Als John F. Kennedy 1963 in Dallas erschossen wurde, sah man im Hintergrund einen Mann stehen. Das bemerkenswerte an diesem Mann war, dass er trotz strahlendem Wetter mit aufgespanntem Schirm dastand. Das ist natürlich verdächtig und die Versuchung einen Zusammenhang mit dem Präsidentenmord, der sich vor den Augen des Regenschirmmannes abspielte, zu konstruieren ist gross.

Eine Minidoku auf der Seite der New York Times beleuchtet die Frage des Regenschirmmannes und offeriert uns damit ein ausgezeichnetes Beispiel für die Denk-Mechanismen hinter einer Verschwörungstheorie.

An einem wunderschönen Sonnentag steht ein Mann mit aufgespanntem Regenschirm an genau der Stelle wo der Präsident erschossen wird. Was für eine Erklärung könnte es dafür geben und wie kann das nicht verdächtig sein? Drängt sich ein Zusammenhang nicht geradezu auf?

Das Problem liegt jedoch anders und in der Minidoku wird sehr schön darauf hingewiesen. Wenn man ein Ereignis wie den Kennedy Mord unter dem Mikroskop zu betrachten beginnt dann wir man zwangsläufig Dinge finden. Dinge die unüblich und skurril wirken. Da wir geübt sind Zusammenhänge zu erstellen, zu rationalisieren und überall Kausalität zu sehen, liegt es bei einem so schwer akzeptierbaren Ereignis eben nahe, auch hier eine Verbindung zu machen.

Doch diese Ausnahme sind vermutlich meist keine Ausnahmen. Solche Skurrilitäten findet man überall und immer. Der Unterschied ist, man nimmt sie in der Regel nicht wahr, weil nichts nebenher passiert. Nicht-Ereignisse werden eben nicht unter diesem Mikroskop betrachtet werden.

Und der Regenschirmmann, was machte er also mit seinem aufgespannten Schirm am Strassenrand? Die Erklärung ist so simpel wie abstrus. Es handelte sich um einen Protest. Einen Protest gegen Joseph P. Kennedy, der Vater des ermordeten US Präsidenten, der in den 30er Jahren Botschafter für die USA in London war. Er stellte sich hinter Chamberlains Appeasement Politik. Dagegen protestierte der Regenschirmmann. Sein Regenschirm war für ihn ein Symbol für Chamberlain und er wollte an die gemäss ihm verfehlte Politik von Kennedys Vater erinnern.

Der Macher der Minidoku betont zu recht, wie dies aufzeigt, dass selbst die Tatsache, dass wir für etwas keine Erklärung haben, nicht automatisch eine Verbindung zum Ereignis bedeutet. Die Anzahl möglicher Erklärungen ist unendlich gross und es wäre ein Anmassung zu meinen, wir könnten uns diese alle ausdenken. Schon gar nicht solche schrägen Gedankengänge wie jenes des Regenschirmmannes.

Den verschwörunstheoretische Klassiker “es kann dafür keine andere Erklärung geben” werde ich in Zukunft wohl mit der Umbrella Man Fallacy kontern. Nicht dass es viel ändern würde. Aber man spart sich zumindest die Mühe sich ständig zu wiederholen.

Kommentare (20)

  1. #1 Michael
    November 22, 2011

    Das Ganze hat schon einen Namen: Anomaly Hunting (Aufspüren von Anomalien). Das ist eine Basistechnik aller Verschwörungstheorien: Finde tausend Sachen, die nicht recht ins Bild passen, auch wenn sie rein gar nichts beweisen. Das ist einfacher, als Positivbelege zu finden.

    https://www.ratioblog.de/entry/wir-basteln-eine-verschwoerungstheorie

  2. #2 Klaus
    November 22, 2011

    “Anomaly Hunting”: Knapp 10.000 Ergebnisse bei Gugel. Immerhin.
    Aber leider noch kein Eintrag bei Wiki, weder in D noch in Englisch.

