Etwas vom Schwierigsten beim Verfassen einer Doktorarbeit ist so denke ich, dass es ein einsames Unterfangen ist. Vielleicht hat man Freundinnen oder Freunde in der gleichen Situation, arbeitet mit anderen in einem Labor und natürlich erhält man Rückmeldungen vom Betreuer oder der Betreurin. Das ändert aber nichts daran, dass man am Ende mit seiner Arbeit trotzdem alleine ist. Wer selbst kein ähnliches Projekt angepackt hat kann dies vielleicht nur bedingt verstehen. Um so mehr freut man sich über die Solidarität von gegenwärtigen und ehemaligen Mitleidenden.
Was hat das mit den Doktortiteljägern zu tun mag man sich fragen. Ganz einfach, ich verdächtige viele von ihnen, dass sie Plagiieren, Dünnbrettbohren und andere Methoden anwenden, um eben nicht durch dieses Tal der Tränen gehen zu müssen an dem für viele kaum ein Weg vorbeiführt. Ich bin überzeugt, dass man dies auch an der Wertschätzung für solche Forschungsarbeit durch diese Individuen ablesen kann. Eine Wertschätzung wird vor allem geäussert, wenn es die eigne Leistung in einem besseren Licht erscheinen lässt. Sie bleibt aber oberflächlich und darf nichts kosten.
Ich möchte dies mit zwei Beispielen erklären. Eines bezieht sich auf meine eigene Forschungsarbeit, dass andere betrifft die Dissertation von Frau Ministerin Kristina Schröder. Beginnen wir mit der Anekdote aus meinem persönlichen Erfahrungsbericht:
Ich habe für meine Forschung Interviews mit ehemaligen und aktuellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Büros des Repräsentanten für Handel der USA (Office of the United States Trade Representative) geführt. Trotz des unscheinbaren Titel eines Repräsentanten handelt es sich um ein Mitglied des Kabinetts. Um diese Interviews führen zu können habe ich Anfragen verschickt, wenn möglich direkt an spezifische Personen adressiert. Bei der höchsten Stelle die mir ein solches Interview gewährte (und sehr viel höher hätte ich die Leiter nicht rauf gekonnt) handelte es sich um eine Person, die eine Professur hat und von Akademia für einen Sabbatical in die Politik geholt wurde.
Ich habe mir nicht sehr viele Hoffnungen gemacht bezüglich dieser spezifischen Anfrage. Ich ging davon aus, dass diese Person besseres zu tun hätte als mir 90 Minuten Rede und Antwort zu stehen. Doch obwohl die Person nur eine E-mail Nachricht hatte und meine Behauptung ich würde an einem Dissertation zum Thema arbeiten, kam prompt eine freundliche Zusage zurück: Klar sei sie bereit mir bei meiner Forschung zu helfen, dies sei schliesslich wichtig und selbstverständlich, wisse sie doch, wie sehr man auf solche Kooperation angewiesen sei. Ich sympathisiere natürlich sehr mit dieser Begründung. Das ist auch der Grund warum ich bei Umfragen (auf Papier oder per Telefon) mitmache, wenn ich weiss, dass sie Forschungszwecken dienen.
Nun zu meinem zweiten Beispiel: Frau Doktor Kristina Köhler, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ihre Dissertation war vor bald zwei Jahren ebenfalls in der Kritik. Ihr wurde zwar kein Plagiat nachgewiesen aber wie ihre Dissertation gemäss Medienberichten zustande kam, muss allen als Hohn vorkommen, die sich harter Knochenarbeit sich ihren Titel alleine erarbeiten müssen oder mussten.
