In der New York Review of Books erschien gestern ein Artikel, der einen interessanten Gedankenanstoss in Bezug auf die von den USA praktizierten Tötungen ohne Gerichtsverfahren (extrajudicial killings) im sogenannten Krieg gegen den Terror liefert. Er soll hier kurz skizziert und diskutiert werden.

Der Artikel öffnet mit der Frage, wie die USA darauf reagieren würden, wenn Russland US Bürger mit ferngesteuerten Drohnen tötete weil man diese als Gefahr für die russische Sicherheit einschätzt, aber die USA nicht bereit sind, diese Individuen auszuliefern. Man kann sich vorstellen, dass die Begeisterung in den USA nicht riesig wäre. Trotzdem wird genau diese Argumentation zur Rechtfertigung von Tötungen ohne Gerichtsverfahren zum Beispiel in Somalia, Pakistan oder Yemen von den USA benutzt.

Der Artikel erwähnt, dass gemäss New York Times diesbezüglich eine Debatte in der Administration Obama ausgebrochen sei. Obama hat im Vergleich zu seinem Vorgänger die Zahl solcher Attacken beträchtlich erhöht.

Die Ähnlichkeit mit der Diskussion bei Jürgen zur Definition von Terrorismus sind nicht zu übersehen. Man könnte die Angriffe völkerrechtlich am ehesten noch rechtfertigen, indem man sich auf den diffusen “Krieg gegen den Terror” beruft. In einem Krieg darf man gegnerische Kämpfer töten (die Sache ist natürlich etwas komplizierter). Dies verschiebt das Problem aber nur ein wenig. Wer hat die Definitionshoheit über Einschränkungen wenn solche geographisch sind? Gibt es jedoch keine Einschränkungen dann könnte Russland eben auch in den USA Aktiv werden und das will man schliesslich auch nicht (diese ist nicht bloss eine Vermutung, bedenkt man doch die Reaktionen im Fall Litwinenko in Anbetracht der Spekulationen, dass er vom russischen Geheimdienst im Vereinigten Königreich kaltgestellt wurde). Schränkt man es also zu sehr ein, kann man nicht mehr tun was man für notwendig hält, weitet man es zu sehr aus, können die andern tun was man nicht will. Zusammengefasst ist das Dilemma simpel: Man möchte selber dürfen, was man anderen nicht zugesteht.

Das Grundproblem ist, dass wir alle unsere eigenen Handlungen anders beurteilen als die der anderen. Das ist auch das Problem mit der Definition von Terrorismus. Dies soll aber keine Rechtfertigung für eine Form von totalem moralischem Relativismus sein. Im Gegenteil gerade deswegen braucht es klare Regeln, die für alle gelten. Aber man muss eventuell unliebsame Einschränkungen in Kauf nehmen. Der berühmt berüchtigte Ansatz des US Richters beim Festlegen was als “harte Pornographie” zu gelten habe (“Ich erkenne es, wenn ich es sehe”) ist eben rein subjektiv. Dies ist für Transparenz und für Gerechtigkeit hinderlich.

Auch wenn dieses Problem im Zusammenhang mit den extralegalen Tötungen durch die USA einfach als “typische US Heuchelei” abgetan werden könnte, ist es ein Grundproblem das alle Staaten betrifft. Die Schweizer zum Beispiel missionieren im Ausland gerne zum Rechtsstaat und benutzen sich selber als leuchtendes Beispiel aber verweigern Flüchtlingen auch mal ein faires Verfahren. Einfach so. Solche Beispiele finden sich in jedem Land. Aber auch wir Helveten wähnen uns da in guter Gesellschaft. Vielleicht muss man einfach froh sein, dass wir keine mit tödlichen Drohnen besitzen.

Kommentare (20)

  1. #1 maxfoxim
    September 20, 2011

    Ja, das Problem des “wir wollen das nicht, ihr habt es zu wollen” findet sich ja überall wieder. So glaube ich kaum, dass “die” Autoanzünder es toll fänden, wenn man ihre eignen Autos oder sonstigen Wertgegenstände anzünden würde. Wobei ich allerdings manchmal gerne die Autos von denen brennen sehen würde, die dieses Problem sonst klein reden. Vermutlich wäre es dann kein Ausdruck mehr von angeblicher “sozialer Kälte” sondern von gestörten Chaoten… 😉

    Das Problem mit Terrorismus und Osama bin Laden ist natürlich weitaus komplexer.

