Gestern tauchte die Meldung auf, dass ein unabsichtlich nicht abgeschaltetes Mikrofon in einem Raum am Rande des G-20 Gipfels, eine Konversation zwischen Sarkozy und Obama in die Übersetzungskopfhörer einiger Journalisten spielten, in der vor allem Sarkozy unschmeichelhaft über den israelischen Premier herzog.
Die zwei Sätze, die überall zitiert werden, sind schnell wiedergegeben: Nachdem Obama Sarkozy seinen Unmut darüber kundtat, dass Frankreich ohne die USA zu informieren, bei der Abstimmung zur Aufnahme der Palästinenser in die UNESCO mit “Ja” stimmte, kam das Gespräch auf Premier Netanjahu. Sarkozy meinte, dass er “ihn nicht mehr sehen könne weil er ein Lügner” sei. Daraufhin hat Obama angeblich geantwortet, dass er, Sarkozy, vielleicht von Netanjahu “die Nase voll hätte” aber dass er, Obama “täglich mit ihm arbeiten” müsse.
Die erste Frage, die sich stellt ist, ob der Dialog wirklich stattfand. Die Art und Weise wie das Gespräch bekannt wurde lässt vermuten, dass die Geschichte stimmt. Die Journalisten die dem Gespräch lauschten, vereinbarten da es sich nicht um eine öffentliche Meinungsäusserung handelte, nicht darüber zu berichten. Dann hat eine Agentur dies trotzdem veröffentlicht, daraufhin folgten andere Medien. Die Geschichte wurde nun von anderen Journalisten bestätigt. Ein gezielt frei erfundenes Gerücht wäre wohl anders lanciert worden.
Meines Erachtens haben die mithörenden Journalisten zu Recht beschlossen, diese Aussagen nicht zu veröffentlichen. Ein grosser Teil der jetzt erscheinenden Artikel und Notizen zum Vorfall haben etwas voyeuristisches. Vielleicht auch, weil die Protagonisten für einmal nicht eine von unzähligen Mitarbeitern überarbeitete und ausgefeilte Positionsnahme runterleiern, sondern authentisch, undiplomatisch und offen sprechen. Es handelt sich also doch um Menschen stellt man erstaunt fest. Genau diesbezüglich überrascht mich die Berichterstattung ein wenig.
Erstens handelt es sich um eine Privatmeinung. Haben internationale Führungspersönlichkeiten kein Anrecht auf solche? Die meisten von uns mussten schon mit Menschen kooperieren und zusammenarbeiten, die sie nicht mochten. Vermutlich haben die meisten gegenüber Dritten auch deswegen schon abgelästert. Müssen jene, die sich im internationalen Rampenlicht bewegen, ihre Alliierten Kollegen zwangsläufig mögen und ihre Gegner hassen? Solange sie sich öffentlich professionell benehmen und ihre persönlichen Gefühle nicht den Interessen der Länder, die sie vertreten, in die Quere kommen, gibt es dagegen nichts einzuwenden. Gerade bei der Ansammlung an Egos an der Spitze von Staaten und Konzernen ist es kaum erstaunlich, dass es da auch zum einen oder anderen Zusammenprall der Persönlichkeiten kommt. Man müsste sich höchstens die Frage stellen, ob einer der beiden Politiker etwas von sich Preis gegeben hat, dass später seine Position kompromittieren könnte. Um dies zu beurteilen haben wir aber viel zu wenig Informationen.
Zweitens ist die Deutung der Aussagen gar nicht so einfach. Schliesslich handelt es sich um Politiker, die durchaus auch ab und zu Psychologie anwenden werden um einen taktischen Vorteil zu erlangen. Vielleicht wollte Sarkozy ein Teil der Schelte wegen der UNESCO auf Netanjahu ableiten. Da kann so eine gezielt eingesetzte Emotionalisierung (“der Lügner”) durchaus gelegen kommen. Oder vielleicht heuchelte Obama nur Verständnis, weil er Sarkozy aus irgend einem Grund auf seine Seite ziehen wollte. Ich hege zwar den Verdacht, dass die Aussagen authentisch waren, nicht zuletzt weil es allgemein bekannt ist, dass Netanjahus Persönlichkeit im auf dem internationalen Parkett schon öfters in die Quere kam. Trotzdem kann ohne Kontext schwer definitives aus den Aussagen geschlossen werden.
Das einzige was eigentlich überrascht ist, wie überrascht viele sind, dass Spitzenpolitiker bei der Kaffeemaschine nicht im Ton von diplomatischen Kommuniqués sich unterhalten.
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