft genug ist um die Kosten-Nutzen Kalkulation der Politik wirklich zu verhindern. Dazu bedarf es wohl einer echten Krise.2
1 Ein Bisschen komplizierter ist es vermutlich schon, aber als Analysemodell ist dies gerade für den US Kongress eine gute Annäherung.
2Dazu kommt, dass die US eine so zentrale Stellung in der Weltwirtschaft einnehmen, dass sogar eine totale Krise weniger bedrohlich ist, als für kleinere Staaten. Da sie alle mitreissen würde, ist es für die Staatengemeinschaft keine Option, die USA einfach fallen zu lassen. Der Internationale Währungsfonds (wo die USA mit Abstand am meisten Stimmen hat) wird kaum wie in Griechenland eingreifen und als Herausgeberin der Referenzwährung Dollar stehen den USA noch andere Optionen zur Verfügung.
Disclaimer.: Ich kenne die politikwissenschaftliche Literatur zum Thema kaum und es handelt sich hier um eine Ohrensesselanalyse. Aber in einem Blog soll man das ab und zu auch dürfen.
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