Seit einer Weile schiessen die Spekulationen ins Kraut, ob Israel einen allfälligen Militärschlag gegen iranische Atomanlagen plant. Doch das ist nicht zum ersten mal der Fall. Wie wahrscheinlich ist ein Angriff? Ein paar Spekulationen dazu.
Zuerst fällt auf, dass ähnliche Drohkulissen schon früher aufgebaut wurden. Meistens fielen sie in eine Zeit kurz vor der Veröffentlichung eines Berichtes der Internationalen Atomagentur (IAEA). Auch dieses Mal ist es nicht anders und für morgen wird ein solcher Bericht erwartet. Ein Ziel solcher Warnungen ist sicherlich auch, die internationale Gemeinschaft zu weiteren Sanktionen gegen den Iran zu bewegen. Doch wie jedes mal fragt man sich auch, ob dieses Mal vielleicht tatsächlich etwas dran ist an den Drohungen. Immerhin gibt es sogar Berichte über ein Zerwürfnis im Sicherheitsapparat in dem Netanjahu eine Falken Position einnimmt, in israelischen Zeitungen laufen die Spekulationen angeblich noch heisser als bei früheren Gelegenheiten, und inzwischen hat Russland vor einem Schlag gewarnt. Auch haben einige beim Gefangenaustausch für Gilad Shalit einige darüber spekuliert, ob dies eine Vorbereitung sei für ein militärisches Vorgehen.
Bei solchen Szenarien ist es oft hilfreich einen Schritt zurück zu machen und sich zu überlegen, was die Interessen der einzelnen Akteure sind. Das Problem an einem guten Bluff ist, dass er glaubwürdig sein muss und daher schwer von ernsten Absichten zu unterscheiden ist. Genau an dieser Glaubwürdigkeit hängt seine ganze Effektivität. Erkennen kann man einen Bluff bestenfalls wenn man versucht zu verstehen, wie Attraktiv die angedrohte Aktion für den Akteur überhaupt ist.
Wer hätte Interesse an einem Militärschlag und was steht für wen auf dem Spiel? Dank Wikileaks wurde bestätigt, was man schon lange vermutet hat. Nicht nur Israel sieht sich durch eine potentielle iranische Bombe bedroht, sondern auch diverse sunnitische arabische Staaten. Saudi Arabien hat angeblich sogar um ein militärisches Eingreifen der USA gebeten. Die USA hingegen würden im Moment kaum Freude an einem israelischen Militärschlag gegen den Iran haben. Ganz abgesehen von den vielen Elementen, die in der Region eine kaum voraussehbare Dynamik in Gang setzen könnte, würde vermutlich ein solcher Schlag unter anderem das Assad Regime stärken. Diverse islamistische Kräfte würden vermutlich aus einem solchen Vorfall in mehreren Ländern ebenfalls gestärkt hervorgehen, da sie gegen Israel mobilisieren könnten. Mit anstehenden Wahlen in Ägypten möchte die USA kaum ein solches Wahlgeschenk an die Muslimbruderschaft machen. Eine Destabilisierung der Situation wäre wohl auch in Afghanistan ein Risiko und im mehrheitlich schiitischen Irak würde dies den von Obama versprochenen Truppenabzug der USA ebenfalls alles andere als vereinfachen. Bisher scheint Obamas Aussenpolitik jedoch sehr berechnend und wenig abenteuerlustig und daher ein grünes Licht für Israel sehr unwahrscheinlich.
Die Frage ist natürlich ob Israel gegen den Wunsch der USA eine solchen Schlag unternehmen würde. Ich halte dies ebenfalls für wenig wahrscheinlich aber es ist nicht auszuschliessen, da es trotz allem kaum mit unmittelbaren Konsequenzen zu rechnen hätte. Doch auch Israel hat kaum Interesse an einem solchen Militärschlag. Es ist bei solchen Aktionen immer schwer zu sagen, ob man das militärische Ziel tatsächlich erreichen kann. Es ist völlig offen, wie weit dies das mutmassliche iranische Atombombenprogramm zurückwerfen würde. Diesem unsicheren Gewinn steht ein grosses Risiko von Destabilisierung gegenüber. Gerade mit den der offenen Situationen in Ägypten und den Ereignissen in Syrien wird man sich einen Militärschlag gut überlegen. Dazu kommt, dass Iran über die Kapazitäten verfügt, mit Raketen zurück zu schlagen. Ein letztes Argument vielleicht weil offensichtliches Argument wird ebenfalls oft übersehen: Warum soll Israel den Iran vor einem Schlag warnen? Nur wegen der Drohung, wird der Iran das Programm nicht einstellen. Dann verzichtet man doch lieber auf unnötigen Lärm und hat so noch das Element der Überraschung auf seiner Seite.
In Anbetracht dieser Situation ist es die beste Option für Israel sicherzustellen, dass die internationale Gemeinschaft möglichst scharfe Sanktionen gegen den Iran verhängt und entsprechenden Druck aufrechterhält. Dies ist vermutlich für Israel die bevorzugte Option. So dient die militärische Drohung gegen den Iran in erster Linie dazu, der Weltgemeinschaft den Ernst der Situation zu signalisieren. Da niemand sich einen solchen Militärschlag wünscht, kann auch ein letztes Bisschen Unsicherheit über die Pläne Israels die Staaten dazu anhalten, den Druck auf den Iran noch weiter zu erhöhen.
Das Problem bleibt ist natürlich: Wenn immer gerufen wird, dass der Wolf jeden Moment kommen könnte, wird diese Form der Analyse wieder gemacht werden. Auch im Falle dass der Wolf tatsächlich aufkreuzt. Aber von dieser Unschärfe lebt der gute Bluff.
Der Bericht sollte Morgen erscheinen und enthält angeblich konkrete Hinweise, dass der Iran an einem Atomwaffenprogramm arbeitet. Verteidigungsminister Barak hat heute die Drohung zum ersten mal etwas abgeschwächt. Es sei noch kein Entscheid gefallen. Es sieht wohl so aus, als ob der Wolf noch einmal im Wald bleibt.
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