  3. #3 BreitSide
    November 22, 2011

    Jaja, der Chamberlain-Protest KANN eine Erklärung sein. Ist er deshalb auch eine?!?!?!?!eins11elf11ßßß

  4. #4 jitpleecheep
    November 22, 2011

    Gute Güte, das ist aber auch mal ein weit hergeholtes Protestmotiv. Aber nett, sinnlos, aber schöner Protest. 🙂

    Ich wäre ja auf die nächstliegende Erklärung gekommen: Der Mann war lichtempfindlich. Mit einem Regenschirm kann man sich ja nicht nur gegen Regen schützen.

  5. #5 Klirrtext
    November 22, 2011

    Vielleicht dachte er auch, es werden noch Kamelle geworfen und wollte seine Fangchancen erhöhen…

  6. #6 Jürgen Schönstein
    November 22, 2011

    @BreitSide
    Guckst Du hier, findest Du eine Erklärung …

  7. #7 ali
    November 22, 2011

    @Jürgen Schönstein

    War das nötig? Diese Seite zerstört meine Theorie betreffend des Zusammenhangs von Webseiten-Design und Crank-Theorien.

  8. #8 Jürgen Schönstein
    November 22, 2011

    … und hier sogar noch eine konkretere Referenz, warum Jack Kennedy vor allem in Texas den Hinweis auf Regenschirme vielleicht nicht so witzig fand:

    Robert [Kennedy] never forgave [Lyndon] Johnson for (…) referring to Joseph Kennedy as a “Chamberlain-umbrella policy man” who thought “Hitler was right,” …”
    aus:Robert Kennedy: Brother Protector, von James W. Hilty

    Johnson war zwar Kennedys Vize und Nachfolger, aber im Kampf um die demokratische Nominierung 1960 waren sie erbitterte Gegner gewesen, und wenn der Texaner Johnson tatsächlich diese Regenschirm-Metapher in seinem Wahlkampf wiederholt strapaziert hat, dann wäre es durchaus plausibel für einen Texaner wie Louie Steven Witt (= der “Umbrella Man”) anzunehmen, dass er JFK damit ein bisschen trietzen könnte.

  9. #9 Jürgen Schönstein
    November 22, 2011

    @Ali
    Hey, Du hast meine Website noch nicht gesehen …

  10. #10 knorke
    November 23, 2011

    Ich glaub über den Mann mit dem Regenschirm hab ich schonmal in einem Verschwörungsbuch gelesen (oder gabs da noch nen anderen mann mit schwarzem Anzug beim JFK Attentat und ich verwechsle was?).
    Der wurde dort als MIB spekuliert, und dann schlug man den Bogen zu den MIBs als “Regierungsmitarbeiter” mit blecherner Stimme, die Ufo-Zeugen einschüchterten. Zwei Seiten später waren die “Regierungsmitarbeiter” mit der Blechstimme dann asiatisch / mongolisch im Aussehen und gut 5 Seiten später war man beim Mottenmann. Von dort gabs dann bestimmt auch nochmal nen Logiksprung zu den Rothschilds, der FED, dem Ein-Dollar-Schein, den Illuminaten, Ägypten und Atlantis, aber das hab ich nicht mehr im Kopf, habe zuviele derartige Bücher gelesen, aber das Muster, das hier angesprochen wird, taucht da (auf seichtem Niveau) immer wieder auf: “Suche nach “ungewöhnlichen” Dingen und stelle auf Basis geringfügigster Ähnlichkeiten ursächliche Zusammenhänge her”.
    Ich hab beim Lesen teilweise gar nicht gemerkt, wie man da von einem Thema zum nächsten gesprungen ist.

  11. #11 BreitSide
    November 23, 2011

    Jürgen Schönstein·
    22.11.11 · 22:17 Uhr

    @BreitSide
    Guckst Du hier, findest Du eine Erklärung …

    Ja und? Das ist EINE mögliche Erklärung. An seiner (Witts) Stelle würde ich das auch so sagen, damit SIE ihn nicht gleich liquidieren. Bleibt wachsam!