  2. #2 Morlock
    September 20, 2011

    Muslimisch-ferngesteuerte Turban-Drohne mit allfälligem Gerichtsurteil:

    “Bei einem Attentat in Kabul ist der Ex-Präsident Afghanistans, Burhanuddin Rabbani, ums Leben gekommen. Er hatte Friedensverhandlungen mit Taliban-Vertretern geführt – einer der Männer hatte in seinem Turban eine Bombe versteckt. ..”

  3. #3 Jürgen Schönstein
    September 20, 2011

    Eine gewisse Assymmetrie hat bei der Auslegung internationalen Rechts durch den Supreme Court ja Tradition: Der oberste Gerichtshof hatte in seiner Entscheidung U.S. vs. Alvarez-Machain (1992) beispielsweise festgelegt, dass es innerhalb der Kompetenzen der amerikanischen Exekutive liegt, die Entführung eines ausländischen Staatsbürgers im Ausland anzuordnen, damit dieser wegen eines Verbrechens nach US-Recht vor einem US-Gericht belangt werden kann – selbst wenn das Delikt im Ausland begangen wurde. (In diesem konkreten Fall wurde dem mexikanischen Arzt Humberto Alvarez-Machain vorgeworfen, am Mord des US-Drogenermittlers Enrique Camarena-Salazar insofern beteiligt gewesen zu sein, als er das Leben des verletzten Agenten durch medizinische Versorgung verlängert und damit dessen Folter durch Drogendealer erst ermöglicht habe). Dieser US-Rechtsanspruch über ausländische Staatsangehörige im Ausland beschränkt sich dabei nicht auf die Terrorbekämpfung – theoretisch könnte sogar jeder, der bei einer geschäftlichen Transaktion (ein e-bay-Deal vielleicht?) einen US-Staatsbürger behumst hat, unter diese Definition fallen. Ist in der Praxis zwar nicht sehr wahrscheinlich – aber die Rechtsgrundlagen sind, nach Auffassung des US Supreme Court, jedenfalls gegeben.

  4. #4 Roland
    September 20, 2011

    Die US-Amerikaner unterscheiden doch sowieso zwischen sich und dem Rest der Menschheit, der deutlich weniger Rechte hat. Afghanen und Europäer, die als Taliban gefangengenommen werden, kommen nach Guantanamo, Taliban mit US-Staatsbürgerschaft erhalten ein halbwegs faires Verfahren in den USA. Wenn sie fremde Länder überfallen, zählen sie nur eigene Tote, der Rest ist egal. Eine gewissen Herrenmenschen-Ideologie ist ihnen wohl nicht abzusprechen. So gesehen ist es normal, daß sie nur ihre eigenen Gesetze und Interessen akzeptieren.

  5. #5 Barton Fink
    September 21, 2011

    Erinnert mich stark an Israel, dort ist’s leider auch so

  6. #6 ali
    September 21, 2011

    @Roland

    Die USA fallen einfach viel mehr auf weil sie deutlich mehr Macht haben. Mein Punkt im Eintrag war explizit, dass ziemlich sicher praktisch alle so funktionieren, man aber davon weniger Kenntnis nimmt.

    @Barton Fink

    Ja, Israel macht das auch. Wie alle anderen. Es gibt ein paar dieser Standardbeispiele auf die man als Europäer gerne mit dem Finger zeigt und damit oft genau die gleichen Scheuklappen beweist (ich sage nicht du hättest die, das kann ich aus deinem kurzen Kommentar nicht ableiten, finde es aber wichtig zu betonen). Das Phänomen ist universell.

  7. #7 Barton Fink
    September 21, 2011

    @ali
    Fingerzeigen wollte ich nicht, mir persönlich sind aber derzeit nur 3 Staaten bekannt, die diese Tötungen offiziell betreiben, neben Israel und der USA auch der EU Beitrittskandidat Türkei, geheimdienstliche Scharmützel ausgenommen.
    Gibt es konkrete Beispiele für andere, westlich orientierte und demokratische Länder?

  8. #8 Marc B.
    September 21, 2011

    Der Drohnen-Einsatz lässt sich nur dann erklären – von rechtfertigen möchte ich nicht sprechen – wenn man berücksichtigt, dass die Tötungen in “failed states” stattfinden, in denen es eben keine Möglichkeit gibt, die Terrorverdächtigen einer ordentlichen Justiz zuzuführen. Die Drohnen kreisen über den Stammesgebieten in Pakistan, über Afghanistan, Jemen und Somalia. Sie kreisen nicht über Russland, Thailand oder Nigeria.

