Die letzten Tage habe ich mehrmals in Internetdiskussionen gelesen, man solle die Griechen doch einfach vor die Euro-Türe stellen. Manchmal schien diese Lösung aus einem Gefühl der Ungerechtigkeit zu entspringen (warum sollen andere für griechische Sünden zahlen) manchmal als eine gut gemeinte Lösung für die Griechen gedacht zu sein. Vielleicht sollte man sich das zweimal überlegen.
Die Logik hinter dem Vorschlag ist einfach. Vielleicht zu einfach: Wenn Griechenland ein Problem für den Euro ist (wegen der Ansteckungsgefahr) und der Euro ein Problem für Griechenland (weil es seine Währung nicht abwerten kann), dann wäre es doch am sinnvollsten, die Übung einfach abzubrechen. Ich befürchte aber, dass dann alles noch viel schlimmer kommen würde.
Fangen wir mit Griechenland an und spekulieren was bei einem Austritt und Wiedereinführung der Drachme passieren könnte. Niemand wüsste wie stabil diese neue Währung wäre. Am ehesten würde man an die alte griechische Nationalbank zurückdenken. Man weiss aber, dass der alleinige Zweck der Schaffung die Möglichkeit einer Abwertung war und vielleicht sogar einen Schuldenabbau durch die Geldpresse. Seien wir ehrlich, wer würde diese Währung wollen?
Schon alleine das Nachdenken über einen Austritt würde vermutlich eine Lawine ins Rollen bringen. Ein Sturm auf die Banken wäre wahrscheinlich, da alle ihre Sparanlagen zu Recht in akuter Gefahr sehen würden. Einige der sowieso schon angeschlagenen Banken müssten wohl Konkurs anmelden, was das Vertrauen der Griechen in ihre Banken noch zusätzlich schwächen würde. Viele Kleinsparer würden wohl ihre Guthaben verlieren. Die Regierung hätte kaum Möglichkeit den Banken zu helfen, da sie nur zu horrenden Zinsen Geld am internationalen Markt aufnehmen könnte. Die Löhne würden wegen der Abwertung der Drachme an Kaufkraft verlieren. Das heisst, dass entweder alle plötzlich riesige Lohneinbussen in Kauf nehmen müssen oder aber die Löhne hochgetrieben werden. Dies wiederum hätte ziemlich sicher eine starke inflationäre Wirkung, was weder dem Zinsniveau noch den Lohnarbeitern helfen wird. Von den Auswirkungen eines Kollaps des Bankensystems auf Firmen, die keine Kredite mehr aufnehmen können, haben wir noch gar nicht gesprochen. Dies würde die griechische Wirtschaft wohl endgültig erdrücken.
Das schlimmste ist: Nichts von dem würde etwas gegen das strukturelle Defizit im Staatshaushalt bewirken, eher das Gegenteil ist der Fall, obwohl dort das eigentliche Problem zu verorten ist. Die Schulden sind im Grunde nur ein zugegebenermassen inzwischen problematisches Symptom.
Nun können man natürlich sagen das ist das Problem der Griechen. Doch hängt ganz Europa mit drin. Da wären zuerst einmal Banken, die griechische Staatanleihen besitzen. Die könnten vermutlich den Verlust verkraften, aber einigen würde es doch schmerzen und sie sind alle sowieso schon geschwächt. Gut möglich, dass der Staat weitere Banken “freikaufen” müsste. Von den ganze Rentenfonds gar nicht zu reden. Wer möchte schon wegen den griechischen Schulden eine Rentenkürzung?
Was aber ein noch grösseres Problem ist, ist was die Märkte daraus schliessen werden. Eine Nicht-Rettung der Griechen ein klares Signal: Europa ist nicht bereit (vielleicht wegen dem Druck der Wählerinnen und Wähler) eine kleine Wirtschaft wie Griechenland aus dem Morast zu kaufen und Reformen durchusetzen. Da ist es unwahrscheinlich, dass man es für eine grössere Wirtschaft tun will oder kann. Die Lektion für die Anleger ist, das Geld von anderen Bankrott-Kandidaten und deren Banken möglichst schnell abzuziehen, bevor es die anderen auch merken und das nächste Land dran ist. Man muss nur schneller sein als alle anderen. Dummerweise denken das alle. Die Dominosteine würden dann einer nach dem anderen fallen und jedes Mal verschärft sich die Krise weiter, weil die Staaten und Banken im System noch weiter geschwächt wurden. Die griechische Tragödie würde immer wieder neu durchgespielt.
Was meines Erachtens momentan am Schwierigsten zu kommunizieren ist, ist dass es nur bedingt eine Rolle spielt, ob es unserem Verständnis von Fairness entspricht oder ob wir es für moralisch gerechtfertigt halten. Primär muss man sich überlegen, ob die Konsequenzen einen Sieg des Prinzips wert sind.
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