In den USA finden demnächst Wahlen statt. “Demnächst” heisst im ewigen Wahlkampf der USA natürlich Herbst 2012. Im Moment sind vor allem die Republikaner mit der Kandidaten-Kür beschäftigt. Der Mann der aktuell in Führung liegt ist nicht nur eine politische Überraschung, sondern auch ein Geschenk für die Liebhaber von YouTube Clips in denen Politiker sich blamieren. Ich möchte hier einen möglichst hämefreien (die Clips gibt es natürlich trotzdem) genaueren Blick auf seine aussenpolitischen Qualifikationen oder eben das Fehlen dieser werfen.
Zur grossen Überraschung aller führt der Pizza-Unternehmer Hermann Cain im Moment das Feld der republikanischen Kandidaten an. Dies nach einer Kampagne mit viel Auf und Ab (hier eine nette Animation als Pferderennen des bisherigen Verlaufs). Man könnte fast den Eindruck erhalten, dass die Republikaner alle ausser den logischen Kandidaten Mitt Romney wählen wollen. Hermann Cain hat bisher vor allem mit eher unfreiwillig viralen Videos auf sich aufmerksam gemacht. Da war zuerst einmal seine Eigenwerbung, mit dem inzwischen berühmten Zug an der Zigarette seines Kampagnenmanagers und dem eher fies wirkenden Grinsen am Ende des Spots.
Aber hier soll es nicht um seine Qualitäten als Filmproduzent gehen, sondern eine potentielle Aussenpolitik, die von einem Herman Cain zu erwarten wäre. Spontan kommen mir hier vier Klassiker in den Sinn wo Cain zeigte, wie unfit er im Moment bei aussenpolischen Themen ist.
Ausstellungsstück Nr. 1:
Cain, der sich selber als bedingungslos solidarisch mit Israel positioniert, wird zu einem allfälligen Rückkehrrecht von palästinensischen Flüchtlingen gefragt (der Bereich von dem die meisten Beobachter davon ausgehen, dass dort die Palästinenser bei einem Verhandlungsabschluss nicht kriegen können was sie möchten.) Selbst der FOX News Journalist kann es kaum glauben was er da hört (“Ja, sie sollten ein Recht auf Rückkehr haben (…) Ich glaube nicht, dass sie [Israel] ein grosses Problem damit haben, mit Leuten die zurückkommen”):
Ausstellungsstück Nr. 2:
Cain erklärt, dass er den Präsidenten von “Us-beki-beki-beki-stan-stan” und anderen “kleinen undbedutenden Staaten” nicht kennen müsse (Usbekistan ist von relativ grosser strategischer Bedeutung für die USA in der Region):
Ausstellungsstück Nr. 3:
Cain meint in Anlehnung an die Freilassung von Gilad Shalit, dass er sich vorstellen könnte alle Häftlinge auf Guantanamo Bay freizulassen im Austausch gegen einen von Al-Kaida entführten US Soldaten:
Ausstellungsstück Nr. 4:
Relativ frisch ist der letzte und meines Erachtens peinlichste Ausrutscher. Cain wird zu seiner Position zu China befragt und erzählt unter anderem, dass China sich dahingehen geäussert hätte, dass sie “eine nukleare Kapazität zu entwickeln versuchen.” Nun hat China mindestens seit 1964 Atomwaffen (und seit 1967 auch thermonukleare Waffen):
Nun ist die Frage, machen Cain diese Aussagen aus aussenpolitischer Sicht (diese ist es, die uns hier interessiert) unwählbar? Ich würde sagen, seine Unkenntnis alleine reicht dafür nicht aus. Er hat nicht ganz unrecht wenn er sagt, Pub-Quiz Wissen zu Präsidenten von Land X oder Staat Y sind keine Notwendigkeit um ein Land zu führen, und dazu umgibt man sich mit Personen, die Ahnung haben. Ich glaube trotzdem, dass der Mann eine aussenpolitische Katastrophe wäre. Nicht weil er den Präsidenten von Us-beki-beki-beki-stan-stan nicht kennt, sondern weil er sich seiner Ahnungslosigkeit offensichtlich nicht bewusst ist und das ist gefährlich.
Im ersten Clip scheint es offensichtlich, dass er keine Ahnung hat, was mit “Rückkehrrecht” gemeint ist. Das ist zwar überraschend, da er seine Solidarität mit Israel als Argument für sich in Anspruch nimmt, und man annehmen könnte, dass er sich mit dem Thema zumindest rudimentär auseinandergesetzt hat, doch auch darüber könnte man ihm ein Memo schreiben. Diese würden zwar zu kleineren Geschichtslektionen verkommen, aber sei es drum. Dass er aber seine Meinung dazu abgibt, obwohl er offensichtlich nicht weiss worum es geht, statt die Frage elegant zu umschiffen, macht Sorgen (wie wäre es mit “das ist alleine Israels Sache zu entscheiden”? Bitte Herr Cain, gern geschehen). Ähnliches gilt für Usbekistan und China wie für die Rückkehrrecht-Frage: Er muss nicht von allem Ahnung haben, es wäre aber beruhigend zu sehen, wenn er die Grenzen seines Wissens kennen würde. Weil nur dann weiss man, dass er auch weiss, wann er Fachleute beizuziehen hat. Nur weil ein Land auf -stan endet und er nie davon gehört hat, ist es nicht unwichtig. Aber es gibt auch einen Unterschied, zwischen dem Namen eines Präsidenten eines Staates in Zentralasien und dem Wissen wer Atomwaffen besitzt. Ein minimales Wissen muss trotzdem vorausgesetzt werden können um Entscheide zu treffen. Dies gilt wohl besonders wenn man an die Spitze der grössten Militärmacht der Erde gewählt werden will.
Cain hat inzwischen schon darauf reagiert und seine aussenpolitischen Konzepte veröffentlicht. Mehr als leere Slogans hat er jedoch nicht produziert. Aussenpolitik ist halt doch nicht wie Pizza machen. Oft scheint er sich nicht festlegen zu wollen bedenkt man zum Beispiel die genauen Formulierungen in Bezug auf die Gefangenen (bei der er vor allem ein völliges Fehlen an innenpolitischen Gefühl an den Tag legt) oder ein allfälliges Rückkehrrecht für Palästinenser. Dass er dann trotzdem dummes sagt, ist ein Zeichen, dass wir von einem Herman Cain keine ausgeklügelte Aussenpolitik erwarten könnten.
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