  9. #9 Randifan
    September 21, 2011

    Der Iran könnte ähnliche Aktionen im Ausland mit Verweis auf das Vorgehen der US-Regierung rechtfertigen. Der iranische Geheimdienste verübte auch auf deutschen Boden Anschläge gegen Oppositionelle. Dies könnte das Mullharegime mit Terrorbekämpfung rechtfertigen.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Mykonos-Attentat

  10. #10 Sven Türpe
    September 21, 2011

    Das Grundproblem ist, dass wir alle unsere eigenen Handlungen anders beurteilen als die der anderen. Das ist auch das Problem mit der Definition von Terrorismus.

    Nein, das Grundproblem ist in beiden Fällen die Furcht vor der Grauzone. Die Welt funktioniert, sie ist nur nach formalen Kriterien nicht perfekt. Darüber kann man lange palavern, man muss es aber nicht.

  11. #11 ali
    September 21, 2011

    @Marc B.

    Stimmt. Das wäre vermutlich noch die brauchbarste Rechtfertigung. Mit Ausnahme von Somalia bin ich mir jedoch nicht so sicher ob von dieser Liste ein Staat ein eindeutiger Fall eines “failed state” ist. Es stimmt sie haben alle Probleme ihre Autorität in einzelnen Regionen durchzusetzen, aber das hat z.B. Russland auch. Ausserdem frage ich mich, ob es für die USA politisch akzeptabel ist Afghanistan offiziell als solchen zu definieren, wäre das doch in gewissen Sinne ein Eingeständnis des Scheiterns. Es wäre auch interessant ob das Kriterium die Nichtauslieferung, die Unfähigkeit der Regierung oder den fehlenden Willen der Regeierung zur Auslieferung wäre.

    Eine andere Frage ist dann (nun wird es hypothetisch), warum es zwei Standards für eine Todesstrafe ohne Gerichtsverfahren gibt. Im Falle eines als “failed” definierten Staates ist der Tod also eine Konsequenz der fehlenden Kontrolle der Regierung? Ob man bereit ist, das moralisch so zu rechtfertigen (im Einzelfall vermute ich schon, aber im Abstrakten)?

    Oder praktischer: Wenn z.B. Iran oder Nordkorea jemanden nicht ausliefern will, wäre das akzeptabel? Oder gar ein europäischer Staat (wenn die Todesstrafe droht, dürfen die meisten nicht ausliefern)? Gibt es da einen Unterschied?

    @Barton Fink

    Ich meinte natürlich nicht explizit aussergerichtliche Tötungen sondern abstrakter die Doppelstandards was die eigenen Rechte betrifft und jene der anderen in ähnlich gelagerten Fällen. Ich würde mal Russland und (wie von Randifan erwähnt) Iran auch noch auf die Liste nehmen (die bestimmt noch länger ist).

  12. #12 Marc B.
    September 21, 2011

    @ali: Doch, in allen diesen Staaten gibt es keine justizförmige Möglichkeit des Zugriffs. In den Stammesgebieten Pakistans, in den von Warlords oder den Taliban kontrollierten Teilen Afghanistans, in Somalia sowieso und die Staatsmacht des Jemens endet auch ein paar Kilometer außerhalb der beiden Hauptstädte. Alle diese Gebiete unterstehen einer diffusen Stammesherrschaft mit ständig wechselnden Koalitionen und ohne jede Anbindung an ein staatliches Rechtssystem.

    Allen genannten Gebieten ist außerdem gemeinsam, dass die jeweiligen lokalen Machteliten den Terrorverdächtigen nahe stehen und sie vor einem eventuellen Zugriff auf dem Boden schützen oder sie ihm zumindest durch Warnung und Versteck entziehen.

    Justizförmig ist die Tötung nicht zu rechtfertigen, juristisch nur, wenn man von Kriegsrecht ausgeht. Dies mit der Besonderheit, dass es eben kein zeitlich und räumlich begrenztes Kriegsgebiet gibt und die Gegenseite des Krieges schwer auszumachen ist.

