Wenn Captain James T. Kirk der Mund offen steht, löst das beim seinem emotionslosen ersten Offizier Spock ein kaltes “faszinierend” aus. Was der Captain der USS Enterprise wenn nötig mit einem Faustschlag erledigt, macht der Vulkanier mit einem gezielten klinischen Griff in den Nacken. Schon optisch wird der Kontrast betont: Auf der einen Seite haben wir den asketisch-dürren Spock auf der anderen Seite sein Chef, dem seine Uniform immer eine Spur zu eng erschien und vermuten liess, dass er auch auf intergalaktischen Reisen einigen kulinarischen Genüssen nicht abgetan ist. Sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Kirk oder Spock?
Gestern habe ich mich wieder einmal in eine Diskussion im Netz gestürzt. Es fing an mit Verschwörungstheorien, aber wie das so ist, bewegten wir uns mit nahezu Lichtgeschwindigkeit dann auch gleich zum Thema Homöopathie und machten auch vor freier Energie nicht halt. Es handelte sich nicht um ein wissenschaftliches Blog und ich versuchte einzubringen, was die meisten hier schon unzählige Male in ähnlichen Diskussionen durchgespielt haben. In dieser konzentrierten Form fiel mir aber auf, dass zwei Vorwürfe an die Wissenschaft gerichtet wurden, die im Widerspruch zu einander stehen. Einerseits hiess es, man würde “die Gefühle breiter Bevölkerungskreise einfach ignorieren” und dass diese kalte Sicht niemanden erreiche. Anderseits kam der übliche Vorwurf vom Wisenschaftskrieger und seiner angeblichen Militanz und Verbissenheit. Der erste Offizier Spock und Captain Kirk eben.
Nun will ich keinesfalls verallgemeinern. Es ist mir bewusst, dass man Menschen nicht einfach in ein paar simple Kategorien einteilen kann und dass man auch unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler alles finden, was das menschliche Spektrum so zu bieten hat. Ich betrachte diese “Kirk-Spock” Dichotomie als eine idealisierte Typisierung. Eine bewusste Vereinfachung, die vielleicht helfen kann, etwas grösseres dahinter zu entdecken.
Was sind Wissenschaftler also? Gefühlsarme Vulkanier1 oder emotionale Haudegen?
Beides behaupte ich und beides wird manchmal in seiner Aussenwirkung geschätzt und manchmal missverstanden.
Der Spock in uns ist über weite Strecken angeeignet.2 Um zu forschen muss man lernen, Distanz zum eigenen Thema zu gewinnen. Man muss immer wieder hinterfragen was man tut: Vergesse ich nicht etwas, mache ich nicht irgendwo einen Denkfehler? Macht man das nicht, übernehmen andere diese Rolle. Es ist dann wesentlich unangenehmer, wenn man in einem vollen Saal diese Lücken um die Ohren gehauen bekommt. Diese Distanz und Skepsis zu behalten ist oft nicht einfach. Schon gar nicht wenn man lieb gewonnene Thesen aufgeben muss, weil es einfach nicht hinhaut (und in den Sozialwissenschaften ist die Versuchung wahrscheinlich noch grösser, das irgendwie hinzubiegen). Die Ausbildung auf Vulkan hilft aber, dass Forschung überhaupt funktioniert. Man versucht sich auf die Sachen zu konzentrieren und nicht die Menschen, das gilt auch beim kritisieren und kritisiert werden.
Wir sind aber auch Kirk. Viele Forschenden sind begeistert und passioniert von ihrer Arbeit. Trotz aller Frustrationen, die diese regelmässig mit sich bringt (ich glaube das kommt auch bei vielen Wissenschaftsblogs gut zum Ausdruck). Der Captain ist auch in der Serie oft voller “Erfurcht und Staunen” (awe and wonder) vor was es noch zu entdecken gibt und was ihn seine Reisen finden lassen. Da steckt ein zutiefst emotionales Element drin. Werden nun wissenschaftliche Grundprinzipien aus mangelndem Fachwissen aber um so mehr Überzeugung vom Tisch gewischt, können die Reaktionen halt entsprechend ausfallen (“Wissenschaftsgläubigkeit” ist zum Beispiel für mich so ein Auslöser-Begriff). Man stelle sich vor ich würde einem Gärtner sagen, er brauche Pflanzen nicht zu giessen, das sei unnötig und wenn er mir widerspricht, dann nenne ich ihn engstirnig und Gärtnergläubig. Kirk ist aber auch ein Kumpel. Er ist der Typ, mit dem man sich gerne hinsetzt um ein Bier zu trinken, weil er immer was zu erzählen hat.
So sind wir manchmal Kirk, manchmal Spock. Die beiden vertragen sich meistens gut und ergänzen sich ausgezeichnet. Aber es kommt auch vor, dass sie aufeinander prallen. In ihrer Aussenwirkung sind sie beide manchmal gern gesehen und manchmal verpönt. Wissenschaftskommunikation ist vielleicht die Kunst, die beiden in der richtigen Moment aus dem Schrank treten zu lassen.
Nachtrag: Es gibt im Moment zwar viel, dass ich in der Blog Pipeline habe, aber leider fehlt mir im Moment die Zeit für substantielleres. Man möge mir daher solche leichtere Nabelschau-Posts verzeihen. Aber wer will sich schon beklagen wenn es eine Star Trek Metapher gibt?
1 Bevor mich hier die Star Trek Nerds teeren und federn: Ich weiss, dass Spocks Mutter ein Mensch war und er streng genommen nur ein halber Vulkanier ist. Aber wir wollen hier nicht auf intergalaktischen Rassenfragen rumhacken, oder?
2Man könnte vielleicht plausibel argumentieren, dass Menschen die gerne mit Zahlen operieren und abstrakt denken, sozial und emotional etwas anders gepolt sind. Aber hier geht es im Grunde um viel oberflächlicheres.
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