Öfters schon habe ich über Impfgegner und den Schaden den sie verusachen geschrieben (z.B. hier, hier, hier und hier). Als Politikewissenschaftler mit Schwerpunkt Internationale Beziehungen ist der US Geheimdienst CIA natürlich auch regelmässig Thema. Selten bietet sich aber die Gelegenheit einen Eintrag zu schreiben der beides kombiniert.
Es wird berichtet, dass der US Geheimdienst eine Impfkampagne vorgetäuscht hat um an DNA Proben aus dem Versteck von Bin Laden zu gelangen. So wollten der Geheimdienst bestätigen, dass zumindest Familienmitglieder von Bin Laden anwesend sind. Eine Referenzprobe hatte man von Bin Ladens Halbschwester, die 2010 in Boston verstarb. Offensichtlich begann man mit Plakaten für die Aktion in einem nahe gelegenen ärmeren Gebiet um keinen Verdacht zu erwecken und wechselte dann in die Region des vermuteten Versteckes. Ob die üblicherweise für Hepatitis B verabreichten Folge-Impfungen ebenfalls verabreicht wurden, ist gemäss diesem Artikel im Guardian nicht klar.
Die ganze Aktion ist meines Erachtens ethisch höchst problematisch um es gelinde auszudrücken. Die CIA hat wichtige medizinische Massnahmen für ihre Zwecke instrumentalisiert. In Anbetracht des speziellen Stellenwertes dem medizinische Versorgung zukommt und der schwerwiegenden Konsequenzen, die ein Fehlen einer solchen hat, scheint mir dies ein grobes Vergehen, dass sich in eine lange Reihe von fundamentalen ethischen Prinzipien stellt, die im Namen des sogenannten Krieges gegen den Terror, über den Haufen geworfen wurden, weil der Terrorzweck offensichtlich alle Mittel heiligt.
Nun gibt es ein paar Einwände die angebracht werden können. Ich möchte diese kurz erwähnen und erklären warum ich glaube, dass sie nicht gelten. Erstens, kann man argumentieren, dass solange Impfungen wirklich verabreicht wurden, trotzdem ein Schutz besteht und somit medizinisch durchaus eine Behandlung stattgefunden hat. Dies ändert jedoch nichts an der Instrumentalisierung und dem damit angerichteten Schaden durch Glaubwürdigkeitsverlust. Der Vergleich, der sich für mich mit meinem Hintergrund aufdrängt, ist der Missbrauch des Emblems des Roten Kreuzes (mit dem Vorbehalt, dass dieses natürlich durch ein ausgefeiltes, über Jahre bestätigtes Vertragswerk geschützt ist, die Genfer Konventionen). Es gab Berichte, dass Selbsmordattentäter in Gaza in Krankenwagen durch Checkpoints nach Israel geschleust wurden. Wäre dies analog akzeptabel, wenn diese bei einem tatsächlichen Krankentransport passiert? Es handelt sich schliesslich sozusagen um einen “Nebeneffekt” einer legitimen Massnahme. Ich denke in diesem Fall ist es klar, dass dies ein eklatanter Missbrauch darstellt. Das Prinzip scheint mir das gleiche bis auf dass, der tödliche Effekt unmittelbar ist.
Zweitens könnte man sagen, dass wenn sich nun noch mehr Verschwörungstheorien um Impfungen entwickeln (wie in Nigeria um die Polio Impfung) es nichts daran ändert, dass diese wirken und notwendig sind. Dies hilft jedoch weder den Kindern, die deswegen keine Impfung verabreicht kriegen, noch denen, die in kommenden Jahrzehnten immer noch mit Krankheiten konfrontiert werden, die hätten ausgerottet werden können. Man sollte auch nicht zu überheblich sein, dass man auf primitive Verschwörungstheorien, wie dass die Polio-Impfungen eigentlich nur ein Teil eines Planes ist, um Muslime unfruchtbar zu machen, herablickt. In Anbetracht der vielen Impfgegner hier und Theorien die bis zu implantierten Mikrochips reichen, sind wir hier im “aufgeklärten Westen” mit genau den gleichen Problemen konfrontiert. Man stelle sich vor eine ähnliche Aktion der CIA im Zusammenhang mit Impfungen würde hier bekannt werden. Zweifelt irgendjemand daran, dass die ganzen Verschwörungstheoretiker dies hier nicht sofort aufgreifen würden und die Impfgegnerszene (ich bin mir sicher, die Überlappungen sind nicht unbeträchtlich) diesen Ball liebend gerne aufnehmen würde? Würden wir uns achselzuckend zurücklehnen und sagen “selber schuld”?
Drittens kann man argumentieren wie Nature in diesem, wie ich finde enttäuschenden Kommentar: Es handle sich nur um ein kleines Problem im Vergleich mit den Herausforderungen mit denen das pakistanische Gesundheitssystem konfrontiert ist. Abgesehen davon, dass der Schaden (der eben sogar Polio Impfprogramme in Nigeria oder Masern in Deutschland betreffen kann) kaum absehbar ist, wie kann ein unethisches Vergehen, damit gerechtfertigt werden, dass es andere grössere Probleme gibt? Ist es darum in Nairobi eher in Ordnung, jemanden ohne Gerichtsurteil zu töten, weil die Mordrate sowieso extrem hoch ist?
Ich hatte den Eindruck, dass diese Enthüllung relative wenig Aufsehen in den Medien gemacht hat (habe aber viele Nachrichten in den letzten Wochen verpasst und kann mir daher nicht wirklich ein Urteil bilden). Ich frage mich inwiefern man bereit ist, diese Verfehlung der CIA zu akzeptieren, weil es schliesslich darum ging, das personifizierte Böse zu erwischen (es ist übrigens unklar, ob die Aktion wirklich die gewünschten DNA Proben gebracht hat).
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