    Das wirft natürlich immense Fragen auf und der Umfang der Tötungsprogramme lässt Zweifel zu, ob unter diesen Umständen wirklich jeder Einzelfall abgewogen wird. Zeitweilig gab es so genannte “signature missions”, bei denen Raketen auf Ziele abgefeuert werden, die nur durch formale Muster definiert waren (zB Zusammentreffen von mehreren Pickupfahrzeugen in definierten Dörfern) ohne dass eine namentlich bekannte Zielperson identifiziert werden kann. Angeblich wurden diese Einsätze stark zurückgefahren.

  13. #13 gustab
    September 21, 2011

    Combatants, also Personen mit Kampfauftrag, dürfen bekämpft werden. Ein Offizier darf geziehlt getötet werden, ebenso wie sein Funker. Die Haager Landkriegsordnung bestimmt aber auch eindeutig Zivilisten als Combatants, wenn diese in organsierter Form zu den Waffen greifen und diese Waffen auch offen tragen. Diese unterstehen dann dem Kriegsrecht und bekommen auch alle Rechte, die Soldaten laut der Haager Landkriegsordnung zustehen. Aber ebenso wie sie Rechte besitzen, dürfen sie natürlich auch bekämpft werden. Ein Al Kaida-Anführer darf erschossen werden, wenn er sich nicht ergibt und ebenso darf er mit Raketen bekämpft werden.

    Die geziehlten Tötungen von Taliban- Al Kaida- oder auch Hamas-Kämpfern, sind in dem Sinne nicht extralegal. Das diese “combatants” ihre Waffen nicht offen tragen und sie sich nicht eindeutig als solche deklarieren, bedeutet nicht, dass man sie nicht bekämpfen darf, sondern bedeutet nur, dass sie den Regelungen der Haager Landkriegsordnung zuwider handeln. Diesen Regeln nach sind sie eindeutig als “combatants” zu betrachten, bekommen die Rechte die ihnen zustehen, dürfen aber auch getötet werden, wie eben auch “offizielle” Soldaten. Wenn sie der Haager Landkriegsordnung zuwider handeln, weil sie verborgen operieren und gegen Zivilisten voorgehen, dann begehen sie ein Kriegsverbrechen und dürfen in dem Sinne auch bestraft werden.

    Dann gibts noch den Begriff der “illegal combatants”, diese sind – so die Meinung mancher Staaten – keine combatants, haben also nicht die Rechte nach der Haager Landkriegsordnung. Dem würde ich widersprechen, denn wie oben angeführt, nur weil sie sich als combatants nicht an die Haager Landkriegsordnung halten, bedeutet das nicht, dass sie keine combatants sind.

    Für Afhanistan und Taliban-Kämpfer oder Hisbollah-Kämpfer im Libanon ist die Sachlage eindeutig, anders schaut es aus mit Terroristengruppen irgendwo in einem afrikanischen Land, hier braucht man Konstrukte (ohne mit dem Begriff das bewerten zu wollen) wie “Krieg gegen den Terror”, um sich einen organsierten Feind zu schaffen, der auch rechtmäßig beämpft werden kann. Noch einmal anders ist es, wenn es nicht um organsierte Terror-“Armeen” in destablisierten Ländern geht, sondern um einzelne Terroristen, die wo Unterschlupf suchen.

    Russland müsste nun begründen, dass sich organsierte und bewaffnete Gruppen in den USA aufhalten, die mit Russland im Krieg sind. Das wird selbst mit der russischen Variante von “Krieg gegen den Terror” schwierig. Sehe da also nicht das Problem.

  14. #14 ali
    September 21, 2011

    @gustab

    Das Problem liegt meines Erachtes gerade darin, dass einige dieser Annahmen nicht gegeben sind oder passend “definiert” wurden. Einerseits beruft man sich auf humanitäre Völkerrecht (“feindliche Kämpfer darf man töten”) anderseits möchte man ihnen einige Rechte absprechen (z.B. Inhaftierung und Verhöre in Guantanamo). Du hast dieses Problem auch angesprochen mit dem Konzept der “illegalen Kämpfer” das als neue Kategorie alleine zu diesem Zweck von den USA erfunden wurde.

    Viele der Drohnen Attacken sind zudem gerade gegen die mutmassliche Al-Kaida Führung erfolgt. Es handelt sich also nicht offensichtluch um bewaffnete feindliche Kämpfer die in die Kampfhandlungen verwickelt sind. Inwiefern bei diesen Angriffen genügend Massnahmen zum Schutze der Zivilbevölkerung ergriffen wurden (des öftern wurden schon ganze Familien mitausgelöscht) in vielen Fällen ebenfalls mehr als fraglich.