Gemäss einem Artikel der Süddeutschen Zeitung von Ende 2009 konnte sie sich auf Unterstützung verlassen, die für den grössten Teil der Doktoranden und Doktorandinnen ein nicht zu erreichender Luxus ist. Ihre Arbeit Gerechtigkeit als Gleichheit? Eine empirische Analyse der objektiven und subjektiven Responsivität von Bundestagsabgeordneten basiert offensichtlich (ich konnte keine vollständige Version im Netz finden) vor allem auf einer Umfrage unter CDU Abgeordneten und CDU Mitgliedern. Sie verschickte gemäss SZ 180 Fragebogen an Abgeordnete und 1000 an Mitglieder. Von ersteren erhielt sie 75% zurück von den zweiten 48%. Alleine diese traumhaften Rücklaufquoten lassen vermuten, dass da gut nachgeakt worden ist. Natürlich bleibt auch dem fleissigsten trotzdem ein solcher Zugang zu den Abgeordneten verwehrt. Auch der Zugang zur CDU Mitgliederdatenbank ist wohl nur möglich, wenn man über entsprechende gute Beziehungen verfügt. Das mag den einen oder anderen empirisch forschenden etwas neidisch machen, aber man kann Frau Schröder meines Erachtens nicht ihre privilegierte Position zum Vorwurf machen.
Schon etwas zweifelhafter ist, dass das Sekretariat (immer noch gemäss SZ) die Stichproben vornahm und die Fragebogen verschickte (und ich vermute bei der Rücklaufquote auch nachhakte). In die gleiche Kategorie fällt, dass ein wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Formatierung, Dateineingabe und das Layout für Fragebogen und Arbeit bezahlt wurde. Aber wie schon geschrieben, es geht mir nicht um eine Neiddebatte. Dies klingt zwar alles unschön und riecht nach privilegierter Behandlung, ist aber im Gegensatz zu einem Plagiat nicht klar unredlich (alleine die Tatsache dass es sich um eine empirische Arbeit handelt, reduziert ausserdem die Möglichkeiten zum Plagiat). Daran ändert auch nicht, dass die Arbeit thematisch eher als Fleissarbeit statt als neuer wissenschaftlicher Beitrag erscheint. Man muss davon ausgehen, dass Frau Schröder durchaus die erforderte wissenschaftliche Eigenleistung erbrachte auch wenn sie diese erfolgreich minimierte.
Warum also diese aufgewärmte Geschichte von 2009? Mein Problem ist folgendes: Ein Freund von mir hat zur Zeit als Frau Schröder noch mit ihrer Arbeit beschäftige war, für seine eigene Doktorarbeit Bundestagsabgeordnete aus einem spezifischen Ausschuss interviewen wollte. Unter diesen befand sich auch Frau Schröder (damals noch Köhler). Man könnte nun meinen, dass die Dame, die dank ihren Privilegien zu dieser Zeit einen einzigartigen Zugang zu Abgeordneten und Parteimitgliedern erhielt zumindest genug Empathie mit weniger gut positionierten Leidesgenossen haben könnte, dass sie zumindest den Versuch sich etwas Zeit zu nehmen hätte machen können. Doch die Absage kam in ihrem Auftrag, kurz, knapp, floskelnhaft und endgültig.
Es ist natürlich möglich, dass es tatsächlich terminliche zu dieser Zeit nicht möglich war für Frau Schröder. Doch die Antwort (die mir vorliegt) wirkt ziemlich klar nach einem standardmässigen gar-nicht-erst-eintreten-wollen. Die Prioritäten lagen schlicht anders. Auf jeden Fall kontrastiert diese Absage einer Bundestagsabgeordneten für mich klar mit meiner Zusage eines relativ gut positionierten Mitarbeiters der US Exekutive, der aber selber auch forschte. Ich bin überzeugt dass dies eine Reflektion der Wertschätzung der Doktorarbeit ist. Für viele Politikerinnen und Politiker ist der Doktor mehr wie ein Badge bei Foursquare. Die Forschung ist nicht einmal Mittel zum Zweck. Sie ist reine Nebensache ja fast schon ein lästiges Übel und genau das ärgert mich. Sehr viele Doktorandinnen und Doktoranden kämpfen sich nämlich durch Projekt, weil sie einen gewissen Anspruch haben (auch wenn das Resultat dem dann nicht immer gerecht werden kann). Die Titeljäger schmücken sich so mit dem Ruf und der harten Arbeit von anderen.
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