  12. #12 Karl
    Oktober 22, 2012

    Ah gut! Endlich ist der Fall geklärt! Ein verrückter Mordsüchtiger war’s (so süchtig das er sich danach sogar selbst ermordet hat). Ein Mann mit Schirm beweist das alle Spekulationen und auch Beweise darüber hinaus falsch, ja gar komplett verrückt sind.

    Gut das es so kritische, wissenschaftlich arbeitende Menschen wie Ali gibt (der welcher jetzt endlich ein Argument gegen Möchtegern Aufdecker von “Verschwörern” hat – Zusätzlich zu Witzen über die Illuminaten-Pyramide).

  13. #13 Astra Rotlich
    Dallas
    März 25, 2015

    EY leute sowas juckt mich gar nicht
    locker 1 abstauben in der projektarbeit
    easy going Realschulabschluss undso
    und jetzt

    VERPISST EUCH

  14. #14 le-whatt
    Juni 14, 2015

    Ja! Bleibt wachsam! Nur weil sich ein Blog mit “science” schmückt, hat er noch nicht das Recht, eine hahnebüchene Theorie über die der “Verschwörungstheretiker” zu setzen. Mit “science” hat das erstmal nix zu tun. Eher mit gezielter Desinformation. Zur objektiven Betrachtung sollte man zunächst mal klären ob diese Form des Regenschirm-Protests zu dieser Zeit “in” war, oder ob er von diesem Herrn spontan an diesem Tag und in dieser Sekunde mal insceniert wurde (und später nie von irgend jemandem wiederholt). So ein Stuss: Chamberlaine-Protest…

  15. #15 Bullet
    Juni 19, 2015

    okay, ich bin wachsam:

    Mit “science” hat das erstmal nix zu tun. Eher mit gezielter Desinformation.

    Belege, sonst Hals zu.

  16. #16 Ayn Randi
    Bad Zweifelshausen
    August 20, 2015

    Ein äußerst interessanter und lehrreicher Beitrag, dessen wichtige Botschaft: im Kontext aufzuklärender Verbrechen alles Auffällige wie Verdächtige nach Möglichkeit zu ignorieren oder zumindest von vorneherein mittels Bagatellisierungen abzutun (“Ali’s Razor”), leider viel zu wenig Beachtung findet. Doch in einer Welt wie dieser, in der es vor paranoiden Verschwörungstheoretikern nur so wimmelt, welche die gesamte öffentliche Meinung kontrollieren, bis in höchste politische Ämter vorgedrungen sind, ja noch nicht einmal vor den heiligen Hallen der Wissenschaft zurückschrecken, dort vielmehr ihre Fäden spinnen und gezielt Jagd auf die wenigen kritischen Geister machen, da ist unsere Skeptiker-Fachkraft mit ihrer eines promovierten Politikwissenschaftlers würdigen elaborierten Sprache leider nur ein Rufer in der Wüste.

  17. #17 Kenisha Wishard
    März 29, 2017

    Keep up the wonderful piece of work, I read few content on this website and I think that your web blog is real interesting and has circles of wonderful information.

  18. #18 quadrocopterversicherung.com
    April 28, 2017

    Bemerkenswerter Beitrag. Aber man muss sagen, dass Dinge nicht jedes Mal so einfach sind. Realismus ist oft besser als Wolkenkuckungsheime.

    https://quadrocopterversicherung.com/

  19. #20 Ralf Becker
    Löhne (Germany)
    Oktober 26, 2022

    Die Krimi-Autorin Amanda Howard behauptete in einer australischen Fernsehsendung, dass sie vom Serienmörder Patrick Wayne Kearny einen Brief bekommen hatte. Kearny behauptete darin, dass er ein Freund von Lee Harvey Oswald war.

    Am 1. Juli 1977 stellte Kearney sich freiwillig der Polizei und legte ein umfassendes Geständnis ab.

    Dann meldete sich nach einem Aufruf des United States House Select Committee on Assassinations (HSCA) in 1978 Louie Steven Witt und gab an, der gesuchte „Umbrella Man“ zu sein.

    Es ist schon etwas komisch, dass sich der Umbrella Man erst bei den Behörden gemeldet hatte, nachdem Patrick Wayne Kearney seit rund einem Jahr im Gefängnis war.