    Dazu kommt, dass diese Regeln im Falle eines Krieges gelten. Dieser ist in der Regel zeitlich und territorial begrenzt. Dieser sogenannte Krieg gegen den Terror hingegen ist völlig offen und kann somit nach belieben als Rechtfertigung herbeigezogen werden. Es ist ziemlich sicher nicht was die Verfasser der Regeln des Kriegsrecht im Hinterkopf hatten.

    Für die meisten Fälle stimmt es eben nicht, dass die Sachlage eindeutig ist. Definitionen wurden gestreckt und verbogen werden (das könnte Russland dann auch machen). Weder sind die Kampfhandlungen umrissen, noch sind die Ziele klar feindliche Kämpfer, noch werden ihnen dann entsprechend auch die Rechte die du erwähnst zugesprochen. Da das ganze im Namen der Terrorismusbekämpfung geschieht (ein krimineller Akt gemäss nationaler Gesetzgebung) ist “extralegal” ein sehr passender Begriff (nicht zuletzt weil zweierlei Mass angewendet wird).

  15. #15 miesepeter3
    September 22, 2011

    @Ali

    Gods own country wird doch wohl ausserhalb seiner Grenzen ein paar klitzekleine Fehler machen dürfen, oder?
    Es ist immer das gleiche, je mehr jemand von seinem “Gutsein” überzeugt ist, desto leichter fällt es ihm, seine eigenen Fehler sich selbst zu verzeihen. Wer im Grunde gut ist, dessen Fehler können nicht so schlecht bewertet werden, wie die Fehler von den “Schlechten”. Dieses Gefühl von sich selbst als gut denkenden Menschen ist sogar wissenschaftlich bewiesen und die “Guten” unterscheiden da nicht, ob sie als Radfahrer gegen die Verkehrsregeln verstossen oder ob sie mal `nen Terroristen mitsamt ein paar Zivilisten im Ausland zu Tode bomben.
    Ich habe `ne Menge Verwandte in Amerika. In einer Unterhaltung begreifen Sie das Problem überhaupt nicht und sehen einen verständlislos an. Sie haben das “Gutsein” des amerikanischen Menschen schon mit der Muttermilch eingesogen und die Feinde Amerikas sind keine Menschen, die sich hinter irgendwelchen Gesetzen oder gar moralischen Grundsätzen verstecken dürfen. Diese entsprechen ungefähr dem, was in den Religionen die Ungläubigen sind, eigentlich keine Menschen. Da braucht man auch die eigenen Gesetze zum Schutz der Menschen nicht anwenden, es sind ja keine richtigen Menschen.

  16. #16 gustab (naja, eigentlich gustav ;-))
    September 23, 2011

    “Viele der Drohnen Attacken sind zudem gerade gegen die mutmassliche Al-Kaida Führung erfolgt. Es handelt sich also nicht offensichtluch um bewaffnete feindliche Kämpfer die in die Kampfhandlungen verwickelt sind.”

    Die Frage ist hier, sind die Al-Kaida-Führer politische oder militärische Anführer? Ein hochrangiger Offizier, ist auch selten bewaffnet und nicht direkt an Kampfhandlungen beteiligt. Kann aber der Haager Verordnung nach getötet werden.

    “Dazu kommt, dass diese Regeln im Falle eines Krieges gelten. Dieser ist in der Regel zeitlich und territorial begrenzt. Dieser sogenannte Krieg gegen den Terror hingegen ist völlig offen und kann somit nach belieben als Rechtfertigung herbeigezogen werden. Es ist ziemlich sicher nicht was die Verfasser der Regeln des Kriegsrecht im Hinterkopf hatten.”

    Da gebe ich dir Recht, nur ist es auch bei regulären Kriegen so, dass eine zeitliche Begrenzung nicht immer möglich ist. Gerade überregionale Kriege oder Bürgerkriege, wo die Regeln auch gelten (sollten) sind oft zeitlich offen. Aber zumindestens gibt es meist eine territoriale Begrenzung.

