Zum Jahrestag der Anschläge auf die Zwillingstürme in Manhattan verzichte ich heute auf die Rückblicke und Analysen, die es vermutlich genügend andernorts geben wird. Das verschieben wir auf nächste Woche. Heute möchte ich über die Anordnung der Namen für die Gedenkstätte am Ground Zero schreiben.
Um die Quelle gleich klar zu deklarieren; Dieser Eintrag basiert vollständig auf einem Artikel im New Yorker Magazine vor einer Weile. Vieles an der Gedenkstätte scheint das Standardprogramm solcher Erinnerungsplätze (in den USA zumindest) runterzuspulen: Diskret über Steine plätscherndes Wasser, schwerer schwarzer Granit und betonte Schwere.
Die Namen der Toten sollen auf Bronzeplatten graviert werden. Die Frage, die sich stellte, war wie diese Namen angeordnet werden sollten. Einige grundlegende Prinzipien waren einfach festzulegen. Die Namen sind an zwei verschiedenen Orten angebracht. Eine unpersönliche kalte alphabetische Anordnung und willkürliche Aufteilung (z.B. A-L und M-Z) war für die Planer keine Option. Unter anderem weil dann Personen mit dem gleichen Namen nebeneinander zu stehen gekommen wären, was sehr unpersönlich scheint. Die Reihenfolge wie die Personen ums Leben gekommen sind war aus offensichtlichen Gründen ebenfalls nicht machbar. Man einigte sich dann zuerst einmal auf eine grobe Einteilung nach Lokalität und Gruppe (Nordturm für das Nordbecken, Südturm beim Südbecken etc.).
Das Problem wie die Namen innerhalb dieser Gruppierung angeordnet werden könnten, war damit noch nicht gelöst. Man wollte einerseits die Zufälligkeit und Willkür des Ereignisses symbolisieren anderseits Verbindungen zwischen diesen Menschen aufzeigen. 2009 schrieb man deshalb die Hinterbliebenen der Opfer an und fragte nach “bedeutungsvoller Nachbarschaft” (meaningful adjacencies). Man bat die Familienmitglieder also in wessen “Nachbarschaft” die verlorenen gerne sehen würde, weil sie zum Beispiel zu Lebenszeiten eine Verbindung mit hatten. Ob dies auch umsetzbar war, wusste man zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Man erhielt 1200 Vorschläge für die Verbindungen. Dazu kamen noch weitere gesetzte Verbindungen (z.B. Mitlgieder einer Feurwehreinheit).
Ein erster Versuch, dass Problem mit Index-Karten zu lösen wurde schnell aufgegeben. Zu komplex war die Fragestellung. Man wendet sich an jene, an die man in solchen Fällen immer wendet: Softwareentwickler und Statistiker. Die ersten winkten ab, zu kompliziert schien ihnen die Aufgabe. Man fand dann aber jemanden, der bereit war, diesen Stier bei den Hörnern zu packen und einen Algorithmus zu entwickeln. Als ob die gestellt Frage nicht kompliziert genug gewesen wäre, kam noch eine zusätzliche Auflage dazu: Das ganze musste von der Schriftsetzung her auch noch gut aussehen. Man kann halt nicht einfach Text beliebig anordnen wenn man gewisse ästhetische minimale Ansprüche stellt (so wie man die Namen kaum in Comic Sans eingravieren wird).
Das Resultat gemäss dem New Yorker ist eine Anordnung von Namen, die
verbunden sind durch Zufall und Blut, Berechnung und Schriftgrösse, ein Bisschen wie eine schwache Silhouette eines kosmischen Plans, oder eben das Fehlen eines solchen.
linked together by happenstance and blood, calculus and font size, is a little like the faint silhouette of a cosmic plan, or else of the total absence of one
So geeky kann das Anordnen von Namen auf einer Gedenkplatte sein, wäre hätte das gedacht.
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