In der New York Review of Books erschien gestern ein Artikel, der einen interessanten Gedankenanstoss in Bezug auf die von den USA praktizierten Tötungen ohne Gerichtsverfahren (extrajudicial killings) im sogenannten Krieg gegen den Terror liefert. Er soll hier kurz skizziert und diskutiert werden.
Der Artikel öffnet mit der Frage, wie die USA darauf reagieren würden, wenn Russland US Bürger mit ferngesteuerten Drohnen tötete weil man diese als Gefahr für die russische Sicherheit einschätzt, aber die USA nicht bereit sind, diese Individuen auszuliefern. Man kann sich vorstellen, dass die Begeisterung in den USA nicht riesig wäre. Trotzdem wird genau diese Argumentation zur Rechtfertigung von Tötungen ohne Gerichtsverfahren zum Beispiel in Somalia, Pakistan oder Yemen von den USA benutzt.
Der Artikel erwähnt, dass gemäss New York Times diesbezüglich eine Debatte in der Administration Obama ausgebrochen sei. Obama hat im Vergleich zu seinem Vorgänger die Zahl solcher Attacken beträchtlich erhöht.
Die Ähnlichkeit mit der Diskussion bei Jürgen zur Definition von Terrorismus sind nicht zu übersehen. Man könnte die Angriffe völkerrechtlich am ehesten noch rechtfertigen, indem man sich auf den diffusen “Krieg gegen den Terror” beruft. In einem Krieg darf man gegnerische Kämpfer töten (die Sache ist natürlich etwas komplizierter). Dies verschiebt das Problem aber nur ein wenig. Wer hat die Definitionshoheit über Einschränkungen wenn solche geographisch sind? Gibt es jedoch keine Einschränkungen dann könnte Russland eben auch in den USA Aktiv werden und das will man schliesslich auch nicht (diese ist nicht bloss eine Vermutung, bedenkt man doch die Reaktionen im Fall Litwinenko in Anbetracht der Spekulationen, dass er vom russischen Geheimdienst im Vereinigten Königreich kaltgestellt wurde). Schränkt man es also zu sehr ein, kann man nicht mehr tun was man für notwendig hält, weitet man es zu sehr aus, können die andern tun was man nicht will. Zusammengefasst ist das Dilemma simpel: Man möchte selber dürfen, was man anderen nicht zugesteht.
Das Grundproblem ist, dass wir alle unsere eigenen Handlungen anders beurteilen als die der anderen. Das ist auch das Problem mit der Definition von Terrorismus. Dies soll aber keine Rechtfertigung für eine Form von totalem moralischem Relativismus sein. Im Gegenteil gerade deswegen braucht es klare Regeln, die für alle gelten. Aber man muss eventuell unliebsame Einschränkungen in Kauf nehmen. Der berühmt berüchtigte Ansatz des US Richters beim Festlegen was als “harte Pornographie” zu gelten habe (“Ich erkenne es, wenn ich es sehe”) ist eben rein subjektiv. Dies ist für Transparenz und für Gerechtigkeit hinderlich.
Auch wenn dieses Problem im Zusammenhang mit den extralegalen Tötungen durch die USA einfach als “typische US Heuchelei” abgetan werden könnte, ist es ein Grundproblem das alle Staaten betrifft. Die Schweizer zum Beispiel missionieren im Ausland gerne zum Rechtsstaat und benutzen sich selber als leuchtendes Beispiel aber verweigern Flüchtlingen auch mal ein faires Verfahren. Einfach so. Solche Beispiele finden sich in jedem Land. Aber auch wir Helveten wähnen uns da in guter Gesellschaft. Vielleicht muss man einfach froh sein, dass wir keine mit tödlichen Drohnen besitzen.
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