    Ich denke, dass die Bestimmungen der combatants schon greifen, nicht immer, aber zumindestens bei bewaffnete Organisationen wie Taliban oder Hisbollah, aber erstaunlicherweise wird nicht so argumentiert. Ich glaube es wäre relativ einfach für die USA zu sagen, dass es sich hier um bewaffnete Personen handelt, mit denen gemäß der Haager Verordnung umzugehen ist. Das bedeutet, ich kann gegen sie Krieg führen, ich kann deren (militärischen) Anführer töten, ich kann sie gefangen nehmen. Ich muß ihnen auch die Rechte zugestehen, was aber das kleinste Problem sein sollte (wo soll das Problem sein, das Rote Kreuz Besuche zu gestatten?).

    Die Frage ist, warum wird nicht so argumentiert? Das ist meiner Meinung nach eine ideologische Entscheidung. Mit dieser oben gebrachten Definition, wäre es schwierig Terroristen, Al Kaida Kämpfer und Taliban-Kämpfer, sowie Terrorgruppen in irgendwelchen anderen Ländern als eine einheitliche Armee zu beschreiben, die gegen die USA kämpft. Das ist aber offensichtliches Ziel der USA (zumindestens unter Bush), den Terror als den _einen_ großen Gegner zu beschreiben. Das hilft bestimmt, die eigene Bevölkerung zu mobilisieren, hat aber meiner Meinung nach auch große Nachteile. So kann eine verkürzte Analyse von dem einheitlichen Gegner, ohne zwischen Terroristen, Taliban, etc zu unterschieden, nur zu falschen (Gegen-) Maßnahmen führen. Damit wird aber eine Strategie, sowohl gegen den Terror, als auch gegen die Taliban ineffektiv – und das ist genau das, was wir gerade erleben.

    Wobei es mit Al Kaida Terroristen wahrscheinlich noch einfach ist, diese als bewaffnete “Spione” des Gegners zu definieren und abzuurteilen, wie das in Kriegen mit feindlichen Saboteuren geschieht. Aber selbst diese – doch schon sehr problematische Definition – ist wahrscheinlich für die Anti-Terror-Ideologen nicht genug, wollen sie doch eben nicht nur die Terroristen der Al Kaida und Taliban-Kämpfer als einheitlichen Gegner aufbauen, sondern gleich den gesamten Terror. Damit überheben sich aber die Anti-Terror-Ideologen.

    Wo ich dir aber Recht gebe ist, dass mit einer derartigen ideologischen Sichtweise die Definitionsmöglichkeiten sehr weit sind. Zwar tue ich mir mit dem Beispiel Russland und Tötungen in den USA noch immer als Beispiel schwer, aber zumindestens übernimmt ja inzwischen auch Russland die Definition vom “Krieg gegen den Terror”.

  17. #17 gustav
    September 23, 2011

    @miesepeter3

    “Ich habe `ne Menge Verwandte in Amerika. In einer Unterhaltung begreifen Sie das Problem überhaupt nicht und sehen einen verständlislos an. Sie haben das “Gutsein” des amerikanischen Menschen schon mit der Muttermilch eingesogen und die Feinde Amerikas sind keine Menschen, die sich hinter irgendwelchen Gesetzen oder gar moralischen Grundsätzen verstecken dürfen.”

    Wobei das nicht nur auf Menschen in der USA zutrifft. Wenn man mit Russen, Briten, Spanier spricht und dort die “richtigen” Themen anspricht, wird man die gleichen Antworten bekommen. Selbst in unbedeutenden Zwergstaaten wie Österreich (woher ich komme), kann man eine solche Argumentation erleben. Das ergibt sich schlicht aus dem Nationalismus und wie die eigene Gemeinschaft empfunden wird. In den USA ist es die Freiheit gegen die Feinde der Freiheit, woraus sich ein kultureller Rassismus ergibt (alle die sich an die Kultur Amerika anpassen, werden toleriert).

    In Österreich ist es die Abgrenzung gegen das Fremde, gegen die Mächtigen, gegen die die “uns” schaden wollen (ergibt sich aus dem nicht überwundenen Machtverlust mit Auflösung der Monarchie) – daraus resultiert der noch immer starke Antisemitismus (“die Mächtigen aus dem Ausland”, siehe Waldheim-Diskussion wo der “Ostküste” die Schuld gegeben wurde). Im Fall Österreich sind die Guten also “wir” und die “Anderen” sind schon mal verdächtig. Wenn es gegen Menschen geht, die vermeindlich dem österreichischen Denken widersprechen, zum Beispiel die die österreichische Nazivergangenheit ansprechen (“Nestbeschmutzer” in Österreich genannt) und die noch dazu Juden sind, dann wird das Prinzip am deutlichsten. In solchen Fällen werden selbst österreichische Staatsbürger schnell zu “Israelis” oder “Amerikaner” gemacht (siehe die Angriffe gegen den Präsidenten der Jüdischen Gemeinde, Ariel Muzicant oder gegen den Leiter des jüdischen Museum in Vorarlberg). Sie werden also zu den “Anderen” gemacht, werden aus der Gemeinschaft ausgeschlossen.

