Gerade geistern Geschichten um einen angeblich magnetischen Knaben in Kroatien durch diverse Medien. Es gibt nur eine Erklärung wie eine so abgedroschener Zaubertrick es zur Veröffentlichung schafft: Viele Journalistinnen und Journalisten machen ihre Hausaufgaben nicht.
Es geht mir nicht primär um den angeblich magnetischen Knaben und vermutlich wurde diese Geschichte auch andernorts schon aufgegriffen. Es geht mir um die unsaubere Arbeit, die im Endeffekt eben zur Volksverdummung beiträgt und diese “Story” ist ein gutes Beispiel hierfür. Statt Informationen skeptisch zu verarbeiten, gibt man der Sensation den Vorrang gegenüber der Vernunft. Schliesslich will man es glauben.
Die BILD ist natürlich mit dabei (und sagt dem Knaben auch noch gleich “heilende Kräfte” nach), 20 Minuten weiss: “Ivan ist magnetisch”. Anderswo schreibt man direkt vom Daily Telegraph ab (eine Quelle die sowieso schon grundsätzlich verdächtig ist) oder lässt uns wissen, dass der Bub täglich mit den Grosseltern trainiert. Aber es ist nicht nur der Boulevard der darauf reingefallen ist. Sogar die renommierte Agentur Reuters brachte den Unsinn. Ich frage mich, ob es dort denn keine Redakteure gibt.
Eine kleine Bildersuche bei Google zeigt, dass er nicht der erste ist, von dem behauptet wird, er hätte solche Fähigkeiten.
Nun warum sind diese Behauptungen unglaubwürdig und warum sollte sie ein Journalist respektive eine Journalistin ohne grosse Physikkenntnisse (die habe ich nämlich auch nicht) verdächtig finden?
Indiz 1: Warum hat der Knabe zum Beispiel immer einen nackten Oberkörper? Wäre er wirklich “magnetisch”, würde dies auch durch sein T-Shirt funktionieren. Vor allem in Anbetracht der schweren Dinge die angeblich an ihm haften.
Indiz 2: Die ganzen Gegenstände sind immer so auf ihm platziert, dass sie auch eine möglichst grosse Reibungsfläche mit ihm haben. Warum ist das ganze Besteck mit der Biegung nach Aussen auf ihm, warum kann man eine Gabel nicht nur mit dem Ende an seinen Arm hängen? Warum müssen die runden Hanteln auf ein Blech gelegt werden?
Indiz 3: Manche Gegenstände (und dazu gehört vermutlich auch das Besteck) sind nicht aus Eisen. Aluminium ist nicht magnetisch. Die meisten Münzen sind es auch nicht.
All das sind eigentlich Fragen die man sich stellen sollte, bevor man sich überhaupt in allzu technisches stürzen muss, um zu verstehen, wie das jetzt möglich sein könnte, dass ein Mensch plötzlich magnetisch ist.
Was tut man also im 21. Jahrhundert, wenn man seine Arbeit und Journalisten-Ethik ernst nimmt? Man setzt sich hin und googelt. Problemlos findet man dann heraus, dass es sich nicht um Magnetismus handelt und ähnliche Behauptungen unzählige Male widerlegt wurden.
Man muss nicht einmal einen anderen Fall studieren. James Randi sah sich gezwungen auf die Geschichte mit dem kroatischen Knaben einzugehen und darauf hinzuweisen, dass das Phänomen weder neu noch unerklärt ist.
Der Junge sollte sich einfach mal wieder waschen. Es handelt sich nämlich um natürliche Talg-Ausscheidungen die die Haut klebrig machen. James Randi hat anscheinend einen anderen “menschlichen Magneten” einmal mit Talkum eingepudert und ihn so ziemlich schnell “demagnetisiert”.
Wenn sich Journalistinnen und Journalisten sich schon nicht ein Minimum an Skepsis leisten um offensichtliche billige Tricks zu hinterfragen, wie sollen dann ihre Leserinnen und Leser, deren Beruf dies meist nicht ist, eine entsprechende Kompetenz entwickeln? Geht diesen das kritische Denken ab, werden sie es wohl einfach glauben, im Vertrauen, dass dies schon überprüft wurde. Haben sie leichte Zweifel, untergräbt das unter Umständen nur das Vertrauen in die Medien und das Fehlen von Vertrauen ist eine Hauptingredienz für allerlei Verschwörungstheorien. Danke BILD, danke Reuters für diesen aktiven Beitrag zur Volksverdummung.
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