    So ist mir manchmal das Gut und Böse der Amerikaner, wo es um einen Freiheitsbegriff geht, um eine Willensbekundung für “Demokratie”, richtig angenehm. Wenn mir natürlich auch bewusst ist, dass die Definition ebenso problematisch ist. 😉

  18. #18 miesepeter3
    September 23, 2011

    @gustab (naja, eigentlich gustav ;-))· 23.09.11 · 03:20 Uhr

    ja, von sich selbst übersteigert überzeugte gibt es überall. Aber es gibt einen kleinen, aber feinen Unterschied :

    Alle Nationen haben eine mehr oder weniger zutreffende Entschuldigung bzw. Erklärung für ihre Art der Problemlösung, die Amerikaner haben gar nicht erst ein Problem.
    Mir kommen sie da immer ein wenig wie kleine Kinder vor, die noch nicht begriffen haben, dass sie nicht alles dürfen, was sie so wollen.

  19. #19 ali
    September 23, 2011

    @gustav

    Ich glaube wir sind uns in der Einschätzung eigentlich weitgehend einig. Das einzige wo wir vielleicht etwas divergieren ist hier:

    Die Frage ist hier, sind die Al-Kaida-Führer politische oder militärische Anführer? Ein hochrangiger Offizier, ist auch selten bewaffnet und nicht direkt an Kampfhandlungen beteiligt. Kann aber der Haager Verordnung nach getötet werden.

    Dein vorhergehender Kommentar klang so und das ist vermutlich was mich aufgescheucht hat, als ob der Fall ziemlich klar sei (“Die geziehlten Tötungen von Taliban- Al Kaida- oder auch Hamas-Kämpfern, sind in dem Sinne nicht extralegal. (…) Diesen Regeln nach sind sie eindeutig als “combatants” zu betrachten, bekommen die Rechte die ihnen zustehen, dürfen aber auch getötet werden, wie eben auch “offizielle” Soldaten.” [Meine Betonung]). Ich glaube die betroffenen “high value targets” entsprechen eher einer politischen Führung, aber das ist natürlich diskutabel. WIr können uns aber zweifelsohne darauf einigen, dass die Sachlage sicherlich nicht so klar ist, wie die USA vorgeben. Alleine das sollte einen Rechtsstaat (was die USA für mich nach wie vor sind) zum Einhalten bringen.

    @miesepeter3

    Mir kommen sie da immer ein wenig wie kleine Kinder vor, die noch nicht begriffen haben, dass sie nicht alles dürfen, was sie so wollen.

    Der Unterschied zu den meisten anderen Nationen ist, dass sie vieles machen können, das sie wollen. Da greift dann der Vergleich eben nicht mehr. Sieht man wie sich andere Nationen benehmen glaube ich würden diese mit der Machtfülle der US nicht anders handeln (ich töne das im Schlusssatz vom Post auch an). Ausserdem ist doch ein Punkt meiner Aussage, dass alle immer das Gefühl haben, dass sie machen dürfen was sie wollen weil sie meinen im Recht zu sein.

  20. #20 gustav
    September 23, 2011

    @ali: Ja, ich glaub wir sind uns recht einig. Selbst bei dem wo wir (wahrscheinlich nur leicht) divergieren. 😉

    @miesepeter3: Also wenn ich mir Russen über Tschetschenien rede oder mit Türken über Kurden, dann sehe ich da keinen großen Unterschiede, die begreifen ebenso wenig, dass sie nicht alles dürfen, wenn es um ihren Machtbereich geht. Und das betrifft nicht nur Russen und Türken, das waren jetzt nur zwei herausgegriffene Beispiele, ich könnte noch ein paar nachlegen (Frankreich in ihrem nordafrikanischen Einslussbereich, um auch mal ein EU-Land zu nennen).